In Deutschland gehört die Frage "Zusammen oder getrennt?" zum Standardrepertoire eines jeden Kellners. Während in anderen Ländern oft selbstverständlich alles auf eine Rechnung kommt und den Rest die Gäste hinterher selbst klären sollen, ist das getrennte Zahlen hierzulande fast schon eine kulturelle Institution.
Egal, ob im Restaurant, in der Bar oder im Café – häufig zahlt standardmäßig jede:r, was er oder sie bestellt hat. Für viele ist das praktisch und fair: Wer will schon für den dritten Cocktail des Tischnachbarn aufkommen, wenn man selbst nur einen Espresso hatte? Außerdem behält man so die Übersicht.
Für andere mag das eher ungewohnt, unhöflich oder einfach nur kleinlich wirken. Außerdem kostet das präzise Auseinanderrechnen dann doch manchmal wichtige Zeit, die besonders Kellner:innen nicht immer haben.
Einem Restaurant-Besitzer in Esslingen wurde es nun zu viel. Er hat beschlosen, dem getrennten Zahlen ein Ende zu bereiten.
Salvatore Marrazzo führt seit 2018 das italienische Restaurant Accanto in der baden-württembergischen Stadt Esslingen nahe Stuttgart – im Schwabenland also, wo dem Klischee nach die geizigsten Menschen hierzulande wohnen. Diesen Sommer haben ihn mehrere Erlebnisse dazu bewogen, der Deutschen liebsten Zahlungs-Tanz zu beenden.
Gegenüber der "Bild" beschwert er sich:
Marrazzo ist demnach zwar selbst im Schwabenland geboren, fremdelt jedoch mit dieser Marotte. Vor allem, weil sie ihn und seine 13 Mitarbeiter:innen demnach eine Menge Zeit kostet: "Wenn zwei große Tische plötzlich getrennt zahlen wollen, bedeutet das für meine Kellner oftmals fast eine Stunde Extra-Arbeitszeit."
Deshalb gibt es nun sowohl einen Aushang als auch Hinweise in der Speisekarte, die das getrennte Zahlen untersagen – mit einer Ausnahme. Wer es vorher anmeldet, bekomme demnach die Rechnung aufgeteilt. Bevorzugt wird das anscheinend jedoch nicht.
Vor drei Wochen hat sich Marrazzo laut der "Bild" für die neue Vorschrift entschieden, nachdem es ihm gereicht hat. "In diesem Sommer kam es mehrfach vor, dass bei Hochbetrieb Gruppen über die getrennte Bezahlung diskutieren wollten", erklärt er demnach.
Doch statt ihn dafür zu kritisieren, sollen seine Gäste ihm seitdem sogar positives Feedback geben. Sie würden "großes Verständnis" zeigen.
Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) ist Marrazzos Entscheidung nicht abgeneigt. Ein Sprecher sagte demnach gegenüber der "Bild": "Getrennte Zahlungen stellen die Betriebe oft vor Herausforderungen."
Neben dem Zeitfaktor könne es zudem zu Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt kommen: "Unklare oder widersprüchliche Buchungen können im Rahmen einer Kassen-Nachschau zu Rückfragen durch das Finanzamt führen."
Doch was ist der Grund für die unterschiedlichen Zahl-Mentalitäten?
Ernährungssoziologe Daniel Kofahl erklärt gegenüber der "Bild", dass "in protestantisch geprägten Regionen" traditionell "individuelle Eigenverantwortung" gelebt wird. In südlicheren Regionen Europas stehe hingegen "das gemeinsame Essen im Mittelpunkt: Man lädt ein, zahlt bei weiteren Zusammenkünften abwechselnd und stärkt so Freundschaft und Geselligkeit."