Premiere nach über 40 Jahren: ZDF überträgt erstmals einen queeren Gottesdienst
Dass das ZDF jeden Sonntag einen christlichen Gottesdienst ausstrahlt, ist an sich nicht ungewöhnlich. Schon seit den 1980er-Jahren wird im Wochenwechsel ein katholischer beziehungsweise evangelischer Gottesdienst übertragen. Diesen Sonntag kommt es aber zu einer Premiere: Der öffentlich-rechtliche Sender will nämlich erstmals einen Queer-Gottesdienst live zeigen.
Konkret geht es um die katholische Feier in der Kirche St. Anna in Münster, die von der dortigen Queergemeinde vorbereitet wird. Ab 9.30 Uhr wird der Gottesdienst unter dem Motto "Wer bin ich – für dich?" mit Pfarrer Karsten Weidisch gefeiert.
Veranstalter hoffen auf mehr Sichtbarkeit für queere Gläubige
Gemeindemitglied Jan Diekmann erklärte gegenüber dem Portal "katholisch.de", dass es sich dabei um eine Anspielung auf eine Aussage des verstorbenen Papsts Franziskus handele. Der antwortete nämlich 2013 auf eine Journalistenfrage zum Umgang der Kirche mit homosexuellen Menschen: "Wer bin ich, ihn zu verurteilen?"
Innerhalb des Gottesdienstes soll es Glaubenszeugnisse queerer Christ:innen geben. "Das wird sehr persönlich und sehr bewegend", meint Diekmann. Außerdem werde man Wert auf sensible und inklusive Sprache legen und es werde das Lied "Du bist so anders" zu hören sein, dass er selbst 2019 zum 20-jährigen Bestehen der Queergemeinde Münster komponiert habe.
Provozieren wolle man niemand mit dem Gottesdienst, versichert der gläubige Christ: "Wir möchten einfach nur zeigen, dass queere Menschen einen Glauben haben und wie lebendig sie den feiern können."
Die Kirche habe bereits viele queere Menschen verprellt. "Die wenigen, die noch geblieben sind, haben einen sehr festen Glauben – und das schafft eine besondere Atmosphäre im Gottesdienst", erklärt Diekmann weiter gegenüber "katholisch.de".
Dass der Gottesdienst bei einigen Menschen für Unmut sorgen könnte, ist den Veranstalter:innen bewusst. Einlasskontrollen seien zwar nicht vorgesehen, aber vor der Kirche werde am Sonntag ein Streifenwagen bereitstehen. "Die Polizei ist nur für den Fall der Fälle vor Ort, damit sie im Zweifel schnell reagieren kann. Schließlich ist es ein sensibles Thema", sagt Diekmann.
Auf die Frage, warum es überhaupt einen queeren Gottesdienst braucht, hat der Christ eine eindeutige Antwort: "Es gibt spezielle Gottesdienste für Kinder, es gibt spezielle Gottesdienste für Frauen. Warum also nicht auch spezielle Gottesdienste für queere Menschen?"
Die seien ohnehin verunsichert, weil sie teils von der Gesellschaft eingeredet bekämen, dass etwas mit ihnen nicht stimme. Deshalb seien Orte, die ihnen Sicherheit bieten, sehr wichtig. Für Jan Diekmann steht fest: "Wir wollen uns nicht von der 'Normalgesellschaft' absondern, aber wir brauchen ab und zu eine Stärkung von Menschen, die Ähnliches durchgemacht haben. So können wir uns auch im Glauben gegenseitig stärken."
