Seit 1960 gibt es die Pille – für Frauen. Seitdem sind über sechzig Jahre vergangen, in denen der männliche Beitrag zur Verhütung zuverlässig ausblieb. Ein Mann kann Kinder zeugen oder sich sterilisieren lassen. Dazwischen liegt ein Abgrund der Möglichkeitenlosigkeit, der weniger mit medizinischen Hürden als mit der Bequemlichkeit des Patriarchats zu tun hat. Die Nebenwirkungen, die Frauen seit Jahrzehnten still in Kauf nehmen, galten Männern meist als unzumutbar. Auch, weil es kaum Interesse gab, das zu ändern.
Jetzt aber hat sich etwas bewegt: Eine neue Substanz namens YCT-529, entwickelt ohne Hormone, getestet ohne Zwischenfälle. Eine Verhütungspille, die weder die Hormone ruiniert noch die Libido, ist erstmals in einer klinischen Studie an Männern getestet worden. Mit erfreulich unspektakulären Ergebnissen.
Die zugrunde liegende Studie, veröffentlicht im Fachjournal "Communications Medicine", gilt als Meilenstein: Erstmals wurde ein nicht-hormoneller oraler Verhütungswirkstoff bei Männern im Rahmen einer klinischen Phase-1a-Studie untersucht.
YCT-529 blockiert in den Hoden gezielt einen Vitamin-A-Metaboliten und verhindert damit die genetische Aktivierung der Spermienproduktion. Anders als hormonbasierte Ansätze beeinflusst dieser Mechanismus weder Testosteron noch den Sexualtrieb oder die Stimmung.
"Wir brauchen dringend mehr reversible Verhütungsmethoden für Männer", sagt Stephanie Page, Endokrinologin an der University of Washington, gegenüber dem Wissenschaftsmagazin "Scientific American". Page war nicht an der Studie beteiligt, forscht aber seit mehr als zwanzig Jahren auf dem Gebiet der männlichen Empfängnisverhütung.
An der Studie nahmen 16 gesunde Männer zwischen 32 und 59 Jahren teil – alle zuvor sterilisiert, um jede Gefahr einer dauerhaften Fertilitätsbeeinträchtigung auszuschließen. Getestet wurden Einzeldosen zwischen 10 und 180 Milligramm; nüchtern und später auch in Kombination mit einer fettreichen Mahlzeit.
Nadja Mannowetz, Co-Gründerin und wissenschaftliche Leiterin von YourChoice Therapeutics, dem Entwickler von YCT-529, sagt: "Wir sahen eine gute und schnelle Bioverfügbarkeit."
Im Schnitt dauerte es zwei bis drei Tage, bis sich der Wirkstoffspiegel im Blut halbierte. Das spricht für eine tägliche Einnahme, sobald sich auch die Wirksamkeit in weiteren Studien bestätigt. Bis dahin bleibt YCT-529 ein Versprechen.
Immerhin: "Wir haben keine Nebenwirkungen festgestellt, die dem Medikament direkt zugeordnet werden konnten", sagt Mannowetz. Auch keine Veränderungen bei Sexualhormonen, Libido oder psychischem Befinden – Punkte, an denen hormonelle Ansätze oft scheitern. "Es wäre übertrieben, bereits umfassende Aussagen zu Nebenwirkungen zu treffen", sagt Stephanie Page, "aber der Start ist vielversprechend."
Eine Nachfolgestudie, in der Männer die Pille über 28 beziehungsweise 90 Tage hinweg einnehmen, ist bereits in Vorbereitung. Ziel ist es, die tatsächliche Wirkung auf die Spermienzahl zu überprüfen. Sollte das gelingen, könnte sich die Lücke im Verhütungsschrank bald schließen. Zumindest ein kleines Stück.