Wenn viele Menschen sich in einem Raum bewegen, verschwimmen oft die Zuständigkeiten. Im Halbdunkel eines Clubs, zwischen Bässen und Stimmengewirr, verlagern sich Maßstäbe: Nähe wird enger, Kommunikation schwieriger, Orientierung ein Luxus. Wer sich in solchen Räumen nicht wohlfühlt, findet oft wenig, woran man sich halten kann. Weder räumlich noch sozial.
Das Nachtleben ist ein Versprechen an Freiheit, Ausgelassenheit, Grenzüberschreitung. Aber es ist auch ein Raum, in dem Machtverhältnisse nicht außer Kraft gesetzt sind. Leider haben das noch nicht alle verstanden.
In Wien reagiert die Stadtpolitik nun mit einer konkreten Vorgabe: Ab 2026 müssen Veranstalter:innen in Clubs und bei Konzerten ein Awarenesskonzept vorlegen, sofern mehr als 300 Menschen teilnehmen und die Veranstaltung nach 21 Uhr dauert.
Die Maßnahme ist Teil eines umfassenderen Vorstoßes zur Verbesserung der Sicherheit im Nachtleben und knüpft an die Workshopreihe "Safer Feiern" der Vienna Club Commission (VCC) an, die verlängert und angepasst wird.
Das Konzept muss laut Vizebürgermeisterin und Frauenstadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) unter anderem eine genau festgelegte Rettungskette enthalten. Außerdem sind je nach Größe der Veranstaltung Awareness-Beauftragte verpflichtend vorgesehen. Auch infrastrukturelle Maßnahmen sind Teil der Vorgabe, etwa eine bessere Beleuchtung von Toilettenanlagen in Freibereichen und schwer einsehbaren Zonen wie Gebüschgruppen.
"Mit 'Safer Feiern' unterstützt die Stadt die Club- und Veranstaltungsszene direkt, kostenlos und umfangreich", erklärte Gaál in einer Mitteilung. Die Workshopreihe besteht aus sechs Modulen, die sich mit dem Umgang und der Prävention von Diskriminierung und Gewalt in Clubkontexten beschäftigen.
Übergriffe im Nachtleben sind kein neues Phänomen, sie sind nur lange nicht systematisch erfasst worden. Es fehlt an belastbaren Daten, an Meldestrukturen, an institutionalisiertem Wissen. Vieles, was passiert, wird nicht benannt – aus Scham, aus Ohnmacht, aus fehlenden Anlaufstellen.
Wer wenig Platz hat, wer sich körperlich bedrängt fühlt, wer sprachlich nicht anschlussfähig ist oder aus anderen Gründen marginalisiert wird, erlebt schnell, wie schmal der Grat zwischen Feiern und Kontrollverlust sein kann.
Hinzu kommt: In Clubs, auf Konzerten oder Festivals gibt es selten offizielle Strukturen, an die sich Menschen im Ernstfall wenden können. Oft bleibt das Gefühl, auf sich selbst gestellt zu sein.
Dabei hat sich gerade in den letzten Jahren eine wachsende Sensibilität dafür entwickelt, dass Räume, die sich selbst als offen und tolerant begreifen, auch Verantwortung dafür tragen müssen, dass sich diese Offenheit für alle tatsächlich realisiert. Wien geht jetzt einen weiteren Schritt in die Richtung.