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Krieg, Inflation, Klimakatastrophe: Wie wir am besten mit Krisen umgehen können

Aktuell kommen weltweit mehrere Krisen zusammen. Umso wichtiger ist es, dass wir lernen, Resilienz zu entwickeln.
Aktuell kommen weltweit mehrere Krisen zusammen. Umso wichtiger ist es, dass wir lernen, Resilienz zu entwickeln. Bild: getty images/fizkes
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Klimakatastrophe, Inflation, Krieg in der Ukraine: Wie wir uns in Krisenzeiten weniger hilflos fühlen können

08.08.2022, 15:31
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Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Klimakatastrophe, Corona-Pandemie, Inflation. Beim Blick auf die täglichen Nachrichten ist vielen Menschen zum Verzweifeln zumute. Es wirkt so, als hätten viele nicht mehr die Kapazitäten dazu, sich um alle Krisen gleichzeitig zu kümmern.

Auf diesen Zustand reagiert jeder anders. Manche verfolgen minütlich die News. Nicht wenige blieben in den Anfangstagen des Kriegs in der Ukraine bis in die Nacht wach und betrieben Doomscrolling. Andere wiederum fliegen nach Malle, bestellen sich Steak und kaufen Fast Fashion zum günstigen Preis. Wer weiß, wie lange das noch geht? Hedonismus, politischer Aktivismus, ignorieren oder mitfühlen: Wie schafft man es, eine Balance zu finden?

Antworten auf diese Frage wollen Resilienzforscher geben. Unter Resilienz versteht man die Aufrechterhaltung (oder Wiederherstellung) der psychischen Gesundheit nach schwierigen Lebensereignissen. Die Forschung hat mehrere interne und externe Faktoren ausgemacht, die einem dabei helfen können – von aktiver Stressbewältigung über soziale Unterstützung bis hin zu positiven Emotionen.

Watson hat Isabella Helmreich vom Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz gefragt, welche kleinen Dinge wir im Alltag beachten können, um uns von den Krisen in der Welt nicht (zu sehr) runterziehen zu lassen.

Watson: Frau Helmreich, wieso bezeichnen Sie die Resilienz in Ihrem Buch als "Zauberwort unserer Zeit"?

Isabella Helmreich: Das moderne Leben und der gesellschaftliche Wandel haben einen großen Einfluss auf die Psyche. Dazu kommen noch gesellschaftliche Krisen, die Menschen mit psychischen Symptomen belasten: Ängste, Unsicherheit, Stress, auch getriggert durch die Digitalisierung und die ständige Erreichbarkeit. Viele Menschen wünschen sich eine Ritterrüstung für die Seele, an der jeglicher Stress und jegliche Krise abprallen.

Funktioniert das denn so?

Ganz so leicht ist es natürlich nicht. Es gibt drei verschiedene Verlaufsformen von Resilienz. Eine ist die Resistenz, also dass tatsächlich einige Dinge einfach abprallen. Einige Menschen stört Streit mit dem Partner kaum, andere machen sich dann zehntausend Gedanken. Traumatische Erlebnisse prallen aber nicht so leicht an uns ab.

"Es gibt Forschungsergebnisse, die eine Art 'Stressimpfung' zeigen."
Isabella Helmreich

Was sind die anderen Resilienzformen?

Das zweite ist Regeneration. Man entwickelt körperliche oder psychische Symptome, aber schafft es, diesen Stress und diese belastenden Erlebnisse zu bewältigen. Und das dritte ist die Rekonfiguration, wenn man also Krisen bewältigt und es dann sogar schafft, an einen besseren Ausgangspunkt zu gelangen, zum Beispiel wenn man eine lebensbedrohliche Krankheit bewältigt. Oft weiß man danach besser, was einem im Leben wichtig ist.

Hat uns die Corona-Krise dann auch für weitere Krisen gestärkt?

Es gibt Forschungsergebnisse, die eine Art "Stressimpfung" zeigen. Menschen, die in ihrem Leben schon einige Krisen bewältigt haben und auch mal gescheitert sind, sind für zukünftige Krisen besser ausgerüstet. Sie merken: Das war eine schlimme Phase in meinem Leben, aber ich bin auch wieder herausgekommen. In der Bewältigung von Krisen lernen wir Techniken, mit schwierigen Situationen umzugehen – das war anhand der Corona-Pandemie genau zu beobachten. Es war etwas Neues für unsere Gesellschaft, aber wir haben auch viel daraus gelernt.

Resilienz ist zum Teil angeboren. Wie kann man sie sich antrainieren?

Studien haben gezeigt, dass das Gehirn auch von hochbetagten Menschen noch in der Lage ist, neue Verknüpfungen zu erstellen. Oft kann man die Ausgangslage nicht verändern, aber die Einstellung. Ich kann nicht einfach kündigen, weil ich meine Kollegen schwierig finde, aber vielleicht sehe ich die positiven Aspekte, dass wir uns gut ergänzen. Kognitive Flexibilität hilft dabei, dass man nicht in eingefahrenen Mustern denkt und handelt, sondern auch neue Sichtweisen und Wege beschreitet.

Wenn man zum Beispiel einen Parkplatz sucht, hilft es, wenn man auf verschiedene Arten einparken kann, vorwärts und rückwärts. Kognitive Flexibilität kann man trainieren, indem man nicht immer denselben Weg zur Arbeit läuft, sich mit neuen Leuten unterhält und dadurch auch mal die Perspektive wechselt.

Übermäßige Handy-Nutzung kann noch mehr Stress verursachen.
Übermäßige Handy-Nutzung kann noch mehr Stress verursachen.bild: getty images/Halfpoint

Man kann sich also auf Stresssituationen vorbereiten?

Ja, aber es ist wichtig, Resilienzfaktoren wie kognitive Flexibilität und aktives Coping (das Anwenden von Bewältigungsstrategien; Anm.d.Red.) in einer Nicht-Stresssituation anzuwenden. Wenn man erstmal gestresst ist, hat man nicht unbedingt die Kapazitäten, die Technik durchzuführen.

"Wir vergessen oft, dass auch die Psyche Ruhe und Pausen braucht, nicht nur der Körper."
Isabella Helmreich

Was sind kleine Dinge, die man vielleicht selbst im Alltag tun kann?

Selbstfürsorge ist wichtig. Schlafe ich genug, esse ich regelmäßig, wie geht es mir? Bewegung in den Alltag zu integrieren, ist ebenso wichtig. Und: Sorge ich auch für meine Psyche gut? Wir vergessen oft, dass auch die Psyche Ruhe und Pausen braucht, nicht nur der Körper. Und auch den sozialen Bereich sollte man gut pflegen, soziale Unterstützung ist ein wichtiger Resilienzfaktor.

Wie sieht es mit der Handynutzung aus? Soziale Netzwerke werden von manchen als Belastung empfunden.

Durch unsere Smartphones ist es möglich, dass wir viel in der Vergangenheit herumsurfen und schauen, was wir alles verpasst haben. Dann schauen wir in die Zukunft und planen, was für Aktivitäten wir unternehmen wollen. Aber wir sind selten wirklich im Hier und Jetzt. Das ist für die Psyche oft sehr überfordernd. Mindestens einmal pro Stunde sollten wir uns kurz Zeit nehmen, um durchzuatmen, Spannungen loszulassen und ins Grüne zu schauen.

Ein Spaziergang in der Natur kann helfen, Stress abzubauen.
Ein Spaziergang in der Natur kann helfen, Stress abzubauen.bild: IMAGO / Michael Gstettenbauer

Warum gerade ins Grüne?

Studien haben gezeigt, dass es förderlich ist, wenn man regelmäßig im Grünen ist, ein kleiner Spaziergang an der frischen Luft in der Mittagspause hilft bereits. Es gibt auch viele Atemübungen, die man anwenden kann. Oder man praktiziert Entspannungstechniken wie Yoga. Wenn ich acht Stunden ohne Pause arbeite, dann bleibt keine Energie mehr – viele Menschen merken das gar nicht, sie stecken im Hamsterrad, bis zur völligen Erschöpfung.

Viele Nachrichten sind belastend. Wie schafft man es, dass das einen nicht so herunterzieht?

Man sollte nicht ständig online sein. Studien haben gezeigt, dass es für die Psyche förderlich ist, sich hinsichtlich belastender Nachrichten nur zweimal pro Tag auf den neuesten Stand zu bringen. Zudem sollte man ein Gegengewicht schaffen und aktiv positive Nachrichten konsumieren. Genauso wichtig ist es, sich negative Gefühle im Umgang mit Krisen zuzugestehen. Angst und Ärger dürfen vorhanden sein. Es hilft, sich mit anderen Leuten darüber auszutauschen.

"Je aktiver man ist, desto besser kann man der Angst entgegenwirken."
Isabella Helmreich

Es ist also vor allem eine Einstellungssache?

Auch wenn man den Krieg nicht beenden kann, kann man mit aktivem Coping einen Beitrag leisten und sich weniger hilflos fühlen. Viele Menschen haben Geld oder Dinge gespendet oder Geflüchtete bei sich aufgenommen, Kinder unterrichtet. Auch wenn es nur kleine Dinge sind, sollte man aktiv werden. Genau wie beim Klimaschutz. Je aktiver man ist, desto besser kann man der Angst entgegenwirken.

Man sollte also aktiv handeln, aber gleichzeitig nicht alles verfolgen, was es zu diesem Thema Neues gibt?

Im Leben kommt es darauf an, ein Gleichgewicht zu halten. Es gibt Zeiten, da muss man sich mit schlimmen Geschehnissen auseinandersetzen. Aber dann ist es wichtig, wieder ganz aktiv schöne Dinge zu tun und dort etwas zu bewegen und sich auch um sich selbst zu sorgen.

Wer auf der Suche nach einem Resilienzcoaching ist, kann sich auf der Webseite der Zentrale Prüfstelle Prävention informieren. Auch im Institut von Isabella Helmreich werden in der Resilienz-Ambulanz Coachings angeboten.

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