
Am Wochenende gab es in Berlin eine Parade, um auf die Rechte von Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen. Bild: imago / funke foto services
Interview
Beim Pride Month geht es hauptsächlich um die Rechte queerer Menschen, und auch wenn man an eine Pride-Parade denkt, hat man zunächst Regenbogenflaggen vor dem inneren Auge. Aber es gibt auch Pride-Paraden für Menschen mit Behinderung.
07.07.2025, 19:1007.07.2025, 19:10
Minderheiten müssen auf die Straße gehen, um auf ihre Existenz und ihre Rechte aufmerksam zu machen. Immer und immer wieder. Zu leicht übersieht man sie sonst in unserem System, das den reichen, gesunden, weißen, heteronormativen Menschen dient.
Wie es ist, übersehen zu werden, wissen wohl viele Menschen mit Behinderung. Um genau das zu ändern und für mehr Inklusion zu sorgen, gibt es die Pride-Parade "behindert und verrückt feiern". Im Zuge der Parade sind am vergangenen Samstag hunderte Menschen in Berlin auf die Straße gegangen, um für mehr Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen und einen Abbau von Barrieren zu protestieren.
Watson hat vorab mit zwei Personen aus dem Organisations-Team der Parade gesprochen. Über Reclaiming, politische Rückschritte, Ableismus in queeren Räumen – und darüber, warum es bei ihrer Parade nicht um Charity, sondern um Widerstand geht.
Watson: Warum gibt es "behindert und verrückt feiern"?
Antonia: Die Parade ist aus einem Zusammenschluss des Arbeitskreises Arbeitskreis mit_ohne Behinderung (AK moB) und des Arbeitskreises Psychiatriekritik entstanden. Damals war ich noch nicht dabei. Die damaligen Aktiven wollten die Tradition der Mad & Disability Pride und der "Krüppelbewegung" aufgreifen und die Kämpfe von Menschen mit Behinderung und Menschen mit Psychiatrieerfahrung zusammenführen.
Seit wann gibt es das hier?
Antonia: In Berlin haben unseres Wissens nach erstmals 2013 behinderte und verrückte Menschen gemeinsam die Ideen der Krüppelbewegung und das Pride Konzept mit emanzipatorischen linken Ideen kombiniert. Seither findet jedes Jahr eine Parade statt, um zu zeigen: Uns gibt es, wir sind viele, wir haben etwas zu sagen, die Gesellschaft behindert uns nach wie vor!
Was bedeutet "verrückt" in diesem Kontext?
Antonia: Wir nutzen für unsere Parade gezielt Begriffe, die im gesellschaftlichen Kontext eher negativ konnotiert sind, aber lange als abwertende Begriffe genutzt wurden und auch immer noch genutzt werden. Wir wollen uns diese Begriffe zurückerobern, das nennt man auch "Reclaiming". Für mich persönlich bedeutet "ver_rückt" sein, neben sich stehen, wenn die eigene Realität nicht zur Realität anderer Menschen passt.
Also geht es dabei um psychisch kranke Menschen?
Antonia: Es ist ein Gegenentwurf zu "psychisch krank", eine Bezeichnung, die oft von außen kommt und mit Pathologisierung zusammenhängt. Für viele Menschen fühlt es sich sehr falsch an, als "psychisch krank" bezeichnet und von außen in diagnostische Schubladen gepackt zu werden, aber es gibt natürlich auch Menschen, für die der Krankheitsbegriff und Diagnosen sehr wichtig sind, das will ich persönlich niemandem absprechen.
Wie unterscheidet sich eure Parade von anderen Pride- oder Protestveranstaltungen?
Antonia: Unsere Parade ist eine Parade für verrückte und behinderte Menschen. Deswegen machen wir uns sehr viele Gedanken über Barrieren, über sichtbare und nicht-sichtbare. Es wird nie möglich sein, alle Barrieren für alle Menschen komplett zu beseitigen, deswegen vermeiden wir auch den Begriff "barrierefrei", aber wir geben unser Bestes. Ansonsten sehen wir uns als Verbündete vieler anderer Pride- und Protestbewegungen, wie beispielsweise der queeren Prides und hoffen, dass auch dort verrückte und behinderte Menschen immer stärker mitgedacht werden.
Welche besonderen Schwierigkeiten habt ihr bei der Organisation?
Antonia: Herausfordernd ist für uns als Orga-Team auf jeden Fall, dass wir alle sehr unterschiedlich sind, unterschiedliche Positionen, Vorerfahrungen und Behinderungs- sowie Krisenerfahrungen mitbringen. Dadurch müssen wir uns für manche Prozesse mehr Zeit nehmen als andere Bündnisse und uns auch an manchen Stellen eingestehen, dass wir uns manchen Themen (noch) nicht widmen können. Ansonsten werden wir von vielen Menschen unterstützt. Was wir aber nicht wollen, ist, Geld von Parteien- oder Wohlfahrtsorganisationen zu nehmen, damit wir unabhängig bleiben. Somit sind wir auf Spenden angewiesen.
Aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen: Spürt ihr eine gesellschaftliche oder politische Rückentwicklung in Bezug auf Inklusion, Diversität, queere Rechte?
Antonia: Ja, das ist im politischen Diskurs leider stark spürbar, beispielsweise durch die Debatte eines "Registers für psychisch Kranke", oder auch den Sparforderungen Friedrich Merz‘ zur Eingliederungshilfe. Insgesamt stehen viele linke Bündnisse und Projekte unter Druck, deswegen ist es sehr wichtig, zusammenzuhalten und Kämpfe zu verbinden und sich nicht auseinanderdividieren zu lassen.
"Wir wollen kein Mitleid, wir wollen nicht, dass über uns anstatt mit uns gesprochen wird."
Wie gut fühlt ihr euch in der queeren Szene vertreten?
Antonia: Wir sind keine explizit queere Pride, sondern stehen in der Tradition der Mad & Disability Pride. Aber die queere Community ist bei uns sowohl in der Organisation als auch auf der Parade stark vertreten.
Erlebt ihr Ableismus innerhalb der queeren Community?
Marlen: Ja, es gibt Ableismus in der queeren Community, nicht alle queeren Bars, Clubs, etc. sind im Rollstuhl zugänglich, beispielsweise durch Stufen, fehlende Rampe, keine Behindertentoilette. In einem Club musste ich mich immer extra vorher beim Personal melden, wenn ich auf Toilette musste, dann sind wir durch den ganzen Club getingelt, um irgendwelche Zwischentüren zu öffnen, damit ich dann auf die einzige mit Rollstuhl zugängliche Toilette konnte. Da gibt es noch viel zu tun in Bezug auf Abbau von Barrieren.
Was sollte man als Außenstehende:r lernen oder verstehen, wenn man eure Parade besucht?
Antonia: Puh, ich glaube, das ist sehr individuell. Mir persönlich ist der kämpferische Aspekt unserer Parade wichtig, gerade auch in Abgrenzung zu manchen Veranstaltungen rund um Behinderung und Krisenerfahrung, bei denen auch der "Charity Gedanke" immer noch stark im Vordergrund steht. Wir wollen kein Mitleid, wir wollen nicht, dass über uns anstatt mit uns gesprochen wird. Wir kämpfen für unsere Rechte und wir freuen uns über Unterstützer:innen, die uns zuhören und mit uns zusammen für eine inklusive Gesellschaft kämpfen, in der alle gut leben können.
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