
Die Tandempartner Marcel Teichmann (l.) und Andreas Stolt nehmen gemeinsam an der inklusiven Trainerausbildung "Doppelpass" teil.Bild: dpa / Sebastian Gollnow
Analyse
Wer sich um mehr Inklusion in unserer Gesellschaft bemüht, dürfte oft das Gefühl haben, auf der Stelle zu treten. Besonders bedrückend muss sich das anfühlen, wenn man selbst eine Behinderung hat, Veränderung für sich einfordern muss und dabei bürokratische Hürden zu überwinden hat.
Drei Spieler der Fußball Landesauswahl ID Brandenburg (Menschen mit geistiger Behinderung) haben genau so eine Erfahrung hinter sich: Sie durften in ihren Vereinen nicht als Trainer fungieren, weil sie nur im Besitz von "nutzlosen Übungsleiterzertifikaten" waren.
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Von ihren Vereinen wurden sie belächelt und mit der Aussage weggeschickt, erst dann wiederzukommen, wenn sie eine Trainerlizenz haben. Daraufhin wendeten sie sich mit der Bitte um einen Rat an Lars Mrosko, Inklusionsbeauftragter Fußball beim Landesverband Brandenburg: Wie können sie einen Trainerschein absolvieren?
Dies gab den Anstoß, die Lerninhalte einer vorhandenen Lizenzstufe durch beispielsweise Leichte Sprache so anzupassen, dass auch Menschen mit geistiger Behinderung diesen Abschluss erlangen können. Bei Leichter Sprache handelt es sich um eine speziell geregelte Sprache, bei der auf Verständlichkeit und einfache Ausdrucksweise Wert gelegt wird. Anschließend wurden Möglichkeiten zur Umsetzung dieses Vorhabens besprochen.
Das Ergebnis: In gemeinsamer Netzwerkarbeit bieten die Fußball-Landesverbände Brandenburg und Berlin deswegen nun den sogenannten "Doppelpass" an. Als Tandempartner erhalten jeweils eine Person mit und eine Person ohne Behinderung die Möglichkeit, den Lehrgang zum DFB Basis Coach zu absolvieren.
"Doppelpass"-Schirmherr Magath: "Fußball ist vielschichtig"
Nun stellten die Verantwortlichen die Idee im Detail vor. Die Position der Schirmherr:innen übernehmen Kathrin Lehmann und Felix Magath. Lehmann, die als ehemalige Fußballspielerin unter anderem 2009 den UEFA-Cup mit dem FCR 2001 Duisburg gewann, liegt das Projekt besonders am Herzen.
Für sie ist die Initiative dann ein Erfolg, wenn Menschen einen Beruf ausüben können, den sie vorher nicht machen durften und vermittelt bekommen: Man glaubt an sie und hilft dabei, Dinge möglich zu machen.
Magath, der als Trainer dreifacher deutscher Meister wurde, betonte weiterhin, dass Fußball ein Sport für alle und für viele Menschen ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens sei:
"Fußball wird auf große Ereignisse reduziert – aber Fußball ist deutlich vielschichtiger und hat eine große Bedeutung für die Gesellschaft. Wir haben im Fußball nie Probleme gehabt, beispielsweise Spieler aus anderen Ländern zu integrieren. Und ich bin überzeugt, dass eine Andersartigkeit auch eine Entwicklung für den Fußball und die Mannschaften hat. Wir haben ja nicht nur den Spitzenfußball. Jeder kann Fußballspielen und deswegen freue ich mich, dass diese Initiative gestartet wird, damit auch alle Trainer werden können."
DFB Basis Coach im Tandem: So funktioniert die Ausbildung
Für dieses Jahr sind bereits vier Lehrgänge geplant, der Pilotlehrgang zur Feinabstimmung findet in den ersten drei Wochenenden im März statt. Zu den ersten Teilnehmenden gehören die beiden Tandempartner Andreas Stolt und Marcel Teichmann. Die beiden kennen sich durch den Fußball schon länger und gehen nun gemeinsam die Ausbildung zum DFB Basis Coach an.
In der Tandemversion der Ausbildung werden die gleichen Inhalte wie in der normalen Ausbildung vermittelt, allerdings werden sie leichter verständlich gemacht, beispielsweise durch die Leichte Sprache. Lehmann sagt dazu: "Wir haben in der Ausbildung eine Fußballsprache für alle: Da werden Pässe dann von links nach rechts gespielt, und nicht horizontal oder vertikal."

Felix Magath (ganz links) und Kathrin Lehmann (mittig), übernehmen die Position der Schirmherren.Bild: dpa / Sebastian Gollnow
Vor allem die Einführung in die Themenbereiche wurde zeitlich ausgedehnt, um zusätzlichen Rückfragen und Erklärungsbedarf gerecht zu werden. Der Fokus in der Ausbildung liegt auf Kinder- und Jugendfußball, mit spezialisierten Inhalten, da die meisten Teilnehmenden im Jugendbereich als Unterstützung beginnen.
Am Ende des Grundlehrgangs ist man zertifizierter Trainer und die Tandems können dann über ihre eigenen, nächsten Schritte entscheiden. Stefan Jähne vom Behinderten- und Rehabilitationssportverband Brandenburg sagt dazu, dass nach der Ausbildung Sorge dafür getragen werde, dass die Teilnehmer in die Vereine kommen und als Trainer arbeiten: "Das ist eine Win-Win-Situation für Absolventen und Vereine, in denen häufig Trainermangel herrscht."
Lehmann: "Wollen Geschlechterquote von 50/50"
Stolt, der in diesem Tandem die Person mit einer geistigen Behinderung ist, sieht die Initiative als "riesengroße Chance für Menschen wie mich, die ein Handicap haben". Die Gelegenheit sei einmalig und Stolt deswegen sehr dankbar.
Sein Partner sagt zu dem Modell: "Ich lerne genau so viel wie mein Partner – nicht nur inhaltlich, sondern auch von ihm. Ich lerne beispielsweise, Dinge in Einfache Sprache herunterzubrechen."
Noch sind hauptsächlich Männer interessiert an der Tandemausbildung "Doppelpass". Das soll sich laut Schirmherrin Lehmann jedoch bald ändern:
"Ich möchte Frauen mit geistiger Behinderung dazu ermutigen, diesen Weg zu gehen und ihnen versichern, dass sie das auch können. Das ist für mich die größte Message. Spätestens im dritten Kurs wollen wir eine Geschlechterquote von 50/50 haben."
Malte Schruth vom Berliner Fußall-Verband hat die Hoffnung, dass die Initiative zu einem Leuchtturm für die Inklusion wird und auch andere Verbände dazu inspiriert, mehr Inklusion zu leben.
Auf die Frage, welche Mannschaft Andreas Stolt gerne irgendwann einmal trainieren möchte, sagt der "Doppelpass"-Anwärter: "Ich werde klein anfangen und mich dann peu à peu hocharbeiten."
Bei keiner anderen Veranstaltung warten die Zuschauer:innen so sehnsüchtig auf die Werbepause wie beim Super Bowl. Neben der Halbzeitshow wurden nämlich auch die Werbe-Spots zum Happening.