"Mein Partner kümmert sich um unsere Finanzen": Für viele Frauen scheint Geld immer noch ein Männer-Thema zu sein. Nach wie vor sind es hierzulande Männer, die mehr verdienen, seltener in Teilzeit arbeiten – und häufiger in den Vermögensaufbau investieren.
Dabei sind es vor allem Frauen, die von Altersarmut bedroht sind. Weil sie im Durchschnitt weniger verdienen und seltener in Vollzeit arbeiten, zahlen sie weniger in die Rentenkasse ein. Eine magere Pension ist die Folge.
Eine Möglichkeit für Frauen, sich gegen die Altersarmut zu wappnen, ist, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen – und ihr eigenes Vermögen aufzubauen. Wie das geht, zeigt Natascha Wegelin mit ihrem Projekt Madame Moneypenny: Seit 2015 begleitet die 35-jährige Unternehmerin Frauen auf dem Weg in die finanzielle Unabhängigkeit.
Watson hat nachgefragt, wie Wegelin ihr Interesse an Finanzthemen entdeckt hat und warum Frauen so selten investieren. Ein paar gute Geld-Ratschläge gab es kostenlos dazu.
watson: Mit Madame Moneypenny sprichst du vor allem Frauen an. Wie bist du darauf gekommen?
Natascha Wegelin: Ich habe mir selbst die Frage gestellt, was ich mit meinen Finanzen so machen soll. Ich hatte damals, mit 26, mein erstes eigenes Unternehmen gegründet, war auf einmal Geschäftsführerin und hatte plötzlich die Wahl, ob ich weiterhin in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen will. Das muss man ja nicht, wenn man nicht angestellt ist.
Und wie hast du dich entschieden?
Damals habe ich mich gegen die gesetzliche Rente entschieden, dachte dann aber: So ganz ohne Rente ist ja auch blöd. Ich bin dann einer Rentenberaterin auf den Leim gegangen, die mich sehr viel Geld gekostet hat. Nach diesem Aha-Erlebnis dachte ich: Das geht so nicht, es kann nicht sein, dass ich von diesem essenziellen Thema so wenig verstehe. Berater kommen mir allerdings nicht mehr ins Haus – ich habe also selbst angefangen, mich in das Finanz-Thema reinzufuchsen.
Nun schrecken Frauen ja häufig vor dem Thema Geld zurück. Wie war das in deiner Familie, wer hat sich da um die Finanzen gekümmert?
Zu ganz großen Teilen mein Vater. Der hat das Geld verwaltet, die Steuererklärung gemacht, sich ums Haus gekümmert...
... also eine recht traditionelle Rollenverteilung.
Genau. Mein Papa hat eine Ausbildung gemacht und war in Vollzeit angestellt. Meine Mutter hat ebenfalls eine Ausbildung gemacht, hat dann nicht gearbeitet, als meine Schwester und ich gekommen sind, und ist dann in Teilzeit gegangen.
Obwohl bei dir zu Hause ganz klassisch dein Vater der Hauptverdiener war und sich um die Finanzen gekümmert hat: Gibt es trotzdem etwas, was du von deiner Mutter über Geld gelernt hast?
Wenn, dann eher von meiner Oma. Und auch von ihr gab es keine konkreten Finanz-Tipps, es war eher ihre Geschichte, die mich inspiriert hat.
Inwiefern?
Meine Oma hat sich von meinem Opa scheiden lassen, das war ein ziemlich großes Ding damals. Als Kind hat das einen starken Eindruck bei mir hinterlassen, weil es mir gezeigt hat, wie wichtig es ist, eigenständig zu sein. Von meiner Mutter habe ich gelernt, dass es immer wichtig ist Geld zu verdienen, auch in Teilzeit.
Nun machen sich viele Frauen nach wie vor finanziell von ihren Partnern abhängig, anstatt selbst Vermögen aufzubauen. Das liegt auch daran, dass viele Finanzmodelle vor allem auf Männer ausgelegt sind. Wie sieht es mit Angeboten speziell für Frauen aus?
Höchstwahrscheinlich gibt es immer noch nicht genügend Finanzprodukte für Frauen, sonst würden sich nicht nach wie vor so wenige mit dem Thema beschäftigen. Dabei braucht es für Frauen ja im Prinzip keine speziellen Finanzprodukte – eine Aktie ist eine Aktie, ein Bausparvertrag ist ein Bausparvertrag und so weiter. Ich glaube aber, der Bedarf, sich mit Geld auseinanderzusetzen, entsteht viel, viel früher – bevor man sich das Produkt überhaupt anschaut.
Wann denn?
Das Finanzprodukt selbst steht ja erst ganz hinten in der Kette – man muss zunächst auf das Thema an sich aufmerksam machen. Frauen müssen sich um ihre Finanzen kümmern, um sich aus der bequemen Abhängigkeit zu lösen. Viele wissen auch gar nicht, dass sie in so einer Abhängigkeit drin sind oder denken: "Das ist halt so, das macht man halt so, wir sind jetzt eben verheiratet." Ich glaube, dass da einfach noch sehr viel zu tun ist, überhaupt erst über Geld zu sprechen.
Eine Bekannte von mir sagte jüngst: "Man muss Frauen ja nicht alles in Taschen und Schuhen vorrechnen, aber man muss sie anders ansprechen, wenn es um Geld geht." Wie schätzt du das ein?
Ich glaube nicht, dass man da irgendwelche Klischees bedienen muss. Bei mir geht es ja auch nicht um Handtaschen und Schminke, sondern um Selbstbewusstsein und Selbstwert. Viele Frauen haben Einstellungen wie: "Finanzen sind Männersache", "Ich kann das eh nicht", "Ich war ja nie gut in Mathe, ich kann deswegen nicht mit Geld umgehen" oder "Ich habe es gar nicht verdient, Vermögen zu haben".
Und warum haben viele Frauen diese Glaubenssätze?
Das hängt mit der Sozialisierung zusammen. Das fängt schon an mit Stereotypen wie: Frauen sind das schöne Geschlecht, Männer das starke. Wenn man so denkt, ist es klar, wie das endet.
Welche Ausreden hörst du am häufigsten von Frauen, um nicht zu investieren und so Vermögen aufzubauen?
Da gibt es die ganze Bandbreite. Von: "Ich brauche ja erst einmal 10.000 Euro, um überhaupt anzufangen" über "Ich bin zu jung" bis hin zu "Ich bin zu alt". Eine Ausrede, die ich auch nicht gelten lasse, ist: "Ich habe keine Zeit". Natürlich wird das für eine alleinerziehende Mutter tatsächlich schwer sein, Zeit zu finden – bei den meisten anderen ist das allerdings eine Frage der Prioritätensetzung. Die häufigsten Ausreden gehen auf ein fehlendes Selbstbewusstsein zurück, das kann natürlich auch ganz schön bequem sein.
Du meinst also, dass einige Frauen es sich in ihrer passiven Rolle gemütlich machen.
Gewissermaßen. Es gibt den schönen Begriff des Cinderella-Komplexes: Die Frau wartet darauf, dass der Mann vorbeikommt, sie rettet und alles ist ganz schön und romantisch. Und für manche Frauen mag das auch der ideale Lebensentwurf sein. Immer mehr von ihnen nehmen ihre Finanzen nun allerdings selbst in die Hand – das ist etwas, was vorherige Generationen noch nicht so gemacht haben.
Es klingt so, als könnte wirklich jede Frau Vermögen aufbauen, wenn sie nur wollte. Gibt es denn auch Frauen, die lieber die Finger von Investitionen lassen sollten?
Absolut. Wer zum Beispiel keine Ahnung hat von Aktien, sollte natürlich nicht investieren. Dann gibt es aber auch Menschen, für die ist das Risiko zu hoch und die schlafen nachts nicht mehr, wenn sie wissen, ihr Erspartes steckt in Aktien. In solchen Fällen hilft es allerdings, sich mehr Finanzkenntnisse anzueignen, denn Angst kommt von mangelndem Wissen. Auch wer Schulden hat, sollte die erst mal abbauen, bevor er sich ans Investieren macht. Wer sein Erspartes in Aktien steckt und hofft, sein Vermögen innerhalb von drei Jahren zu verdoppeln und so seinen Kredit abzubezahlen, sollte wissen: So funktioniert das nicht. Erst sollten Schulden abbezahlt und ein Notgroschen angespart werden, dann kann man mit kleinen Beträgen anfangen, zu investieren.
Komme ich ums Investieren in Aktien herum, wenn ich als Frau finanziell unabhängig sein will? Kann ich nicht einfach sparen und in die private Rente einzahlen?
Also, wenn ich jetzt eine Million pro Jahr verdiene und nicht alles in Handtaschen und Schminke verballere – um mal das Klischee zu bedienen – dann spielt Investieren keine so große Rolle. Aber als Durchschnittsverdienerin wird rein rechnerisch schnell klar: Wenn ich nicht investiere, dann komme ich nach hinten raus nicht hin. Jeden Monat 200 Euro unters Kopfkissen legen reicht dann nicht.
Und wenn ich die 200 Euro stattdessen in eine private Rentenversicherung einzahle?
Bei einer Rentenversicherung wird das Geld ebenfalls angelegt, allerdings sehr konservativ, um das Risiko so gering wie möglich zu halten. Versicherungen sind nicht dafür gemacht, um wirklich Vermögen aufzubauen, sondern bieten eine Grundsicherung im Alter und sind als Unterbau für die meisten Menschen sicherlich nützlich. Sie sind aber eher dafür gedacht, dass man sich später Miete und Grundnahrungsmittel leisten kann, nicht, um den Lebensstandard zu erhalten. Das kann man nur erreichen, wenn man über einen längeren Zeitraum investiert.
Aber können individuelle Investitionen das Problem von Altersarmut lösen, von der vor allem Frauen betroffen sind? Das ist ja strukturell bedingt.
Ja, wir leben in einem Land mit einem kaputten Rentensystem. Daran kann ich als individuelle Person erst einmal nichts ändern, da brauchen die Politiker schlaue Ideen. Da stellt sich dennoch die Frage: Wo bleibe ich in diesem System? Um mich und möglicherweise auch meine Familie zu versorgen, muss ich die Mittel nutzen, die mir zur Verfügung stehen.
Und da gibt es keine Alternative?
Die Alternative wäre, auf die Ergebnisse der politischen Arbeit zu warten und zu sagen: "Na, dann hoffen wir mal, dass da noch was kommt." Darauf möchte ich mich aber ungern verlassen und deswegen würde ich das auch nicht empfehlen.
Eine Freundin von mir ist, trotz der düsteren Aussichten, zwiegespalten: Sie will nicht investieren, um reiche Unternehmen nicht noch weiter zu füttern. Was rätst du skeptischen Menschen wie ihr?
Ich würde mir einmal generell Gedanken über meinen Konsum machen. Viele Menschen schrecken nämlich davor zurück, beispielsweise eine Aktie von Amazon zu kaufen – bestellen aber jede Woche neue Päckchen. Auch wird es Tim Cook nicht so sehr interessieren, ob du eine Aktie von Apple hast, sehr wohl aber, ob du das neue Macbook besitzt. Wenn ich eine Aktie kaufe, landet das Geld ja nicht direkt beim Unternehmen, sondern lässt dessen virtuellen Wert steigen. Ich finde, wenn es um sozial und ökologisch nachhaltige Kriterien geht, dürfen wir ruhig erstmal vorne anfangen und uns nicht das Leben direkt super schwer machen.
Wie meinst du das?
Ich sehe das immer wieder, wenn jemand beispielsweise nachhaltig investieren will: Wenn jemand überlegt, wie er nachhaltig Geld anlegen kann, frage ich als Erstes immer: "Bei welcher Bank bist du denn?" – "Bei der Sparkasse." – "Und wie nachhaltig ist die?" Viele beginnen erst beim kompliziertesten Thema, bei der Geldanlage, über Nachhaltigkeit nachzudenken. Dabei ist es einerseits nicht möglich, alles perfekt zu machen, und andererseits verkompliziert man sich so nur das Leben. Nachhaltigkeit sollte natürlich bei der Geldanlage nicht aufhören, dennoch macht man den größten Unterschied eher im täglichen Konsumverhalten.
Also sollte ich erst Veganerin werden und meine Kleidung secondhand kaufen – und dann ist es auch in Ordnung, wenn ich in den MSCI World (einen weltweit breit gestreuten ETF) investiere?
Das wäre zumindest eine Variante, die mehr Impact hat und die es mir erlauben würde, beides zu machen: nachhaltig zu leben und Vermögen aufzubauen. Ich kann übrigens auch in einen nachhaltigen MSCI World investieren, mittlerweile gibt es einige grüne Finanzprodukte. Oder ich investiere ganz klassisch und baue mir nebenbei eine grüne Spielwiese, wo ich mich mit geringeren Beträgen ausprobiere. Wir müssen weg von diesem Schwarz-Weiß-Denken, das funktioniert einfach nicht.
Und wenn ich mich nun nach reichlichem Überlegen entschlossen habe, zu investieren – wie fange ich am besten an?
Der Anfang ist immer bei sich selbst. In unserem Mentoring-Programm beispielsweise beginnen wir mit einer Status-quo-Analyse, um einen Überblick zu bekommen: Wo stehe ich gerade finanziell, habe ich vielleicht noch Schulden, was besitze ich für Vermögenswerte? Das fällt meist viel positiver aus, als die meisten Frauen denken. Dann definiere ich meine Ziele, das heißt, ich rechne eine konkrete Summe aus, die ich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichen will und überlege, wie viel ich pro Monat investieren muss, um dahin zu kommen.
Spielt meine persönliche Risikobereitschaft da eine Rolle?
Ja, eine sehr große. Es ist natürlich auch ein großer Unterschied, ob man gerade Anfang 20 ist, unabhängig und deswegen Vollgas geben kann – oder 45, selbstständig und alleinerziehend mit zwei Kindern. Dann sollte ich mir genau überlegen, wie viel ich gerade in was investieren kann. Erst dann, als letzten Schritt quasi, schaue ich mir konkrete Finanzprodukte an.
Welche Summe empfiehlst du, um mit dem Investieren anzufangen?
Die meisten Broker fangen schon mit ETF-Sparplänen ab 25 Euro pro Monat an. Mit solchen Beträgen wird man natürlich auf lange Sicht nicht reich – trotzdem ist es besser, erst einmal mit kleinen Summen anzufangen als gar nicht.
Und wenn ich auch die 25 Euro pro Monat nicht übrig habe?
Das ist dann schwierig. Aber wenn ich nicht genügend verdiene, kann ich natürlich nicht sparen und dementsprechend auch nicht investieren. Dann sollte ich lieber nicht versuchen, die 25 Euro auf Teufel komm raus zusammenzukratzen, sondern lieber mein Einkommen zu erhöhen.
Rückblickend auf deine eigene Finanzgeschichte: Was würdest du heutzutage anders machen?
Ich würde viel früher anfangen, mich mit dem Thema Geld zu beschäftigen. Ich würde keinem Berater blind vertrauen, sondern versuchen, mir vorher Wissen anzueignen, um die richtigen Fragen zu stellen. Und ich würde früher mit dem Investieren anfangen, am besten gleich mit 18. Oder um es ganz kurz zu sagen: mehr Eigeninitiative an den Tag legen.