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Grenzen beim Sex: Autorin erklärt, wie sexy Konsens-Talk im Bett sein kann

Nadine Primo Konsens ist sexy
Die eigenen Grenzen zu kennen, ist ein lebenslanger Prozess, glaubt Primo.Bild: pr / Yves Sucksdorff
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"Fändest du es geil, wenn ich dir auf den Hintern haue?": Wie Konsens-Talk sexy wird

17.03.2023, 12:50
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Manchmal entschuldigt man sich dafür, dass man dem aufdringlichen Typen nicht die Handynummer geben will. Oder lässt sogar eine Umarmung zu, auch wenn man innerlich erstarrt. Warum? Ist es nicht seltsam, dass wir lieber unsere eigenen Grenzen verletzen, als die Gefühle Anderer?

Doch, findet Nadine Primo. Die Berlinerin hat selbst lange gebraucht, um ihre eigenen Bedürfnisse klar zu vertreten. Dann schrieb sie ein Buch darüber ("Konsens ist sexy – Von persönlichen Grenzen und weiblicher Lust", mvg Verlag, 17 Euro). Im Gespräch mit watson erzählt sie von grabbeligen Fahrlehrern und sexy Konsens-Talk im Bett.

Watson: Warum ein ganzes Buch über Grenzen und Konsens?

Nadine Primo: Zum einen war das für mich persönlich ein großes Thema. Ich habe lange gedacht, dass ich mir meiner Grenzen bewusst sei, sowohl auf emotionaler, körperlicher als auch sexueller Ebene. Ich musste allerdings über die Jahre feststellen, dass das gar nicht der Fall war. Und als ich das nach außen kommuniziert habe, wurde mir anhand des Feedbacks klar, dass unheimlich viele andere Menschen – vor allem Frauen – dieselbe Erkenntnis hatten. Viele nehmen Dinge hin, mit denen sie sich eigentlich unwohl fühlen.

Warum sind vor allem Frauen betroffen?

Sozialisation. Ich selbst bin in einem klassischen Haushalt großgeworden. Der Vater ging arbeiten, die Mutter war bei uns Kindern. Schon als Mädchen habe ich mitbekommen, dass bei wichtigen Entscheidungen immer Papa das letzte Wort hatte, denn er brachte das Geld nach Hause. Die Mutter hat dafür alles schön hergerichtet, sich um die sozialen Kontakte gekümmert, die Harmonie gewahrt. Von diesen traditionellen Rollenbildern, in dem frau vor allem lieb mitmacht, muss man sich erst lösen.

"Wie sollen Frauen später für sich einstehen, wenn sie so früh vermittelt kriegen, dass sie sich nicht aufregen sollen?"

Wurde diese Erwartung auch an dich herangetragen?

Klar, mit 16 Jahren habe ich meinen Führerschein für begleitetes Fahren in unserer Kleinstadt gemacht und der Fahrlehrer tätschelte immer mein Knie, wenn ich etwas gut gemacht hatte. Dann ging die Hand höher und er sagte: "Na, das machst du ja ganz toll!" Er war in einer Machtposition und ich total gestresst, weil ich das scheiße fand und meine Prüfung bestehen wollte. Aber als ich das zu Hause am Kaffeetisch erzählte, wurde nur gewitzelt: "Das kennt man ja von dem. Der war schon immer so." Übersetzt: Dass dieser Drecksack deine Grenzen überschritten, deinen Körper angefasst hat, ist okay, er ist unverbesserlich, lach drüber. Wie sollen Frauen später für sich einstehen, wenn sie so früh vermittelt kriegen, dass sie sich nicht aufregen sollen, wenn jemand ihren Körper ungewollt anpackt?

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Du sagst, dass auch Männer lernen müssen, ihre Grenzen zu wahren.

Ja, auch Männer leiden unter dem Patriarchat. Frauen um einiges mehr, weil wir strukturell unterlegen sind, aber Männer unterliegen anderen toxischen Rollenerwartungen. Zum Beispiel wird ein zähes Arbeitsethos erwartet und vielen Männern fällt es schwer, sich bei körperlichen, aber ganz besonders bei psychischen Problemen ärztliche Hilfe zu suchen.

Wie findet man heraus, wo die Grenzen liegen? Oft merkt man ja zu spät, was sich blöd anfühlt.

Rückblickend würde ich dieses "blöde Gefühl" als wichtigstes Alarmsignal nennen. Mir ging es oft schlecht, wenn ich entgegen meinem Bauchgefühl gehandelt habe, weil ich Sätze im Kopf hatte, wie: "Reiß' dich zusammen, ist schon nicht so schlimm, Augen zu und durch..." Das Bauchgefühl zeigt zu Recht die Grenze. Wer darüber hinweggeht, schadet sich selbst. Und ich habe für mich lernen müssen, mich nicht mehr am Umfeld zu orientieren. Früher habe ich Freund:innen oft gefragt: "Was meinst du? Was würdest du tun?" Das ist aber keine Hilfe, denn Grenzen sind individuell.

"Einige Männer fühlen sich durch die Forderungen nach Konsens auch unter Generalverdacht."

Musstest du auch Grenzen ausweiten?

Definitiv. Zum Beispiel hat es gedauert, bis ich meine Bisexualität voll gelebt habe, ich hielt mich lange für hetero. Grenzen zu erkennen ist ein lebenslanger Prozess, denn die Bedürfnisse ändern sich. Ich habe beispielsweise viele Jahre in offenen Beziehungen gelebt und das war genau richtig. Aber im Moment würde ich mich gerne auf einen Menschen konzentrieren, ein monogames Konzept leben. Deshalb ist es so wichtig, mit Partner:innen im Gespräch zu bleiben. Niemand muss mono leben. Aber auch nicht jeder poly, weil es trendet. Du musst das leben, was sich für dich und deine:n Partner:in gut anfühlt, einen Konsens finden. Konsens ist wichtig, sowohl emotional als auch sexuell.

Konsens beim Sex einholen – das klingt für viele Menschen verkopft und unsinnlich.

Gerade beim Thema Sex kommt dieses Argument oft, so nach dem Motto: "Wenn ich vorher bei jedem Schritt frage, dann geht die Leidenschaft flöten." Einige Männer fühlen sich durch die Forderungen nach Konsens auch unter Generalverdacht, weil sie glauben, dass sie noch nie aufdringlich gegenüber einer Frau waren. Oft haben sie einfach kein Bewusstsein dafür, was unangenehm ist.

Nadine Primo, Konsens ist sexy
Nadine Primo arbeitet auch als Model.Bild: pr / Peter Müller

Ein Beispiel?

In frei zugänglichen Pornos werden Frauen oft dominiert, auf den Hintern gehauen oder an den Haaren gezogen. Diese Form von Sex hat sich schon als "Mainstream" in den Köpfen manifestiert, man hält es also für gängige Praxis. Aber es ist nicht in Ordnung, wenn ein Mann das einfach ungefragt macht. Woher will er denn wissen, ob sie darauf steht? Wenn er nicht vorher fragt, ist das ein schmerzhafter Übergriff in einer intimen Situation.

"Es geht ja nicht darum, ein Formular zu unterschreiben, sondern miteinander über Sex zu sprechen. Das ist nicht gerade ein Lustkiller."

Aber er ist sich keiner Schuld bewusst.

Genau. In Workshops fordere ich Männer oft zu einem Perspektivwechsel auf, sie sollen Pornos mal aus Frauensicht sehen. Wenn deine Geschlechtsgenossen permanent aus der Vogelperspektive gefilmt werden, wie sie bedienen, schlucken und grob behandelt werden – wie fühlt sich das an? Es ist okay, wenn eine Frau genau so gerne Sex hat. Aber man kann nicht ungefragt davon ausgehen, denn hier werden in erster Linie männliche Fantasien gezeigt. Vielen fehlen da aber leider die Worte.

Wie kann Konsens sexy eingebaut werden?

Ich nenne das "tease talk". Es kann wirklich heiß sein, darüber zu sprechen, was gleich passiert. "Ich habe verdammte Lust dich zu küssen, ist das okay?" oder eben "Fändest du es geil, wenn ich dich auf den Hintern haue?" – Konsens kann supersexy sein. Es geht ja nicht darum, ein Formular zu unterschreiben, sondern miteinander über Sex zu sprechen. Das ist nicht gerade ein Lustkiller.

"Für sich selbst einzustehen, ist wie ein positiver Teufelskreis. Es lohnt sich auf jeden Fall, damit anzufangen."

Und wenn eine Grenze überschritten wurde?

Da kann ich nur aus eigener Erfahrung sprechen. Ich datete mal einen Mann und der Abend endete anders als gedacht: anfangs fühlte sich alles gut an, wir lachten viel und verstanden uns gut. Dann küssten wir uns und schlagartig änderte sich sein Tempo. Mir ging das alles viel zu schnell und nachdem ich ihn zweimal höflich drauf hingewiesen hatte, er aber nichts änderte, forderte ich ihn lauthals auf, sofort meine Wohnung zu verlassen. Das hat sich sehr gut angefühlt, denn ich hatte für mich eingestanden!

Passiert es dir denn trotzdem noch, dass du "einknickst"?

Immer seltener. Sobald romantische Gefühle mit im Spiel sind, fällt es mir immer noch schwer; da gehe ich oft weiter als gut für mich ist. Trotzdem bin ich aufmerksamer geworden und stärker. Ich habe festgestellt: Je besser ich meine Grenzen kenne und wahre, umso selbstbewusster werde ich. Und je selbstbewusster ich bin, desto klarer erkenne ich, was ich will. Für sich selbst einzustehen, ist wie ein positiver Teufelskreis. Es lohnt sich auf jeden Fall, damit anzufangen.

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