Wer kennt das nicht: Schon Wochen vor Weihnachten macht man sich Gedanken, wie man seine Liebsten am besten beschenkt. Man wichtelt, kauft ein, bastelt und hetzt sich ab und dann, an Heiligabend, kommt der große Moment der Wahrheit. Die Geschenke werden ausgepackt und man belauert währenddessen den Gesichtsausdruck der Beschenkten: Freuen sie sich wirklich? Ist die Freude etwa nur gespielt? Oder sieht man da gar so etwas wie Enttäuschung im Gesicht?
Doch als Laie ist das Rätsel der Mimik oft gar nicht so einfach zu entschlüsseln. Daher hat watson einen Mimik- und Körpersprache-Experten gefragt.
Dirk Eilert gibt in der Eilert-Akademie nicht nur Kurse dazu, wie man menschliche Emotionen entschlüsselt, versteht und damit umgeht, er schreibt auch Bücher darüber. Zuletzt hat Dirk Eilert den Bestseller-Autor Sebastian Fitzek bei der Arbeit zu seinem neuesten Psychothriller "Mimik" beraten.
watson: Woran erkenne ich am Gesichtsausdruck beim Auspacken, dass sich jemand über mein Geschenk freut?
Dirk Eilert: Um zu erkennen, ob sich Ihr Gegenüber über Ihr Geschenk wirklich freut, müssen Sie ein freudiges Lächeln von einem höflichen unterscheiden. Denn wir Menschen sind soziale Wesen, allzu oft agieren wir nach dem Prinzip der sozialen Erwünschtheit. Wir nicken in einem Gespräch à la Wackel-Dackel, obwohl wir eigentlich kein wirkliches Interesse spüren. Wir lächeln auf die Frage, wie es uns denn gehe, obwohl uns eigentlich zum Heulen zumute ist, ebenso machen wir nicht selten gute Miene zum blöden Geschenk. Wir streben grundsätzlich danach, niemandem auf die Füße zu treten, eben höflich zu sein. Zumindest die meisten von uns. Hier gibt es in der Mimikforschung nun einen entscheidenden Unterschied.
Was ist der entscheidende Unterschied?
Ein höfliches Lächeln zeigt sich nur im Mundbereich, durch das Heben der Mundwinkel. Spüren wir hingegen wirkliche Freude, "lachen" auch die Augen mit. Dafür verantwortlich ist der äußere Augenringmuskel, den nur wenig Menschen bewusst ansteuern können. Er spannt sich vielmehr unwillkürlich in Momenten an, in denen wir Freude spüren. Genau deshalb erkennen Sie die wahre Geschenkefreude nicht an den gehobenen Mundwinkeln, sondern daran, dass die Augen "lachen" und sich in den Augenwinkeln kleine Fältchen bilden.
Wie sieht dann der absolute Geschenke-Volltreffer aus?
Die Geschenkefreude lässt sich tatsächlich noch steigern. Den Jackpot der Weihnachtsgeschenke haben Sie dann geknackt, wenn Ihr Gegenüber nicht nur Freude, sondern Rührung zeigt. Rührung ist eine der intensivsten angenehmen Gefühle, die wir im zwischenmenschlichen Miteinander erleben. Sie zeigt sich durch eine Mischung von Freude (ein Lächeln mit lachenden Augen) und Trauer (hochgezogene Augenbrauen-Innenseiten) kulturübergreifend auf die gleiche Weise in der Mimik. Die Trauer-Komponente der Rührung entsteht dadurch, dass uns in dem Moment, in dem wir das Geschenk erblicken, noch einmal bewusst wird, wie sehr wir uns dies gewünscht haben und was uns sonst gefehlt hätte.
Woran erkenne ich, dass mein Geschenk eine Enttäuschung war?
Um Enttäuschung oder gar Ablehnung zu erkennen, ist es wichtig hinter die Maske des Lächelns zu blicken, hinter der viele ihre Unzufriedenheit verstecken. Denn Mimik ist schneller als der Verstand. Die Forschung konnte sogenannte Mikroexpressionen identifizieren – Gesichtsausdrücke, die schneller als ein Wimpernschlag über unser Gesicht huschen und unsere wahren Gefühle enthüllen. Achten Sie also vor allem auf die schnellen und subtilen Bewegungen in der Mimik der Beschenkten, um zu sehen, ob Sie den Kassenbon vielleicht doch lieber noch aufheben sollten.
Rümpft Ihr Gegenüber kurz die Nase oder zieht die Oberlippe hoch, ist dies ein Hinweis auf Ablehnung. Zieht die Person hingegen für den Bruchteil einer Sekunde die Augenbrauen-Innenseiten hoch, zeigt dies Enttäuschung an.
Erkennt man an der Mimik, ob jemand Freude nur vortäuscht?
Vorgetäuschte Freude erkennen Sie daran, dass sich das Lächeln nur im Mundbereich zeigt, die Augen dabei aber nicht mitlachen. Achten Sie also vor allem auf die Augen, um ein höfliches Lächeln im Sinne einer vorgetäuschten Freude von der wahren Freude über das Weihnachtsgeschenk zu unterscheiden.
Auf was sollte ich als Beschenkter in meiner Mimik achten, um den Schenkenden nicht vor den Kopf zu stoßen?
Mein Tipp ist immer, liebevoll ehrlich zu sein. So wäre meine Empfehlung beispielsweise auch, sprechen Sie es an, wenn Sie bei Ihrem Gegenüber erkennen, dass Sie mit Ihrem Geschenk nicht ins Schwarze getroffen haben: "Ich habe das Gefühl, dass du – auch wenn ich mir vorher Gedanken gemacht habe – mit dem Geschenk nicht so glücklich bist. Weißt du, mir ist es wirklich wichtig, dass du von mir was bekommst, das dich freut. Wenn es dir nicht gefällt, sag es ruhig, dann gehen wir einfach gemeinsam los und besorgen dir was anders. Das ist vollkommen in Ordnung."
Gibt es eine Art "neutrale Mimik", die man trainieren kann?
Wenn Sie, warum auch immer, die Entscheidung treffen, es dem anderen nicht sagen zu wollen, dass Sie selbst mit dem Geschenk, das Sie bekommen haben, nicht glücklich sind, versuchen Sie auf keinen Fall, Ihre Mimik zu kontrollieren. Dies wirkt schnell aufgesetzt und Ihr Gegenüber riecht den Braten. Entscheidend ist hier, dass Sie die richtige Mimik von innen heraus aktivieren. Hier der ultimative Tipp dafür: Konzentrieren Sie sich auf die Absicht des Schenkens, also darauf, dass Ihr Gegenüber sich Gedanken gemacht hat, um Ihnen eine Freude zu machen. Über diese Absicht können Sie sich stets freuen, auch wenn Ihnen das eigentliche Geschenk nicht zusagt. Und dann lachen in diesem Moment auch Ihre Augen.
Gibt es kulturelle Unterschiede oder spielt das Verwandtschaftsverhältnis eine Rolle bei der Reaktionsmimik?
Wahre Freude und Enttäuschung zeigen sich unabhängig von der Art der Beziehung und sogar kulturübergreifend auf die gleiche Weise. Denn die Ausdrücke dafür in unserem Mienenspiel sind angeboren. Bei Freude lachen die Augen, bei Enttäuschung ziehen wir unwillkürlich die Augenbrauen-Innenseiten hoch, egal wo wir uns befinden, ob in Berlin, Sydney, New York, Kapstadt oder sogar im Hochland von Papua-Neuguinea.