Gefühlt war alles schon vorbei: Seit Juni sind die meisten Reisewarnungen innerhalb der EU aufgehoben, Badeurlaub in Italien oder Städteurlaub in Frankreich war nach dem Corona-Lockdown wieder drin, einzig ungewöhnlich waren vielleicht das ständige Abstandhalten und Masketragen in der Öffentlichkeit.
Während wir allerdings in Rimini am Strand lagen, nahm die pandemische Welle im Hintergrund wieder Anlauf. Außerhalb sowie innerhalb der EU herrschen nun wieder Reisewarnungen vor, darunter auch für beliebte Großstädte wie Amsterdam, Budapest, Prag oder Wien.
Warum die Fallzahlen ausgerechnet dort ansteigen und welche Infektionsrisiken von Städten ausgehen: Darüber hat watson mit dem Epidemiologen Timo Ulrichs von der Akkon-Hochschule in Berlin gesprochen.
watson: Warum steigen ausgerechnet in Wien, Budapest und Amsterdam die Corona-Fallzahlen?
Timo Ulrichs: Das lässt sich nicht auf einzelne Ursachen zurückführen. Eine wichtige Ausbreitungsquelle sind aber private Feiern und Partys. Auf die sollte weitestgehend verzichtet werden, wenigstens so lange, bis wir einen schützenden Impfstoff zur Verfügung haben werden.
Können Sie sich erklären, warum die Fallzahlen beispielsweise in Berlin im Vergleich mit den neuen Risikogebieten gering sind?
Auch in Berlin gibt es leider viele privat organisierte Feiern, über die eine Ausbreitung gefördert wird. Aber glücklicherweise funktioniert die Abwehrlinie aus Abstandhalten und Schutzmasken, sodass die einzelnen Ausbrüche gut nachverfolgbar und damit eindämmbar sind. Das ist in Städten wie Amsterdam, Budapest oder Wien zum Teil nicht mehr ohne Weiteres möglich.
Bergen Städte generell ein größeres Risiko, sich mit dem Coronavirus anzustecken?
Ja, weil die Bevölkerungsdichte in Städten größer ist als auf dem Land und damit auch die Wahrscheinlichkeit, anderen Menschen räumlich näherzukommen.
Wäre es nun sinnvoll, die Städte zu verlassen und lieber aufs Land zu ziehen?
Mittel- bis langfristig könnte es sein, dass die guten Homeoffice-Erfahrungen dazu beitragen werden, seinen Lebensmittelpunkt eher in einer ländlichen Umgebung zu suchen. Kurzfristig die Städte zu verlassen und auf dem Land die Pandemie abzuwettern (wie seinerzeit während der Großen Pest 1348/49) ist nicht notwendig.
Was sollten Menschen, die in Städten leben, nun beachten?
Besonders vorsichtig sein, damit wir die kommenden Wochen bis zum Jahreswechsel ohne zweite Welle überstehen, denn diese entsteht am ehesten in Städten und nicht auf dem Land, wie zum Beispiel auch Mecklenburg-Vorpommern gezeigt hat.