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Ex-Stripperin packt aus: Was bei Junggesellenabschieden wirklich passiert

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In Stripclubs stehen Tänzerinnen und viel nackte Haut im Fokus.Bild: iStockphoto / stockbusters
Interview

Ex-Stripperin packt aus: "Bei Junggesellenabschieden sind so viele Sachen passiert"

26.04.2024, 19:1026.04.2024, 19:39
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Nora* ist 34 Jahre alt und führt ein eigenes Poledance-Studio. Seit rund zehn Jahren tanzt sie. Heute bringt sie es in Sportkursen anderen bei, früher ist sie regelmäßig in Stripclubs in Hamburg und Berlin aufgetreten.

Als sie 25 war, stand sie zum ersten Mal auf einer Bühne. Drei Jahre lang bestand ihr Alltag aus Tanzen, Männern und viel Alkohol. Heute will sie damit nichts mehr zu tun haben. Im Gespräch mit watson erzählt sie von ihren Anfängen – und wieso sie ausgestiegen ist.

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watson: Nora, mit 25 Jahren fingst du an, in einem Stripclub zu tanzen. Wie kamst du dazu?

Nora: Ich habe damals in Hamburg Unterwäsche verkauft und mich gemeinsam mit einer Party-Freundin gefragt: Wie kann es uns besser gehen? Ich hatte schon vorher getanzt, beim Poledance-Unterricht. Das hat mir gut gefallen. Ich dachte: Ich mache eh gern Party, also: Mach einfach. Wir haben dann in einem bekannten Stripclub angefragt. Die sind immer ready für neue "Talente".

Stripclub
In Großstädten finden sich zahlreiche Strip- und Nachtclubs.Bild: pexels / Level 23 Media

Was hat dir daran gefallen?

Dass ich mit Feiern Geld verdiene. Dass ich tanzen kann. Viel Champagner jeden Abend.

"Ich bin nie mit weniger als 250 Euro nach Hause gegangen."

Den die Kunden dir ausgegeben haben?

Ja, das mussten die, sonst setzt du dich nicht mit ihnen hin. Mit dem Alkohol kaufen sie sich Zeit mit dir. Wenn du einen Cocktail bekommst, hat der Gast 15 Minuten mit dir. Bei einer Flasche Sekt ist man 30 Minuten da. Bei einer Flasche Champagner kannst du schon mal eine Stunde oder anderthalb sitzen bleiben. Davon sollen die Kunden aber nichts wissen. Sie sollen das Gefühl haben, der einzige Mann in diesem Moment zu sein, mit dem ich meine Zeit verbringen möchte.

Wie viel Geld hast du an einem Abend verdient?

Ich bin nie mit weniger als 250 Euro nach Hause gegangen. Du bekommst einmalig eine Pauschale von 40 Euro. Ansonsten arbeitest du komplett auf Provision. Pro Getränk kriegst du ein Drittel von dem ab, was der Clubbesitzer daran verdient. Das geht von anteilig 30 bis 250 Euro pro Flasche. Außerdem gibt es Dollarscheine. Die kaufen die Kunden für zwei Euro, damit sie dir kein Bargeld zustecken. In einem Club habe ich davon anteilig einen Euro bekommen, in einem anderen 50 Cent.

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Geldscheine sind nur ein Teil des Verdiensts einer Stripperin.Bild: IMAGO / Design Pics

Plus Trinkgeld von den Kunden, da redet aber keiner drüber. Das dürfen die Clubbesitzer nicht mitbekommen. Das kann zwischen 200 und 500 Euro am Abend liegen – je nachdem, wie gut sie dich finden. Ich bin einmal über 1000 Euro gekommen. Wenn du Zimmer machst, kannst du auch 2000 oder 3000 Euro machen.

Wie fließend sind die Grenzen zwischen Strippen und Prostitution?

Sehr fließend. Zimmer machen heißt: Sex anbieten.

"Ich wollte mit möglichst wenig Zeit möglichst viel Geld verdienen."

Ist das verpflichtend?

Nein, bei mir hätten die sich das nicht getraut, weil ich deutsch bin. Bei den anderen Mädels hatte ich das Gefühl, dass die das freiwillig gemacht haben. Es gab eine, die immer zu mir meinte: "Egal was ist – Blasen, Ficken – schick die einfach zu mir, ich mach' das." Die hatte einfach Bock. Morgens um fünf Uhr ist sie aus dem Club raus und wie eine Tracking-Mami mit Decathlon-Mütze und Stirnlampe auf ihr Fahrrad gestiegen.

Wie viele der Frauen machen Zimmer?

Es ist ein kleiner Teil, der es nicht macht. Viele lassen sich überreden. Sie sagen "Ich mache das nicht" und dann kommt ein Typ rein, den sie cute finden und dann machen sie es doch. Und dann kommt der nächste, der ist auch cute. Und irgendwann ist es ihnen scheißegal.

War das Strippen in den drei Jahren deine Haupttätigkeit?

Ich habe in der Zeit studiert. Ich wollte mit möglichst wenig Zeit möglichst viel Geld verdienen, damit ich tagsüber noch Zeit für mein Studium habe. Die Realität sieht natürlich anders aus, wenn jeder Morgen ein Totalschaden ist oder man erst gegen Mittag aufwacht. Dann ist man froh, wenn man sich ins nächste Café schleppen kann, um sich einen Bagel zu holen.

Wie verlief ein typischer Abend im Stripclub?

Bis 23 Uhr ist es mau. Das richtige Geschäft geht um 1 Uhr los. Bis 4 Uhr ist das Hauptgeschäft. Danach hast du noch ein paar, die nicht gehen wollen. Aber: Solange Champagner gekauft wird, ist der Club auf. Es kann auch sein, dass man um 8 Uhr erst rauskommt. Das habe ich aber nur gemacht, wenn ich richtig gute Gesellschaft hatte und betrunken war.

Warst du mit den anderen Frauen befreundet?

Das sind Feierfreunde. Aber dadurch, dass du bis 16 Uhr schläfst, hast du sonst niemanden. Deswegen sind das deine engsten Vertrauten. Ich würde sie nicht Freunde nennen. Es geht nur ums Geld.

Bildnummer: 58395374 Datum: 20.08.2012 Copyright: imago/imagebroker
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An der Hamburger Reeperbahn gibt es zahlreiche Bars und Stripclubs.bild: IMAGO / imagebroker

Strippen verbinden Außenstehende mit viel Nacktheit zur Erregung von Männern für Geld. Was ist Strippen für dich?

Im Grundsatz ist es so. Das muss man wissen, bevor man da rein geht. Es geht darum, dass du nackt bist, dass du dich ausziehst. Aber vor allen Dingen ist es auch Entertainment. Du machst eine Show. Mir hat das Tanzen viel Spaß gemacht. Was ich aber in meinen Zwanzigern nicht gerafft habe, ist, dass der ganze Alkohol einen total bremst beim Tanzen. Ich habe manchmal drei Tage durchgetrunken. Das war ein Grund, warum ich aufgehört habe. Mein Körper hat gesagt: Jetzt ist Feierabend.

"Als Stripperin kriegst du mit, wie die Männer sich ihr Leben verbocken."

Wie hört man auf? Geht man einfach dahin und reicht seine Kündigung ein?

Du kommst einfach nicht mehr. Ich habe mir eine Mülltüte genommen, meinen Spind geleert und bin mit Mittelfinger oben nach Hause gelaufen.

Wusste dein Umfeld, was du arbeitest?

Meinen Eltern habe ich gesagt, dass ich Animation in Clubs mache – weil das nicht gelogen, aber auch nicht die ganze Wahrheit ist. Ansonsten war mir das total egal. Ich habe auch auf Instagram keinen Hehl daraus gemacht. Ich finde es völlig in Ordnung, das zu machen.

Was sind das für Männer, die in Stripclubs gehen?

In Stripclubs kommen Männer, die ungesund sind. Das sieht man denen an. Die sind meist fettleibig oder dünn, mit Bauch. Schlechte Haut. Die meisten haben Geld. Viel Geld. Es gibt auch Junggesellenabschiede, aber das ist eine ganz andere Klientel. Es gab Männer, die einen Tag vor der Hochzeit vor mir saßen und sagten: "Ich kann das nicht, ich will das nicht", und dann mit einer Frau aufs Zimmer gegangen sind. Das kam alle zwei Wochen vor. Bei Junggesellenabschieden sind so viele Sachen passiert, dass ich niemals heiraten will. Als Stripperin kriegst du mit, wie die Männer sich ihr Leben verbocken.

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Die meisten Stripperinnen wählen falsche Namen – zum Schutz. "Auch Berlin ist nur ein Dorf", sagt Nora.Bild: IMAGO / Pond5 Images

Warst du mit sexuellen Übergriffen oder Belästigung konfrontiert?

Einer hat mir in den Nippel gekniffen, da habe ich aus Reflex ausgeholt. Einer hat mir auf den Arsch gehauen. Dem habe ich mit meinem Highheel auf den Lederschuh getreten. Die meisten trauen sich das aber nicht. Da sind ja auch Leute in den Hinterzimmern und Türsteher.

"Da waren Mädels, die haben sich am Abend vier Gramm Koks reingeknallt und damit angegeben. Das war normal."

Hast du dich immer sicher gefühlt?

Ja, auf jeden Fall. Es gibt Notknöpfe, du kommst immer raus aus der Situation. Mir ist nie etwas passiert. Es gab unangenehme Situationen, in denen ich sehr betrunken war. Da habe ich aber selbst abgebrochen und bin kurz nach oben gegangen, um zu chillen. Es ist nie etwas passiert, das ich nicht verarbeiten konnte. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es den Mädels so ging, die Drogen genommen haben. Das habe ich nie gemacht. Keine Zimmer, keine Drogen.

Wie steht es in der Branche mit dem Drogenkonsum?

Viele waren drauf. Da waren Mädels, die haben sich am Abend vier Gramm Koks reingeknallt und damit angegeben. Das war normal. Viele würden sonst nicht so lange durchhalten, vor allem, wenn sie keinen Spaß haben.

Würdest du anderen Frauen von dem Job abraten?

Ich würde sagen: Probier es aus. Lass die Finger von den Drogen und mach keine Zimmer – du machst auch so genug Geld. Und mach es nur, wenn du Spaß dran hast. Sobald der Spaß weg ist, hör auf.

Hast du dich dabei sexy und begehrt gefühlt?

Ja, auf jeden Fall. Aber die Männer sind teilweise hart. Es gab Momente, in denen ich an ihren Tisch gegangen bin und gefragt habe "Hey, hast du noch ein paar Dollar für die Show?" und sie meinten: "Ne, du bist mir zu dick". Für die bist du in dem Moment nur ein Objekt, das muss dir klar sein.

Transparenzhinweis
* Name geändert. Der Redaktion ist der vollständige Name bekannt.
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