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Nach schlimmer Nachricht: Warum einige Menschen unpassend grinsen müssen

Side view of two sad good friends embracing in a bedroom in a house interior with a dark light in the background
Zu Trösten ist ein gewaltiger Akt der zwischenmenschlichen Empathie. Bild: iStockphoto / AntonioGuillem
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"Ooh, nicht weinen": Expertin erklärt, wie man traurige Freunde besser tröstet

02.12.2023, 12:3607.12.2023, 08:15
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Wer jemals richtig trauern musste, der weiß, wie facettenreich Trost sein kann – und wie heilend. Doch es ist andersrum gar nicht so einfach, einen Menschen zu trösten, der gerade mit Kummer zu kämpfen hat. Manch eine:r lacht erstmal im Schock, zieht sich betreten zurück oder versucht das Thema mit einem "wird-schon-wieder" abzuschütteln.

Warum bewegt uns die Trauer anderer überhaupt so stark? Geht das Tieren auch so? Und wie wird man ein:e wirklich gute:r Tröster:in? Darüber hat watson mit Jana Schmid gesprochen.

Sie ist Psychologin und Mental-Health-Expertin im Fürstenberg Institut, das Unternehmen dabei unterstützt, die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden mithilfe systemischer Berater:innen zu verbessern.

Jana Schmid, Fürstenberg Institut, Trost
Psychologin Jana Schmid. Bild: Fürstenberg Institut

watson: Frau Schmid, warum ist es so unangenehm, wenn uns jemand etwas Schlimmes erzählt?

Jana Schmid: Das kommt daher, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes mitfühlen. Das heißt, wir empfinden selbst die Emotionen, die wir in unserem Gegenüber zu erkennen meinen. Gerade, wenn es sich um Verzweiflung handelt, ist dazu noch ein zentrales psychologisches Grundbedürfnis herausgefordert: Das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle – wir wollen die Dinge "im Griff haben". Wenn das wackelig wird, wird eine natürliche Stressreaktion ausgelöst, die Energie mobilisiert, um die Situation besser bewältigen zu können.

Wie sieht die aus?

Bemerkbar macht sich diese Stressreaktion zum Beispiel daran, dass uns heiß wird und wir feuchte Hände bekommen. Das muss jedoch nicht der Fall sein. Wenn wir uns der Situation gewachsen fühlen und gerne für unser Gegenüber da sind, dann kann das eine sehr bereichernde Erfahrung sein und unsere Bindung vertiefen.

Warum müssen einige Menschen bei schlimmen Nachrichten unwillkürlich lachen oder grinsen?

Entscheidend ist hier das Wort "unwillkürlich". Das Lachen "passiert uns" in diesem Moment. Es ist nichts, wozu wir uns entscheiden. Demnach können wir es kaum kontrollieren. Die Vermutung liegt nahe, dass das Lachen eine Art Ventil in einer Hochanspannungssituation ist. Wir kennen es alle, dass Lachen und Humor uns helfen, Anspannung zu reduzieren. Bei schlimmen Nachrichten bewerten wir das als nicht situationsangemessen. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Wenn wir den Impuls bemerken und ihn dann aktiv versuchen zu unterdrücken, kann das die Anspannung noch steigern und in Lachen als Übersprungshandlung münden.

"Alle Reaktionen, die dem Leid sofort ein Ende setzen möchten, wie 'Wein doch nicht!', sind weniger hilfreich. Auszustrahlen, dass man da ist, spendet hingegen Trost."

Sollte man sich dafür entschuldigen?

Generell sollte man sich selbst und andere dafür nicht verurteilen. Denn es geht nicht um ein Auslachen, sondern um einen unwillkürlichen Bewältigungsversuch. Meistens ist es für die Person, die lachen muss, am schlimmsten. Ein kurzes "Entschuldigung" oder "Entschuldigung, das Grinsen passiert mir gerade aus Überforderung" kann jedoch helfen, die Anspannung zu reduzieren. Hilfreicher als ein Abtrainieren ist aus meiner Sicht ein Ablenken – aber auch hier gilt: Dazu haben wir nur die Chance, wenn wir den Impuls rechtzeitig bemerken.

Wie können wir uns in solch einem Moment ablenken?

Man kann zum Beispiel versuchen, zehn Dinge in der Umgebung zu finden, die rot sind. Dann ist unser Gehirn mit etwas anderem beschäftigt und der Drang zu lachen kann abnehmen.

Businesswoman laughing in a meeting trying to stifle her laughter behind her hand
"Echt? Seine Schwester ist tot?" Wer im falschen Moment lacht, ist meist überfordert.Bild: iStockphoto / danr13

Jemand hat einem etwas Schlimmes erzählt und man möchte helfen. Was ist beim Trösten ein No-Go?

Wenn es um Trost geht, dann geht es um Trauer. Wichtig ist für den Tröstenden dabei im ersten Schritt anzuerkennen, dass diese Emotion jetzt grade da ist und das zu akzeptieren und nicht gleich ändern zu wollen. Alle Reaktionen, die dem Leid sofort ein Ende setzen möchten, wie "Wein doch nicht!", "Komm, wir gehen ein Eis essen!", oder auch allgemeine pauschale Aussagen wie: "Das wird schon wieder!" sind deshalb weniger hilfreich. Auszustrahlen, dass man da ist, spendet hingegen Trost. Es vermittelt dem Gegenüber: "Ich darf mich so fühlen, wie ich mich gerade fühle". Oder: "Ich habe hier einen Safe Space, ich werde auch akzeptiert, wenn ich mich gerade traurig fühle". Das entlastet.

Was ist Trost überhaupt?

Interessant ist, dass das Wort "Trost" etymologisch mit dem Wort "treu" verwandt ist. Es geht um Beziehung – Trost ist Zuwendung, um Trauer und Leid zu lindern. Diese Zuwendung kann ganz unterschiedlich ausgedrückt werden, beispielsweise durch Worte oder Berührungen. Was immer zur Art der Beziehung passt.

"Es ist für die Beziehung auf Dauer am besten, wenn ich nur dann gebe, wenn ich auch etwas zu geben habe."

Und was ist dabei wichtiger: Was man sagt, oder dass man einfach da ist?

Entscheidend ist, was meinem Gegenüber guttut und womit ich mich als tröstende Person auch wohlfühle. Wenn ich weiß, dass eine gute Freundin gern umarmt wird, dann kann ich sie in der Situation umarmen. Je besser ich mein Gegenüber kenne, desto leichter ist es, das einzuschätzen. Ansonsten kann ich auch einfach fragen: "Soll ich dich mal drücken?", oder: "Soll ich einfach mal dableiben, und wenn du reden willst, sagst du mir Bescheid?". Was man als kleine, fürsorgliche Geste immer machen kann, ist ein Glas Wasser oder ein Taschentuch zu reichen.

Wie kommuniziert man es, wenn einem das Trösten zu viel wird?

Es ist wichtig, Grenzen für sich selbst wahrzunehmen, getreu dem Motto: "You can’t pour from an empty cup". Ich-Botschaften helfen, dass mein Gegenüber das nicht als Ablehnung einordnet.

Wie könnte eine solche Botschaft aussehen?

In der Partnerschaft könnte man sagen: "Ich muss gerade meine eigenen Akkus aufladen, damit ich danach wieder gut für dich da sein kann". Wenn es sich um einen längeren Trauerprozess handelt, ist es wichtig zu schauen, wie andere Menschen im Netzwerk die betroffene Person unterstützen können. Wenn mich ein Freund anruft, ich aber selbst gerade viel zu tun habe, kann ich fragen, ob in dem Moment auch jemand anderes für ihn erreichbar wäre. Häufig lässt sich die Unterstützung auf mehrere Schultern verteilen und es ist für die Beziehung auf Dauer am besten, wenn ich nur dann gebe, wenn ich auch etwas zu geben habe.

"Es ist für die Beziehung auf Dauer am besten, wenn ich nur dann gebe, wenn ich auch etwas zu geben habe."

Wer tröstet am besten: Ein Profi? Eine Bezugsperson? Ein Leidensgenosse?

Das hängt maßgeblich davon ab, nach welcher Form von Trost der betroffenen Person ist und wer das im Umfeld leisten kann. Es geht darum, sich nicht allein zu fühlen – deshalb sind unsere Nächsten sowie Leidensgenossen häufig die präferierten Anlaufstellen. Wenn unser Umfeld aber gerade selbst belastet ist, unser soziales Netz sehr dünn ist, oder die Trauer schon sehr lange anhält, dann kann es hilfreicher sein, sich an Profis zu wenden.

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Und wie kann man jemandem helfen, der sich mit Worten und Berührungen schwertut?

Praktische Hilfe im Alltag anzubieten ist eine gute Option, zum Beispiel Einkäufe zu übernehmen oder Babysitten. Es kommt darauf an, was der Person guttut. Da sind wir alle individuell – nachfragen ist immer erlaubt. Es kann ein stummer Spaziergang sein, die andere Person in der Nähe zu haben und einfach zu hören, wie sie nebenan den Abwasch macht, und die Gewissheit zu haben, nicht allein zu sein.

Female elephant standing over a dead family member mourning it in Serengeti National Park in Tanzania
Elefanten sind bekannt für ihr hochsoziales Verhalten.Bild: iStockphoto / StuPorts

Trösten Tiere sich eigentlich auch oder ist das etwas Menschliches?

Es gibt immer mehr Hinweise, dass Trösten kein ausschließlich menschliches Verhalten ist: Wenn etwas Unangenehmes passiert, nehmen sich Affen in den Arm, Elefanten streicheln sich mit dem Rüssel, Wühlmäuse pflegen sich das Fell und wenn zwei Raben einen Konflikt haben, bekommen sie nicht selten von Dritten nach dem Streit Futter angeboten. Für mich sieht das stark nach Comfort Food und Trost aus. Eine weitere Ähnlichkeit, die zwischen Maus und Mensch festgestellt werden konnte: Das "Bindungshormon" Oxytocin spielt eine Rolle. Wird in Experimenten bei Wühlmäusen der Rezeptor im Gehirn blockiert, dann wird auch nicht mehr getröstet.

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