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Online-Dating: Tinder-CEO Faye Iosotaluno offenbart KI-Strategie

Faye Iosotaluno ist seit 2024 die zweite CEO des Tinder-Unternehmens.
Faye Iosotaluno ist seit 2024 die zweite CEO des Tinder-Unternehmens.Bild: tinder
Interview

Tinder-Chefin Faye Iosotaluno über ihre Pläne, KI-Profile und die Sicherheit von Frauen

26.05.2024, 13:19
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In westlichen Ländern entsteht mittlerweile etwa die Hälfte aller romantischen Beziehungen online. Was als schneller Swipe für One-Night-Stands begann, ersetzt heute also die kitschigen Umstände jeder zweiten Kennenlern-Story.

Trotzdem hat Online-Dating in vielen Fällen noch immer einen ermüdenden und unromantischen Beigeschmack. Faye Iosotaluno will diese Vorstellung als CEO des Dating-Riesen Tinder verändern.

Im watson-Interview spricht sie über ihre Verantwortung als weibliche Tinder-Chefin, die Herausforderungen beim Online-Dating und das Romantik-Potenzial von Künstlicher Intelligenz (KI).

Chiang Mai, Thailand - Mar 01,2022: Woman holding smart phone with Tinder app in screen. Tinder is a application for online romantic dating. xkwx icon, social media, mobile, application, tinder, netwo ...
Tinder ist die bekannteste Dating-App der Welt.Bild: imago images / Pond5 Images

watson: Vor mehr als 10 Jahren hat Tinder das Online-Dating revolutioniert. Welche Revolution braucht es in den nächsten Jahren, um mit den heutigen Vorstellungen von Liebe Schritt halten zu können?

Faye Iosotaluno: Tinder hat da viele Möglichkeiten, vor allem KI wird eine große Rolle spielen. Ich bin fest davon überzeugt, dass KI die Partnersuche unterstützen kann und sie nicht ersetzen wird. Ein Dating-Profil zu erstellen ist schwierig, das wissen wir alle. Die größte Schwierigkeit besteht darin, erstmal ein Foto auszuwählen. Einer der nächsten Schritte wird bei uns ein sogenannter AI photo selector sein. Wir haben ein Tool entwickelt, das Fotos vorschlägt, von denen wir wissen, dass sie gut geeignet sind. Solche Dinge können Online-Dating für noch mehr Menschen zugänglich zu machen.

Was sind denn Dinge, die Leute auf Tinder immer wieder falsch machen?

Das ist sehr unterschiedlich. Oft liegt es tatsächlich daran, dass sie keine guten Fotos auswählen. Ein weiteres Beispiel ist aber auch die Bio. Wir empfehlen, sich auf 15 Wörter zu beschränken. Das muss kein Roman werden, sondern soll einfach nur ein bisschen was zur Person verraten. Auch hier kann und wird Tinder Tools entwickeln, die den Leuten helfen.

Was noch?

Ein weiterer Aspekt, der für die Darstellung auf Dating-Profilen wichtig ist, nenne ich die assumptions epidemic. Wir haben junge Männer und Frauen dazu befragt, was sie beim Dating erwarten und was sie über das andere Geschlecht denken. 65 Prozent der befragten Frauen glauben etwa, dass Männer auf Tinder meist nur etwas Lockeres suchen. Wenn wir aber Männer befragen, liegt die Zahl derer, die tatsächlich nur an etwas Lockerem interessiert sind, bei nur 29 Prozent. Hier gibt es also eine deutliche Kluft. Das wirkt sich auch auf die Art und Weise aus, wie Menschen sich in Dating-Apps präsentieren.

Für viele bleibt Romantik beim Online-Dating zu sehr auf der Strecke.
Für viele bleibt Romantik beim Online-Dating zu sehr auf der Strecke. Bild: pexels / cottonbro studio

Laut einer Befragung unter Tinder-Nutzer:innen verzichten 55 Prozent der Frauen und 34 Prozent der Männer bei Dates vollständig auf ihr Smartphone. Immer mehr junge Leute erteilen Online-Dating eine komplette Absage. Wie reagiert Tinder auf diese Offline-Entwicklung?

Dating ist ja generell keine leichte Sache. Egal, ob man heute 18 ist oder vor 20 oder 50 Jahren 18 war. Aber ich glaube, dass es für junge Leute heute einige Dinge gibt, die sich auf die Wahrnehmung von Online-Dating auswirken.

Zum Beispiel?

Einer der Faktoren, der zu einer gewissen Ermüdung bei der Partnersuche führt, ist instant gratification. Wir leben heute in einer vollständig digitalisierten Welt: Du bestellst eine Pizza und bekommst sie 20 Minuten später nach Hause geliefert. Du bestellst dir Schuhe und morgen sind sie da. Du schaltest Netflix an und kannst alles schauen, was du willst. In dieser Welt geht es viel um sofortige Befriedigung – instant gratification. Eine:n Partner:in zu finden ist aber viel schwieriger, als ein T-Shirt bei Amazon zu bestellen. Und genau diese Erkenntnis ist Teil des Prozesses: dass man sich Zeit nehmen muss, um jemanden wirklich kennenzulernen.

Der jungen Generation wird in diesem Zusammenhang oft nachgesagt, dass sie weniger romantisch ans Daten geht als ihre Eltern. Verlieren wir vor lauter Swipen die Romantik?

Ich glaube nicht, dass sich die Menschen von der Idee von echten romantischen Beziehungen verabschieden. Unsere Umfragen zeigen, dass es immer noch ein grundlegendes Bedürfnis danach gibt.

Der Wunsch nach Liebe wird heute aber durchaus vielschichtiger definiert. Eure Konkurrenz bei Bumble weitet die Suche mittlerweile auch auf Freundschaften und Arbeitsbeziehungen aus. Hast du ähnliche Pläne?

Mein Ziel ist es, Tinder zur modernsten, sichersten und inklusivsten Dating-App der Welt zu machen. Aber ich will ehrlich sein: Viele Menschen haben Online-Dating ohnehin noch nie in ihrem Leben ausprobiert. Damit ist die Gruppe der Menschen, denen wir Unterstützung bieten können, noch immer recht groß. Ich denke, wir haben aktuell einen klaren Auftrag und eine klare Mission.

Besonders für Mitglieder der LGBTQIA+-Community hat Online-Dating schon lange einen hohen Stellenwert. Nutzen queere Personen Tinder anders?

Tinder ist insgesamt unglaublich wichtig für die Community. Wir haben viel getan, um unsere Optionen für die verschiedenen sexuellen Orientierungen und Gender zu erweitern, zum Beispiel in Bezug auf die Pronomen-Optionen. Wir wissen, dass Tinder für einige auch der Ort ist, an dem sie sich outen: Weil sie sich sicher fühlen und ihr wahres Ich in dieser Umgebung zeigen können. Das ist eine große Verantwortung für uns, die wir sehr ernst nehmen. Beim Thema gender fluidity arbeiten wir daher auch an einem weiteren Tool.

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Verschiedene Studien zeigen, dass ein Großteil der Nutzer:innen noch immer Hetero-Cis-Männer sind. Du bist die zweite weibliche CEO bei Tinder. Was willst du verändern, um die App für Frauen attraktiv zu gestalten?

Unser Führungsteam besteht zu 70 Prozent aus Frauen. In der Vergangenheit wurde viel über die Erfahrungen von Frauen gesprochen, aber mit den richtigen Leuten am Tisch ist das jetzt eine andere Sache. Wir müssen dafür sorgen, dass Frauen sich in der App wirklich sicher fühlen.

Wie kann das konkret funktionieren?

In den vergangenen drei Jahren haben wir mehr als 20 Funktionen auf den Markt gebracht, die den Nutzer:innen mehr Kontrolle geben. Zuletzt haben wir in den USA, Großbritannien und Brasilien die ID-Verifizierung eingeführt und weiten diese nun aus. Auch "Mein Date teilen" ist ein neues Tool, das Nutzer:innen ermöglicht, Details einer Verabredung mit Freund:innen zu teilen. Solche Sachen helfen dabei, die Erfahrungen von Frauen auf Tinder zu verbessern. Aber: Es gibt noch viel zu tun.

Viele Frauen melden auf Tinder vor allem unangemessene Nachrichten von männlichen Nutzern. Welche Möglichkeiten haben sie, gegen solche Belästigungen direkt in der App vorzugehen?

Speziell im Chat haben wir viele KI-gestützte Tools. Wenn ich bestimmte Nachrichten erhalte, wird ein Pop-up angezeigt: "Bist du dir sicher, dass dich das nicht stört?". Tinder kann dann direkt etwas dagegen unternehmen. Außerdem werden Nutzer:innen vor dem Abschicken solcher Nachrichten darauf hingewiesen, dass eine Formulierung möglicherweise als übergriffig aufgefasst werden könnte. Dadurch ist die Zahl der unangemessenen Nachrichten tatsächlich drastisch gesunken.

Können Nutzer:innen sich auch davor schützen, dass jemand ein KI-generiertes Profilbild hochlädt?

Wir wollen, dass die Menschen auf unserer Plattform so authentisch wie möglich sind. Daher empfehlen wir unseren Nutzer:innen, ihr Profil zu verifizieren. Verifizierte Profile erkennt man an einem blauen Häkchen im Profil. Um schon vor dem Date ein gutes und sicheres Gefühl zu haben, können Nutzer:innen im Vorfeld einmal die Videochat-Funktion nutzen.

Aber …?

Es gibt natürlich Nutzer:innen, die sich an KI wenden, um Hilfe zu bekommen. Es nützt letzten Endes aber weder uns noch den User:innen, wenn sie sich falsch darstellen. Wir bewegen uns in einer Welt, in der wir fast dauerhaft am Smartphone sind. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen tatsächlich wieder miteinander in Kontakt treten. Denn ich glaube, das ist es, was Menschsein ausmacht.

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