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Zoos wegen Corona leer: Pfleger schildert spannende Verhaltensänderungen bei Tieren

Ein sibirischer Tiger gähnt im Zoo von Schwerin.
Ein sibirischer Tiger gähnt im Zoo von Schwerin.Bild: picture alliance / dpa
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"Mussten die Tiger beschäftigen": Pfleger erzählt, was Lockdown mit Zootieren anstellte

Die deutschen Zoos mussten in der Coronakrise schließen. Keine schreienden Kinder, keine genervten Eltern, keine verliebten Pärchen – paradiesische Zustände für Bären, Tiger und andere Tiere, möchte man meinen. Ein Pfleger erzählt watson aber: Die Tiere hatten Langeweile.
06.05.2020, 10:1508.05.2020, 22:27
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In deutschen Zoos war es zuletzt so ruhig wie in deutschen Innenstädten. Corona zwang die Parks und Tiergärten der Republik in eine Art Winterschlaf – keine Besucher mehr, die Bären, Tiger und Co. bewundern durften.

(Zoo-)Tor zu, Affe tot? Mitnichten. Watson hat mit dem Pfleger Daniel Heese gesprochen. Der 31-Jährige ist stellvertretender Revierleiter im Zoo Schwerin und berichtet von bisweilen erstaunlichen Verhaltensänderungen bei den Tieren. Er erzählt außerdem, was den Pflegern während des Lockdowns die größten Sorgen bereitete – und wie die Tiger beschäftigt wurden, als sie keine Besucher erschrecken konnten.

"Die Tiere wieder sehen zu können, das hat den Menschen gutgetan."

watson: Der Zoo Schwerin hat seit dem 22. April wieder geöffnet. Wie sehr haben Sie selbst die Besucher vermisst?

Daniel Heese: Ich bin ein offener Mensch und gehe auf unsere Besucher zu, spreche sie auch außerhalb der Schaufütterung an. Das vermittelt unseren Gästen ein gutes Gefühl und das macht mir wiederum Spaß. Dieser Teil meiner Arbeit fehlte mir in den letzten Wochen sehr.

Wie war denn die Stimmung bei den ersten Besuchern nach der Öffnung?

Die Stimmung war sehr gut, es waren sehr viele Menschen da. Die Tiere wieder sehen zu können, das hat den Menschen gutgetan und eine positive Stimmung hinterlassen. Die Leute waren auch einfach froh, wieder draußen sein zu können. Ein wenig schade für unsere Gäste war, dass einige unserer Häuser noch nicht offen sind und keine Schaufütterungen stattfinden konnten. Außerdem mussten wir Pfleger Masken tragen und durften keinen direkten Kontakt zu den Besuchern haben. Die ein oder andere Frage haben wir natürlich trotzdem beantworten können.

Was war für Sie die größte Schwierigkeit in den letzten sieben Wochen?

Wir haben in reduzierter Besetzung gearbeitet, in zwei Teams, immer sieben Tage am Stück, dann sieben Tage frei. So haben wir verhindert, dass – sollte ein Pfleger an Covid-19 erkranken – gleich alle Pfleger zu Hause bleiben müssen. Dazu kamen viele zusätzliche Aufgaben, etwa Renovierungsarbeiten. Die lassen sich ohne Besucher einfacher erledigen, und die Zeit wollten wir nutzen. Das alles zu schultern und dabei die Tiere nicht zu vergessen, war sehr schwierig.

Daniel Heese bei seiner Arbeit.
Daniel Heese bei seiner Arbeit.Bild: Zoo Schwerin

Welche Sorgen haben Sie während des Lockdowns umgetrieben?

Riesige Sorgen hat uns natürlich gemacht, dass wir nach Ausfällen unsere Tiere nur noch mit dem Nötigsten versorgen können, also mit Futter und Wasser, aber ihnen keine Aufmerksamkeit widmen können. Das konnten wir mit unserem Sieben-Sieben-Modell zum Glück verhindern. Für uns Pfleger war die Aussicht auf Kurzarbeit persönlich auch sehr fordernd.

"Die Zeit haben wir meist genutzt, um die Nashörner mit Babyöl einzureiben."

Sie sagten im Gespräch mit dem Verband der Zoologischen Gärten, Sie hätten während des Lockdowns "das Leben unserer Tiere weiter verbessern können". Was haben Sie da gemacht?

Wir hatten ziemliche Probleme bei den Nashörnern mit der Haut. Die Tiere können im Winter ihre Schlammsuhle nicht nutzen, im Stall läuft dazu die Heizung. Die Zeit, die wir jetzt für Schaufütterungen nicht gebraucht haben, haben wir dann meist genutzt, um die Nashörner mit Babyöl einzureiben oder ihre Haut zu befeuchten. Das machen wir eigentlich jeden Tag, konnten jetzt aber nochmal eine Extraportion zugeben.

Das haben die Nashörner bestimmt genossen.

Auf jeden Fall. Der Kontakt wird extrem aufgebaut, wenn wir sieben Tage durchgehend mit den Tieren zu tun haben können. Da entsteht ein ganz anderes Vertrauensverhältnis zwischen Pflegern und Tieren.

"Die Tiger haben sich zum Teil gelangweilt. Wir mussten sie beschäftigen."

Waren die Tiere entspannter im Umgang mit den Pflegern, so ohne Besucherstress?

Das kommt ein bisschen auf das Tier drauf an. Die Tiger zum Beispiel interessieren sich normalerweise sehr für Besucher, schauen sich Hunde an oder erschrecken unsere Gäste gerne mal. Die waren dann zum Teil gelangweilt und da mussten wir einspringen und sie beschäftigen. Unsere Marabus auf der anderen Seite gehen Besuchern gerne aus dem Weg. Die Vögel hatten in den letzten Wochen die Gelegenheit, über die Besucherpfade zu gehen und damit neue Wege zu beschreiten.

Zoo Schwerin 2016
Erschreckt gerne Besucherinnen und Besucher: ein Tiger des Schweriner Zoos.Bild: Zoo Schwerin / Roeder

Wie haben Sie denn die Tiger beschäftigt?

Mit unserer Tigerdame Angara zum Beispiel haben wir trainiert, dass sie Pfote gibt, um sie ohne Narkose untersuchen zu können. Angara hat eine alte Verletzung am Fuß und humpelt da manchmal.

Hat das geklappt?

Wir sind noch nicht ganz so weit, dass sie an eine feste Stelle kommt und diese mit der Pfote berührt, das dauert aber auch seine Zeit. Aber sie hat große Fortschritte gemacht.

"Richtig außergewöhnlich waren die Stachelschweine."

Haben Sie andere spannende Beobachtungen im Tierverhalten während des Lockdowns gemacht?

Manche Tiere haben richtiggehend Nähe von uns Pflegern eingefordert und damit die fehlenden Besucher ausgeglichen. Richtig außergewöhnlich waren die Stachelschweine. Die bekommen bei Abendführungen nochmal eine kleine Leckerei. Das ist weggefallen und wir konnten direkt sehen, dass die Aktivität der Tiere selbst nachgelassen hat. Unsere Tiger und Bären hingegen wollten mehr bespaßt werden. Die Bären konnten sich weniger mit Besuchern beschäftigen und haben unser Training viel besser angenommen. Beim Tigermännchen Murray mussten wir als Tierpfleger dann sogar die Trainingseinheit von uns aus beenden. Normalerweise zeigt er weniger Interesse und die Einheiten sind kürzer.

Zoo Schwerin 2016
Hatte im Lockdown mehr für Trainigseinheiten übrig: ein Braunbär aus dem Zoo Schwerin.Bild: Zoo Schwerin / Roeder

Sind die Tiere mit den ersten Besuchern wieder in alte Verhaltensmuster zurückgefallen?

Rückschritte hat keines unserer Tiere gemacht, insofern nein. Einmal Erlerntes vergisst ein Tier aber auch nicht, da können wir also nahtlos weiter mit ihnen arbeiten. Die Tiere haben jetzt auch wieder Abwechslung mit den Menschen, die dann am Gehege stehen.

Sind die Tiere jetzt wieder zurückgezogener, verschüchterter?

Nein, das können wir nicht beobachten, zumindest nicht mehr als vorher.

"Wir pusten den Tigern nicht in die Nase."

Hatten Sie denn Angst, dass Sie die Tiere anstecken könnten? Im New Yorker Zoo soll sich ja ein Tiger mit dem Virus infiziert haben.

Nein, überhaupt nicht. So eng ist der Kontakt auch nicht, gerade beim Tiger. Dem pusten wir nicht in die Nase. Mit unseren Vorsichtsmaßnahmen konnten wir sicherstellen, dass kein Pfleger befallen war und somit auch für unsere Tiere nicht ansteckend.

Haben Sie die Zeit ohne Besucherinnen und Besucher noch für weitere Projekte nutzen können?

Wir haben viel mit unseren Handwerkern gearbeitet und haben im Rahmen unserer eigenen Möglichkeiten Verbesserungen an den Gehegen vorgenommen. Wir konnten zum Beispiel einen Känguruzaun bauen für die neuen Tiere, die demnächst zu uns kommen. Auch unsere Asia-Voliere wurde komplett neugestaltet und unsere Nandu-Anlage umgebaut. Das sind alles Projekte, die man sonst nicht nebenbei erledigen kann.

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