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Kirche und Feminismus: Geht das? Edith Löhle über ihren Roman "Bible Bad Ass"

Edith Löhle gefaltete Hände beten
Edith Löhle hat einen Roman über Kirche und Feminismus veröffentlicht.bild: Philip Nürnberger
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Kirche und Feminismus – passt das zusammen? Klar, sagt Autorin Edith Löhle

13.03.2024, 07:53
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Eine junge Journalistin, die mit einem sexistischen Chef zu kämpfen hat. Eine Geistliche, die sich auszieht und eine Chat-Gruppe mit Maria Magdalena und weiteren biblischen Frauen. Klingt schräg? Ist es auch.

In ihrem Debütroman "Bible Bad Ass" (erschienen am 3. März) bringt Edith Löhle Glaube und Feminismus zusammen. Löhle, die zuvor unter anderem Chefredakteurin von "Nylon" und "Blonde" war, widmet sich damit den vergessenen Frauen der Bibelgeschichte. Frauen, die immer Teil der Geschichte waren, aber jahrhundertelang verschwiegen wurden.

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Watson: Edith, dein Buch handelt von einer Geistlichen, die sich auszieht und einer Chat-Gruppe mit Maria Magdalena und weiteren biblischen Frauen. Und überhaupt, du hast einen feministischen Kirchenroman geschrieben. Wie bekifft warst du?

Edith Löhle: Man könnte sagen "High on life". Ich war nicht bekifft, aber hatte Bock auf diese Kontraste. Wir leben in einer Zeit, in der wir Dinge hinterfragen. Deshalb finde ich es gar nicht so abwegig, auch in der Institution Kirche – eine der letzten Bastionen, die Frauen die Macht offiziell verwehrt – unter den Teppich zu gucken. Ich möchte auch bei männlichen Kirchengängern etwas aufrütteln, damit sie merken, wie es ist, wenn man nicht mitgedacht wird.

Pfarrer Kirche Mann
In Ämtern der katholischen Kirche dominieren noch immer Männer.Bild: Pexels / cottonbro studio

Wie religiös bist du?

Ich bin nicht religiös, daran hat auch das Buch nichts geändert. Ich bin in Süddeutschland groß und katholisch sozialisiert worden. Ich war Ministrantin und habe bis zu einem gewissen Alter die Gemeinschaft in der Kirche geschätzt – das Singen, das Zusammenkommen, das Basteln, die philosophischen Fragen.

Das klingt, als käme ein Aber...

Als Teenager habe ich angefangen, zu rebellieren und Fragen zu stellen. Mit dem ersten Gehaltszettel war ich dann raus aus der Kirche. Beruflich und privat hat sich mein Weg zum intersektionalen Feminismus gebahnt. Dazu gehört auch, die eigene Religionszugehörigkeit und Sozialisierung zu hinterfragen. So kam dieses Thema wieder in mein Leben. Und die Frage: Woran will ich glauben? Das, was die Kirche mir erzählt hat, war mir zu männlich dominiert und patriarchal.

Im Buch geht es um die vergessenen Frauen der Bibelgeschichte. Welche dieser Frauen sollte jede:r von uns kennen?

Die berühmteste ist Maria Magdalena. Wir alle kennen ihren Namen, aber ich konnte nicht fassen, dass ich in der Schule gelernt habe, dass sie eine Sexarbeiterin gewesen sein soll. Papst Franziskus hat sie 2016 offiziell als "Apostelin der Apostel" gekürt. Gleichzeitig verweigert die katholische Kirche Frauen bis heute ein Priesteramt – mit der Begründung, dass es unter den Aposteln ja nur Männer gegeben habe. Dieser Widerspruch ist so krass. Im Buch gibt es außerdem viele weibliche Personen, die wir nicht auf dem Schirm hatten.

"Ich bin ganz ehrlich, bei mir sind nur Eva, Maria Magdalena und Maria hängengeblieben. Die Verführerin, die Hure und die Jungfrau (...)"
Zitat aus "Bible Bad Ass" von Edith Löhle

Welche zum Beispiel?

Die Frau von Lot heißt in der Bibel "Frau von Lot". In meinem Buch bekommt sie ihren Namen – Edith. Allein das Benennen, Platz verschaffen, Stimme verschaffen ist ein ganz wichtiger Aspekt unserer Zeit, den wir rückwirkend als Verantwortung tragen können.

Gibt es vergessene Frauen in allen Bereichen des Lebens?

Auf jeden Fall. Ob Wissenschaftlerinnen, Erfinderinnen, Pionierinnen oder Abenteurerinnen – in vielen Bereichen wurden Frauen übergangen oder ihre Erfolge Männern zugeschrieben. Es ist an der Zeit, für Gerechtigkeit zu sorgen und Credits zu verteilen.

Für deine Protagonistin Klara passen Kirche und Feminismus zunächst so gar nicht zusammen. Wie siehst du das?

Das sind keine Gegensätze mehr für mich. Für mich war es heilsam, in der Recherche ein Fundament dafür zu finden, dass es eine weibliche Seite Gottes gibt. "Spiritus sanctus", den Heiligen Geist, habe ich immer männlich konnotiert. Wir haben den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist – also eine Dreifaltigkeit mit Penissen, so habe ich mir das immer vorgestellt. Jetzt weiß ich: Das ist völliger Quatsch.

Edith Löhle mit Buch Bible Bad Ass
Edith Löhle mit ihrem Debütroman "Bible Bad Ass".bild: privat

Wieso?

Vieles wurde missbraucht, um die Frau unterzuordnen. Auch die Apostelin Junia hieß in der Bibel lange Apostel Junias. Erst 2016 wurde das in der Einheitsübersetzung wieder zum ursprünglichen Namen Junia geändert. Und so gibt es ganz viele Übersetzungsfehler – absichtlich und unabsichtlich.

Wie würdest du eine moderne Kirche leben?

Ich fände es schön, wenn es Gotteshäuser geben würde, die für Menschen ansprechend sind, in denen sie sich gesehen fühlen und die inklusiv gedacht sind. Ich würde nie sagen, dass Kirchen abgeschafft werden müssen. Das alte Mindset aber schon.

Inwiefern?

Vor ein paar Wochen war ich in Kenia im Botanischen Garten von Nairobi. Es war schön zu sehen, wie unterschiedlich die Menschen dort Glauben gelebt haben. Ich habe viele betende Menschen gesehen – manche im Gehen, manche haben gesungen, manche haben gerappt, gepredigt. Manche haben einfach Bäume umarmt. Das hat mich darin bestärkt, dass es kein Gotteshaus braucht, um Glaube zu leben.

Spielt die Kirche heute überhaupt noch so eine relevante Rolle, als dass es ein Buch dafür bräuchte?

Es gibt viele Studien, die besagen, dass junge Menschen sich danach sehnen, an etwas zu glauben. Viele gehen weit weg von der Kirche, weil sie ihnen zu altmodisch ist. Andere suchen den Glauben etwa in der Spiritualität. Ich fände es wunderschön, wenn die Kirche es schafft, so modern und inklusiv zu sein, dass auch junge Leute Bock darauf haben. Meine Traumvorstellung wäre, dass es moderne Gotteshäuser gibt mit modernen Menschen, die jedem die individuelle Freiheit im Glauben lassen.

Aber?

Es gibt richtig coole Pfarrerinnen und Pfarrer. Menschen, die ihr Amt sinnhaft und menschlich und freiheitsliebend ausführen. Im Zuge der Recherche habe ich einige coole Leute kennengelernt, wie zum Beispiel die Theologin Jacqueline Straub. Sie ist Katholikin und will Pfarrerin werden, darf das aber natürlich nicht. Deshalb hat sie angefangen, bei Youtube zu predigen. Sie sagt: Irgendwann werde ich die erste Pfarrerin.

In deinem Buch gibt es eine evangelische Pfarrerin...

Genau, die Pfarrerin Annina aus dem Buch gibt es tatsächlich: Annina Ligniez. Und dann gibt es noch eine Menge anderer Theolog:innen, die wichtige Aufklärungsarbeit leisten: Bei Instagram gibt es queer-feministische Theologinnen wie Maike Schöfer oder schwarze Pfarrerinnen wie Sarah Vecera, die mit dem vorherrschenden weißen Jesusbild aufräumt. All diese wichtigen Stimmen dürfen meiner Meinung nach mehr gehört werden.

Dein Cover zeigt einen Rosenkranz mit Gebärmutter-Anhänger und auch der Titel deines Buches ist provokant. Haben sich Menschen bei dir gemeldet, die das als anstößig empfinden?

Noch nicht, aber ich rechne schon damit. Es hat echt gedauert, bis das Buch herauskam, weil ich viele Neins kassiert habe bei deutschen Verlagen. Die haben gesagt, es sei zu krass, zu wild, zu rotzig. Am Ende hat es ein österreichischer Verlag gedruckt. Ich habe mich darauf eingestellt, dass ich mit dem Buch vielen Menschen auf die Füße trete. Das ist nicht meine Motivation, im Gegenteil. Aber wenn man Sachen aufrütteln will, gehört das dazu. Wer das Buch liest, merkt, dass es eigentlich eine sehr friedliche Motivation hat. Es geht darum, von der Wut in den Frieden zu kommen.

Nächstenliebe und Gerechtigkeit waren Jesus immer ein Anliegen. Würde Jesus gendern?

Ich denke schon. Sprache ist Wandel und er stand für Wandel und Gerechtigkeit. Gendern ist Sprachgerechtigkeit. Jesus würde versuchen, alle Geschlechter anzusprechen. 2016, als die Einheitsübersetzung angepasst wurde, wurde auch angegangen, dass Jesus sie nicht nur mit "Brüder", sondern mit "Brüder und Schwestern" anspricht. Im hebräischen Ursprung findet man nämlich nicht nur die männliche Ansprache.

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