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"Tekkal & Behroz": Wie das Duo die Podcast-Szene umkrempeln will

Düzen Tekkal und Khesrau Behroz diskutieren ab sofort wöchentlich.
Düzen Tekkal und Khesrau Behroz diskutieren ab sofort wöchentlich.bild: Rachel Israela
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"Tekkal & Behroz": Wie das Duo mit seinem Format die Podcast-Szene umkrempeln will

14.07.2023, 16:15
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"Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen" und "Cui Bono: Wer hat Angst vorm Drachenlord": von diesen beiden Podcasts dürfte so gut wie jeder schon einmal gehört haben. Doch nun steht nicht etwa eine neue Folge des preisgekrönten Podcasts an, sondern Macher Khesrau Behroz und die Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal starten ihren eigenen Podcast.

Die ab 14. Juli wöchentlich erscheinenden Folgen von "Tekkal & Behroz" sind jedoch ganz anders als die "Cui Bono"-Folgen. Viel mehr wollen sie über Themen abseits des Medienmainstreams sprechen.

Watson hat mit den beiden darüber gesprochen, warum die Podcast-Landschaft diverser werden muss und wie sie bei allen Krisen die Lebensfreude nicht verlieren.

Jeden Freitag beleuchten Tekkal & Behroz ein neues Thema.
Jeden Freitag beleuchten Tekkal & Behroz ein neues Thema.bild: Rachel Israela

Watson: Khesrau, du bist bekannt für deine Storytelling-Podcasts. Warum jetzt ein Talk-Format?

Khesrau Behroz: Ich bin davon überzeugt, dass alle Podcasts Storytelling-Formate sind. Wenn die Leute nichts zu erzählen haben, müssen sie auch keinen Podcast machen. Jetzt mit Düzen ist das eine ganz neue Herausforderung, nämlich dass wir nicht ein Jahr Zeit haben, um acht Episoden vorzubereiten, sondern eine Woche, um uns zu überlegen, worüber wir sprechen: Was wollen wir erzählen, und zwar so, dass die Leute was davon mitnehmen können? Wir machen uns nicht weniger Gedanken darüber, als bei einem "Cui Bono".

"Wir werden keine heißen Eisen scheuen. Aber trotzdem können wir das mit einem Lächeln machen."
Düzen Tekkal

Ist es schwer, sich auf ein Thema der Woche zu einigen?

Düzen Tekkal: Wir schenken uns nichts. Wir sind streng zueinander. Aber deswegen machen wir den Podcast ja auch zusammen. Ich wollte ein kritisches Gegenüber. Das ist nicht immer einfach, weil wir beide sehr meinungsstarke Persönlichkeiten sind, aber genau darin liegt der Wert. Das ist wie Pingpong spielen. Wir reflektieren und hinterfragen uns selbst kritisch, aber auch den jeweils anderen. Ich habe kein Problem damit, Khesrau zu kritisieren und er mich auch nicht. Davon lebt das Format.

Wie wird euer neuer Podcast aussehen?

Khesrau: Wir werden die Leute überraschen, mit Gästen, die ab und zu dazukommen. Auch mit kleinen Einspielern oder produzierten Stücken, vielleicht reisen wir zusammen auch mal irgendwo hin und berichten davon. Düzen ist eh die ganze Zeit unterwegs und nimmt alles auf.

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Ihr schreibt in der Ankündigung: "Wir sind kein Gast, sondern Gastgeber". Was meint ihr damit?

Khesrau: Von den Leuten, die wir als migrantisch lesen, wird immer Integration erwartet. Früher hat man noch Integrations-Bambis vergeben: Man wurde dafür ausgezeichnet, dass man sich gut integriert hat. Ein gewisses Maß an neuem Selbstbewusstsein zu schaffen, ist wichtig. Zu sagen: Es ist gut, dass wir hier sind. Wir sind eine Bereicherung für dieses Land. Deswegen sind wir keine Gäste, wir sind auch Gastgeber, wir sind Teil dieser Kultur und dieser Gesellschaft. Deswegen müssen wir genauso gehört werden.

Düzen: Mit Blick auf Migration bedeutet Gast zu sein in einem Land, immer auch ein Stück weit in der Rolle des Bittstellers zu sein. Aber viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der Familie – wie Khesrau und ich – sind jetzt an einem Punkt, wo wir nicht mehr gerettet werden müssen. Das ist etwas, was uns in den Diskussionen rund um Migration zu kurz kommt. Es geht immer um Spaltungsdynamiken, um Retter, Opfer, Verfolger. Das haben wir doch schon längst überwunden. Wir möchten zeigen, dass wir ein selbstverständlicher Teil dieser Gesellschaft sind: Khesrau mit afghanischen Wurzeln, ich mit kurdisch-jesidischen. Aber wir sind halt auch ziemlich deutsch. Dieses Selbstverständnis können wir nicht erwarten oder einfordern, sondern es uns nur selber nehmen. Wir müssen diese Räume besetzen. Dieses Spiel mit den Rollen "Gast – Gastgeber" ist auch darauf bezogen, dass unsere Elterngeneration nie als Bürger behandelt wurde, sondern als Gäste. Eine geschätzte Kollegin von mir, Jagoda Marinic, hat es auf den Punkt gebracht: "Gäste fragen nicht nach Bürgerrechten."

Warum wolltet ihr zusammen einen Podcast machen?

Düzen:
Wir kommen aus Kulturen von Storytellern. Das ist das Hauptmotiv. Wir hatten das Gefühl, dass es immer noch nicht divers genug ist, wer die Geschichten in unserem Land erzählt. Unsere Lebensrealitäten und auch der Austausch mit Eltern, die aus anderen Kulturkreisen kommen, erzählen andere Geschichten. Die Podcast-Landschaft kann mehr Diversität vertragen.

Neben Diversität wollt ihr auch mehr in die Tiefe gehen.

Düzen: Wir wollen Themen aus unterschiedlichen Richtungen beleuchten. Auch aus der Richtung, aus der wir sozialisiert sind. Das hat Einfluss auf die Art und Weise, wie wir auf Themen gucken, gerade für mich, weil ich viel unterwegs bin im Kontext von Menschen- und Frauenrechten. Im Podcast ist immer ein tiefes Thema dabei. Aber es geht nicht nur darum, sich mit gesellschaftspolitischen Strukturen auseinanderzusetzen, sondern auch darum, sich auszutauschen und zu scherzen, auf der zwischenmenschlichen Ebene.

Kommt da nicht der Vorwurf, ihr nehmt die Themen nicht ernst genug?

Düzen: Mit diesem Vorwurf muss ich mich schon ein Leben lang auseinandersetzen. Aber es ist nicht so, dass Lebensfreude die Menschenrechtsarbeit nicht ernst nimmt, sondern im Gegenteil, sie verstärkt sie. Das heißt nicht, dass wir nicht politisch sind und nicht ans Eingemachte gehen. Wir werden keine heißen Eisen scheuen. Aber trotzdem können wir das mit einem Lächeln machen. Wir müssen nicht im Schmerz ersticken. Und das ist das, was Khesrau und mich ausmacht. Wenn wir uns privat treffen, lachen wir uns kaputt und diskutieren heftig. Damit ich als Aktivistin die Kraft habe, in diese krassen Themen reinzugehen, ohne dabei selber draufzugehen, brauche ich das. Das ist auch etwas, was ich anderen künftigen Aktivisten vorleben will.

Lebensfreude ist essenziell dafür, mit Krisen umzugehen?

Düzen: Es gibt für mich kaum etwas Faszinierenderes und Empowernderes, als die Frauen, die in allen Teilen Irans gerade auf die Straßen gehen – in den kurdischen Gebieten, im Kernland, aber auch in Sistan-Belutschistan –, um ein Ende der Geschlechter-Apartheid im Land zu fordern. Sie riskieren ihr Leben dafür, protestieren: Sie zeigen Haar in der Öffentlichkeit, musizieren, tanzen, machen öffentlich Sport. Alles Dinge, die verboten sind für die Frauen – auch in Afghanistan. Und auch dort regt sich der weibliche Widerstand gegen die Taliban. Das hat mich an den jesidischen Frauen fasziniert, die die IS-Gefangenschaft und -Versklavung im Zuge des Genozids im Jahr 2014 überlebt haben: Dieser unbändige Lebens- und Freiheitswille. Diese Frauen sind Vorbilder für mich! Sie bringen gesamtgesellschaftlich Wandel, als "agents of change". Das ist das, was es braucht: Hoffnung. Wir nehmen die Themen, die an Leid gekoppelt sind, verdammt ernst. Sie nehmen auch sehr viel Platz ein in meinem und Khesraus Leben. Aber wir müssen Konzepte entwickeln, wie wir das langfristig aushalten.

"Wir wollen kurz auf die Bremse treten und verstehen, was passiert."
Khesrau Behroz

Natürlich gibt es viele Dinge, über die man berichten sollte. Das Problem ist, dass sie niemand liest, Stichpunkt Nachrichtenwerte. Wie wollt ihr das lösen?

Khesrau: Es ist ein Trugschluss, zu glauben, dass Leute nur News hören. Das Problem ist eher, dass wir so wahnsinnig viele Schlaglichter bekommen und überhaupt keine Zeit haben, die einzuordnen. Wir wollen kurz auf die Bremse treten und verstehen, was passiert. Damit wir klüger werden und nicht zu Zombies, die news-infiziert durch die Gegend laufen und nicht wissen, was sie damit machen sollen. Ein großes Problem in unserer Gesellschaft ist gerade, dass wir wahnsinnig viele Krisen haben und nicht wissen, wie wir mit ihnen umgehen sollen. Nicht, weil wir die Antwort darauf nicht haben, denn die haben wir oft. Wir sind einfach nur von der schieren Menge überfordert. Deswegen bieten wir mit unserem Format etwas Entschleunigung in einer extrem bewegten Zeit.

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