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Pilze sammeln: Worauf du achten musst – Experte gibt Tipps

Pilze sammeln ist eine sehr entschleunigende Freizeitaktivität.
Pilze sammeln ist eine sehr entschleunigende Freizeitaktivität.Bild: iStockphoto / Susie Hedberg
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Pilze sammeln: Tiktok-Pilz-Profi gibt Tipps

10.09.2023, 12:1410.09.2023, 13:43
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Wenn der Wald plötzlich voller Mitte Zwanzigjähriger in stylischer Outdoorkleidung ist, weißt du, es ist wieder diese Zeit im Jahr: Pilz-Sammel-Zeit. Es ist diese wundersame Jahreszeit, in denen nicht nur die Bäume ihre Farbe ändern, sondern auch die Stadthipster ihre Gewohnheiten: Plötzlich wollen sie raus in die Natur und etwas Naturverbundenes tun – wie Pilzesammeln.

Leider ist dieses Hobby nicht ganz ungefährlich. Viele Expert:innen warnen derzeit davor, ganz ohne Hintergrundwissen "in die Pilze" zu gehen, wie man das so schön nennt. Immer mehr Menschen benutzen dabei Pilzerkennungs-Apps. Ergibt erstmal Sinn, ist es doch viel praktischer, als ein dickes Pilz-Buch mit sich zu schleppen.

Das alles braucht Tim nicht mehr.

Tim Pape ist ein Pilz-Profi. Auf seinem Tiktok-Kanal Tims_Pilze hat er bereits über 80.000 Follower, die seine Videos zur Pilzbestimmung anschauen. Der 22-Jährige studiert eigentlich E-Commerce, sammelt privat aber seit über zehn Jahren Pilze und erklärt, wo man die besten Pilze findet und was man beim Sammeln beachten muss.

Seine Freizeit verbringt Tim am liebsten im Wald, auf der Jagd nach Pilzen.
Seine Freizeit verbringt Tim am liebsten im Wald, auf der Jagd nach Pilzen.bild: privat

Watson: Tim, gerade kursieren Warnungen von Experten, wegen der Verwechslungsgefahr Pilz-Apps zu benutzen. Wie siehst du das?

Tim Pape: Die Pilz-Apps sind für mich eine ganz gute Unterstützung. Ich kenne die Pilze an sich schon so, wenn ich sie bestimme, aber ich kann es damit noch mal kontrollieren. Aus meiner Erfahrung sind die relativ präzise, aber man kann sich natürlich nicht hundert Prozent darauf verlassen. Also für mich es eine ganz gute Sache, um generell die Gattung der Pilze zu erkennen. Da kann man schon mal sehr viele andere Pilze ausschließen und nochmal weiter nachforschen, um welche Art es sich genau handelt.

"Dass der Pilz nachwächst, ist eigentlich ein Mythos, weil der Pilz nur der Fruchtkörper ist."

Wenn man noch nie Pilze gesammelt hat, sollte man sich dann vorher lieber so ein Pilz-Buch anschauen?

Es kommt ein bisschen darauf an, welches Ziel man hat. Wenn man nur Pilze zu Speisezwecken sammelt, würde ich sagen, ein Buch ist auf jeden Fall besser als die App. Aber wenn man sich nur informieren möchte, finde ich die App einen ganz guten Einstieg, weil sie sehr akkurat ist und das ist ja auch so mit Machine-Learning, dass man sie immer weiter verbessert. Aber es gibt auch Pilze, da sind die Merkmale so gleich bei verschiedenen Arten, dass die App das unmöglich bestimmen kann. Und die App kann natürlich auch so etwas wie Geruch, Standort und so nicht ermitteln, das sind aber auch wichtige Merkmale, um eine Art zu bestimmen.

Wenn man sich trotz Pilz-Buch und -App nicht ganz sicher ist – wohin bringt man die Pilze?

Da gibt es verschiedene Stellen: Auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Mykologie kann man sich einen Pilz-Berater raussuchen. Man kann sich da kostenlose Aufklärung holen. Ich wohne in Hamburg und da gibt es vier oder fünf Personen, die das auf ehrenamtlicher Basis machen. Da kann man die Pilze zur Bestimmung hinbringen, wobei man sagen muss, dass der Fruchtkörper dafür ganz entnommen werden. Deswegen sollte man die Pilze auch ganz nehmen, also nie abschneiden. Denn die Knolle ist ein wichtiges Merkmal zur Bestimmung.

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Das ist interessant, weil ich letztens erst gelesen habe, man soll die Pilze abschneiden, damit sie wieder nachwachsen.

Wenn man sich sehr gut auskennt und sich wirklich 100 Prozent sicher ist, kann man die Pilze auch abschneiden. Da wurde in der Schweiz eine ganz interessante Studie gemacht. Es ging darum, ob man Pilze rausdrehen soll oder abschneiden. Die Studie ging über 29 Jahre, ab 1975 bis 2003. Sie hatten drei Gebiete und in einem haben sie Pilze abgeschnitten, im anderen ausgedreht und im anderen gar nichts gemacht. Und sie haben geschaut: Wie entwickeln sich diese die Pilzpopulationen? Da wurde tatsächlich kein Unterschied festgestellt. Aber dass der Pilz nachwächst, ist eigentlich ein Mythos, weil der Pilz nur der Fruchtkörper ist. Das Myzel ist dezentral, wie Wurzeln unter der Erde und das wächst eh immer an anderen Stellen.

Wenn du in den Wald zum Pilzesammeln gehst, welche Ausrüstung hast du dabei?

Im Sommer würde ich auf jeden Fall eine lange Hose anziehen, um Zecken zu vermeiden. Als Ausrüstung habe ich immer mein Pilzmesser dabei, da gibt es auch welche mit einem Holzgriff und Bürste dran, um die Pilze zu säubern. Und unbedingt ein Pilzkörbchen nehmen und keine Plastik- oder Stofftüte, weil die Pilze atmen müssen. Wenn man sie in einer Plastiktüte hat, werden sie schnell matschig. Da kann eine Eiweiß-Zersetzung beginnen, das nennt man unechte Pilzvergiftung und dadurch könnte man auch Magen-Darm-Störungen bekommen.

Gibt es eine Grundregel, um zu sehen, ob ein Pilz zumindest nicht giftig ist? Es ist ja schon mal gut, wenn der Pilz einen Schwamm hat, oder?

Wenn man sich an diese Schwamm-Thematik hält, kann man sagen: Da gibt es wenige giftige Arten, es gibt aber ein, zwei tödliche Arten. Man kann nicht sagen, wenn der Pilz Schwamm oder Lamellen hat, ist das ungiftig oder giftig. Aber bei den Lamellenpilzen gibt es viel mehr giftige und sogar tödliche Pilze. Bei den Schwammpilzen muss man sich die ein oder zwei Giftigen einprägen, zum Beispiel den Satansröhrling – den sollte man auf jeden Fall vermeiden.

Wann ist der optimale Zeitpunkt, um Pilze suchen zu gehen?

Nachdem es viel geregnet hat. Man muss dann ungefähr sieben bis 14 Tage warten, bis er das Wasser aufgenommen hat und die Fruchtkörper hervorbringt. Ich warte immer ungefähr zehn Tage und gehe zwischendurch in den Wald, um zu sehen, wie es aussieht.

"Wenn du im Herbst durch den Wald gehst, atmest du mehreren Millionen [Pilz]Sporen aus der Luft ein."

Und wo sollte ich nach Pilzen suchen?

Das ist unterschiedlich. Es gibt Saprophyten-Pilze, also Folgezersetzer. Wenn im Wald ein Baum umkippt, wachsen die auf dem toten Material. Dementsprechend sind die nicht standorttreu. Dann gibt es die parasitär lebenden Pilze, die sich auf den lebenden Pflanzen befinden, das sind Baumpilze. Und dann gibt es die Mykorrhiza-Pilze, die mit dem Baum eine Symbiose eingehen und Nährstoffe austauschen, wie Steinpilze, Pfifferlinge, Birkenpilze. Die findet man immer am selben Platz. Generell kann ich empfehlen: An den Wegen kann man immer gut suchen. Denn dadurch, dass die Wege so verdichtet sind, sammelt sich die Feuchtigkeit an den Rändern und da gedeihen die Pilze am besten. Aber da laufen natürlich auch mehr Leute rum.

Welcher Pilz wird am häufigsten vertauscht?

Die meisten Leute freuen sich über Champignons. Da gibt es aber relativ viele, auch giftige, Arten. Der Karbolegerling sieht aus wie ein normaler Champignon, aber läuft gelb an bei Verletzung und er hat einen ganz speziellen Geruch nach Medizinschrank. Sollte man ihn braten, riecht man das auch. Aber wenn man es trotzdem verwechselt und isst, kann man sich eine Magen-Darm-Störung einholen. Man stirbt nicht von einer Vergiftung, aber es ist für Anfänger nicht empfehlenswert, diese zu sammeln.

Was fasziniert dich so an Pilzen?

Es ist wieder Tier noch Pflanze, es ist ein komplett eigenes Königreich. Man sagt, es gibt Fauna, Flora und dann gibt es noch die Funga, also die Pilze. Die verhalten sich ganz anders als Pflanzen und Tiere, weil dieses Myzel dezentral ist, das heißt, es wächst unter der Erde und ist das ganze Jahr aktiv. Sie bringen nur einmal im Jahr diesen Fruchtkörper hoch, entlassen dann ihre Sporen und die fliegen durch die Luft. Wenn du im Herbst durch den Wald gehst, atmest du scheinbar mehrere Millionen Sporen aus der Luft ein.

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