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Pornoregisseurin Paulita Pappel im Interview über Feminismus und Gangbang-Filme

Paulita Pappel
Pornoregisseurin Paulita Pappel stand bereits vor und hinter der Kamera.bild: privat
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Paulita, wie passen Feminismus und Gangbangs zusammen?

10.05.2024, 20:04
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Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Paulita Pappel in der Pornoindustrie. Zunächst als Darstellerin, mittlerweile als erfolgreiche Produzentin, Regisseurin und Mitgründerin der Amateur-Pornoseite "Lustery". Ab dem 10. Mai sieht man in der neuen Serie "Players of Ibiza" in der ARD-Mediathek, wie sie Männern die Bedeutung eines fairen Pornodrehs vermittelt.

Obwohl sich die 36-jährige Spanierin als feministische Regisseurin bezeichnet, produziert sie mit ihrer Firma "Hardwerk" ausschließlich Hardcore-Pornografie. Wie passt das zusammen?

Watson hat mit Paulita über ihre Arbeit, Antifeminismus und Tabus in der Pornobranche gesprochen.

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watson: Paulita, was macht einen Porno feministisch?

Paulita Pappel: Ästhetisch gibt es keinen gemeinsamen Nenner. Der einzig gemeinsame Nenner dieser Pornos ist die Absicht der Filmschaffenden, etwas anzubieten, was ihrer Meinung nach in der Gesellschaft nicht genug repräsentiert ist, eine andere Perspektive auf weibliche Sexualität zeigt und sich jenseits von heteronormativer Sexualität bewegt.

Du bezeichnest dich als feministisch, hast aber die Produktionsfirma Hardwerk explizit für Gangbang-Filme gegründet – also eine Frau, mehrere Männer. Reproduzieren solche Pornos nicht patriarchale Strukturen?

Wir produzieren auch Filme mit nicht-binären Menschen oder nur mit Frauen. Aber es stimmt, die meisten zeigen eine Frau und mehrere Männer. Oft wurde feministische Pornografie so beschrieben: Wir gucken uns Mainstream-Pornos an und machen dann genau das Gegenteil. Ich finde, das ist eine legitime Strategie. Soziale Bewegungen müssen sich oft erstmal am Status quo abarbeiten. Aber solange man das macht, hängt man in der patriarchalen, heteronormativen Logik fest.

Paulita Pappel
Paulita Pappel bezeichnet sich selbst als Feministin.bild: Megane Mercury

Gangbangs sind also nicht patriarchal geprägt?

Ich sehe Gangbangs als eine Dynamik, die sexuelle Lust im Exzess feiert. Wenn du sagst, dass Gangbangs patriarchal sind, dann lässt du dir vom Patriarchat vorschreiben, wie deine Sexualität aussehen soll. Ich selbst habe Gangbang-Fantasien und viele andere Frauen auch. Ich lasse mir das vom Patriarchat nicht wegnehmen.

Wie stehst du zu Gewalt in Pornos und Vergewaltigungsfantasien?

Pornografie darf und muss solche Fantasien darstellen. Pornos bieten einen Raum, um Fantasien in einem sicheren und gesunden Rahmen auszuleben. Wichtig ist, dass die Produktionsweisen im Rahmen des Legalen, des Fairen, des Ethischen sind. Natürlich sollte es einen öffentlichen Diskurs darüber geben, wie viel Gewalt in Filmen zu sehen ist. Aber nicht aus einer Sexualmoral heraus, sondern als Reflexion: Warum mögen wir gewaltvolle Videospiele? Warum mögen wir gewaltvolle Sexfantasien?

"Zu sagen, Sexarbeit könne nicht feministisch sein, ist zutiefst sexistisch."

Viele würden das als grenzüberschreitend bezeichnen, was du gerade beschreibst. Hast du Tabus?

Pornografie sollte juristisch als Unterhaltungsprodukt definiert werden, das im Einvernehmen gedreht und veröffentlicht wurde. Wenn eins von beidem – also Produktion oder Vertrieb – nicht im Einvernehmen stattgefunden hat, dann ist es keine Pornografie, sondern eine Straftat. Diese Linie müssen wir ziehen. Wir brauchen dringend eine Reform des Strafrechts.

Drei Viertel der Pornokonsument:innen sind Statistiken zufolge Männer. Schauen die überhaupt feministische Pornos?

Männer sind eher bereit, Geld für Pornos zu zahlen als Frauen. Weil Männer mit Pornos sozialisiert worden sind. Meine Plattform wäre wirtschaftlich nicht tragbar ohne Männer, die dafür zahlen. Das ändert sich aber langsam.

Es gibt also viele Männer, die sich bewusst für feministische Pornos und deine Plattform entscheiden?

In erster Linie zahlen sie, weil sie eine gute Wichsvorlage sehen wollen. Sie kommen nicht aus einem politischen Bewusstsein, denen gefällt einfach das Produkt. Ein großer Teil will auch einen Porno kaufen, statt ihn woanders illegal herunterzuladen. Sie haben also mindestens das Bewusstsein, den eigenen Konsum ethisch zu gestalten.

Paulita Pappel
Die Regisseurin und Unternehmerin Pappel lebt in Berlin. bild: Doro Zinn

Du setzt Pornografie synonym mit Sexarbeit. Kritische Stimmen sagen, Sexarbeit könne gar nicht feministisch sein. Warum siehst du das anders?

Zu sagen, Sexarbeit könne nicht feministisch sein, ist zutiefst sexistisch. Diese Stimmen bezeichnen sich selbst als Feminist:innen, aber dahinter steckt der Gedanke, dass Frauen immer potenzielle Opfer sind und keine selbstbestimmte Sexualität haben können. Das ist traurig. Ich habe früher aber auch so gedacht.

"Pornografie ist deutlich vielfältiger als die Öffentlich-Rechtlichen, Hollywood oder andere audiovisuelle Produkte."

Woher kommt diese Denkweise?

Von einem Gefühl der Scham und der Angst, sich mit der eigenen Sexualität auseinanderzusetzen. Alles Sexuelle stellt eine potenzielle Bedrohung für sie dar. Das ist leider das Ergebnis von jahrtausendelanger Gewalt gegen Frauen; eine Gewalt, die immer noch aktuell ist. Menschen, die sagen, Sexarbeit könne nicht feministisch sein, sind so tief von dieser Vergewaltigungskultur geprägt, dass sie nicht sehen, dass Frauen selbstbestimmte sexuelle Subjekte sein können.

Bei deiner Amateurfilm-Plattform "Lustery" zeigst du nur Pornos von Menschen, die auch privat und freiwillig sexuell miteinander sind. Aber: Wie überprüfst du das?

Wir sprechen mit allen Paaren vorab, damit wir sehen, ob sie wirklich in einer Beziehung miteinander sind. Sie schicken uns Fotos, wir schauen uns ihre Ausweise an und prüfen natürlich, dass sie über 18 Jahre alt sind. Bei ihrem ersten Videodreh müssen sie zu Beginn in die Kamera sprechen, sich vorstellen und sagen, dass dieses Video für "Lustery" und nicht zu privaten Zwecken gedreht ist. So stellen wir sicher, dass diese Menschen sich ihrer Sache bewusst sind.

Paulita Pappel
Sexarbeit kann feministisch sein, sagt Paulita Pappel.bild: Andrea Galad

Wie kann man als Konsument:in dazu beitragen, die Pornoindustrie ethisch gesehen besser zu machen?

Indem man zumindest ab und zu für Pornografie zahlt. Auf Plattformen wie "ManyVids" kann man direkt an die Performenden zahlen – ethischer geht es nicht. Oder man kauft auf Plattformen wie "Lustery" oder "Hardwerk", für die das Video produziert wurde. Wer das Geld partout nicht hat, kann Sexarbeitenden oder Plattformen auf Social Media folgen. Je mehr Follower, Likes und Shares wir haben, desto geschützter sind wir vor dem Algorithmus. Es hilft auch, offen über Pornokonsum zu sprechen, um gegen das Stigma anzugehen.

Was sind die größten Vorurteile gegenüber der Pornoindustrie?

Es gibt drei große Fehlannahmen. Erstens: "Frauen werden ausgebeutet und machen das nicht freiwillig". Im Jahr 2024 ist das so weit weg von der Realität. Die meisten Pornos werden von Frauen selbst gedreht, in Eigenregie, in den eigenen vier Wänden. Zweitens: "Pornos vermitteln immer ein normatives Bild von Frauenkörpern oder Körpern allgemein". Das stimmt nicht. Pornografie ist deutlich vielfältiger als die Öffentlich-Rechtlichen, Hollywood oder andere audiovisuelle Produkte. Man findet unterschiedliche Körper, Sexualitäten, Sexualpraktiken, Vulven.

"Es muss nicht immer das Gegenteil des Mainstreams gezeigt werden."

Und Drittens?

Alle reden über den männlichen Blick in der Pornografie. Die Idee, dass zum Beispiel ein Blowjob nur ein männliches Begehren bedient, ist einerseits komplett binär, aber auch eine falsche Annahme von Sexualität. Viele Männer performen gerne Oralsex bei Frauen. Genauso kann eine Frau Spaß daran haben, einen Mann zu befriedigen. Die Fehlannahme, dass im Porno nur Sexpraktiken gezeigt werden, die die männliche Lust bedienen, ist zutiefst sexistisch. Weil es Frauen die sexuelle Lust abspricht.

Mainstreampornos enden meist mit dem männlichen Orgasmus. Enden deine, nachdem die Frau gekommen ist?

Nochmal: Es muss nicht immer das Gegenteil des Mainstreams gezeigt werden. Pornografie ist ein Unterhaltungsprodukt, es wird oft das gezeigt, was spektakulär ist. Der männliche Orgasmus ist spektakulär, weil Flüssigkeit rauskommt. Das ist visuell reizvoll. Genauso reizvoll ist das, was als weibliche Ejakulation bezeichnet wird – das Squirten. Ich versuche, einen entspannteren Umgang damit zu schaffen und sage: Follow the flow.

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