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Lust ohne Tabus: Sextoy-Erfinderin kämpft gegen die Scham vieler Frauen

Sanja Zündorf
Sextoy-Erfinderin Sanja Zündorf gibt wichtige Tipps für die Selbstbefriedigung. Bild: Privat / Rena Brennecke
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Lust ohne Tabus: Sextoy-Erfinderin erklärt weibliche Sexualität

Sextoy-Erfinderin Sanja Zündorf spricht über heimliches Kissenreiten, die männliche Sicht auf weibliche Lust und darüber, welchen Fehler man bei Selbstbefriedigung unbedingt vermeiden sollte.
29.05.2025, 13:1229.05.2025, 13:12
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Frauen masturbieren am liebsten mit Dildos und Vibratoren – zumindest könnte man das glauben, wenn man sich den Sextoy-Markt anschaut. Sanja Zündorf hat in ihrer Masterarbeit jedoch herausgefunden, dass viele Frauen sich auch gerne an ihrem Kissen oder ihrer Decke reiben. Trotzdem spricht kaum jemand darüber, weil sich die meisten dafür schämen.

Um das Tabu zu brechen, hat Sanja einen Masturbationssattel entwickelt, den man um ein Kissen schnallen kann. Mit watson spricht die Gründerin des Unternehmens "Entzück dich selbst" darüber, wie weibliche Lust durch das Patriarchat beeinflusst wird, welchen Vorurteilen sie begegnet und welche Tipps sie hat, um die eigene Lust neu zu entdecken.

Watson: Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, ein Sextoy zu entwickeln?

Sanja Zündorf: So richtig kann ich das nicht beantworten, weil ich eigentlich nie vorhatte, ein Sextoy zu entwickeln. Ich wollte mich mit Masturbation beschäftigen und das Thema enttabuisieren. Das war mir ein persönliches Anliegen, weil ich mich als junge Frau – oder sogar schon als Kind – total dafür geschämt habe, dass ich masturbiere. Ich dachte immer, ich wäre die einzige Frau auf der ganzen Welt, die sich selbst befriedigt.

Und deshalb hast du angefangen, dazu zu forschen?

Genau. Und mir wurde klar: Diese Scham kommt nicht aus uns selbst, sondern liegt in unserer Gesellschaft begründet.

Genau dem widmest du dich in deiner Masterarbeit. Was waren deine Erkenntnisse?

Erstens: Menschen masturbieren auf ganz unterschiedliche Weise – eine normale Art gibt es eigentlich nicht. Trotzdem tragen wir alle unbewusst eine Norm in uns, mit der wir uns vergleichen. Viele denken: Wenn ich zum Beispiel ein Kissen reite, bin ich nicht normal. Das verstärkt die Scham, die mit Masturbation ohnehin schon verbunden ist.

Und zweitens?

Zum anderen habe ich herausgefunden, dass der Toy-Markt stark beeinflusst, was wir als normal empfinden. Wenn wir dort ständig phallusförmige Toys sehen, halten wir diese Form für die Norm und denken: Offenbar penetrieren sich alle heimlich. Genau deshalb habe ich mich entschlossen, ein eigenes Toy zu entwickeln – um die Macht des Marktes für die Enttabuisierung zu nutzen.

Warum gibt es so viele Dildos in verschiedenen Formen und Farben, obwohl die meisten Frauen zum Orgasmus durch klitorale Stimulation kommen?

Runtergebrochen lässt sich sagen, dass es daran liegt, dass viele Männer in der Branche tätig sind. In der Filmtheorie spricht man oft vom 'Male Gaze', wenn Frauen durch den männlichen Blick dargestellt werden. Ich glaube, dieses Phänomen finden wir nicht nur in Filmen, sondern auch in unserer Sexualität. Denn wir sehen weibliche Sexualität oft durch die männliche Brille. Deshalb gibt es viele Toys, die hetero-penetrativen Sex nachahmen.

Kannst du das ausführen?

Man glaubt, eine Frau findet sexuelle Erfüllung nur mit einem Mann. Und wenn der Mann nicht da ist, muss er durch einen Plastik- oder Silikonmann oder ähnliches ersetzt werden. Eine Frau, die keinen Penis braucht, um Erfüllung zu finden, ist sehr unabhängig – und stellt damit fast eine Gefahr für das Patriarchat dar.

Welches Vorurteil gehört noch dringend ausgeräumt?

Bei weiblicher Masturbation denkt man meistens an eine Frau, die auf dem Rücken liegt, sich irgendwie penetriert, vielleicht noch an ihren Brüsten spielt und laut stöhnt. In Wirklichkeit machen die meisten in meiner Umfrage das viel unzeremonieller – oft im Schlafanzug. Zum Beispiel noch schnell vorm Schlafengehen, weil man nicht einschlafen kann oder so. Masturbation ist also oft gar nicht so erotisch, sondern eher ein Mittel zum Zweck. Und das wird kaum anerkannt. Stattdessen wird Selbstbefriedigung oft als eine Art Performance verkauft.

Gab es für deinen Masturbationssattel auch Kritik?

Auf Instagram bekomme ich viel Gegenwind, weil das Toy ungewohnt ist. Oft lese ich Kommentare wie: 'Kauf doch einfach einen Dildo.' Aber das ist ja eine ganz andere Art der Stimulation. Viele Leute finden es eklig, mit dem eigenen Kopfkissen zu masturbieren, und sagen, dass es pervers sei. Oft geht es ihnen dabei darum, zu sagen: 'Die Art von Toy kenne ich nicht, also darf es das nicht geben.' Viele Männer schreiben auch, dass sie nicht verstehen, wie das funktionieren soll. Da denke ich mir vor allem bei Hetero-Männern: 'Dann denkt mal drüber nach.'

Sind das hauptsächlich Kommentare von Männern oder auch von Frauen?

Hate bekomme ich auch oft von Frauen. Auf Social Media lese ich Kommentare wie: 'Früher waren wir noch classy Frauen.' Oder: 'Ich bin eine Frau und würde sowas niemals machen.' Viele wollen sich vom Kissenreiten distanzieren, weil es als andersartig wahrgenommen wird. Das ist wirklich schade, weil mein Profil gerade dazu beitragen soll, dass sich niemand komisch fühlt, wenn man mit seinem Kissen masturbiert.

Gibt es auch positive Nachrichten, die dir im Kopf geblieben sind und dich gerührt oder überrascht haben?

Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich trotz des ganzen Hates immer noch viel mehr positive Nachrichten bekomme. Eine Frau schrieb mir zum Beispiel: 'Ich bin 65 Jahre alt, habe einen erwachsenen Sohn und einen Ehemann. Ich masturbiere seit meiner Kindheit mit einem Kissen und habe noch nie jemandem davon erzählt. Deine Videos haben mir gerade den Mut gegeben, das meinem Ehemann zum ersten Mal zu erzählen.'

Das macht sicher auch dir Mut.

Ja, genauso wie eine andere Nachricht, die ich unglaublich rührend fand. Sie kam von einer Frau, die, als sie jünger war, immer eine bestimmte Decke zum Masturbieren benutzt hat. Später war ihr das so unangenehm, dass sie die Decke irgendwann weggeschmissen hat, weil sie dachte: 'Ich will die nicht mehr ansehen.' Als sie mein Profil entdeckte, schrieb sie mir: 'Das hat gerade irgendwas in mir geheilt, zu sehen, dass nicht nur ich, sondern auch 66.000 Leute offensichtlich diese Art der Masturbation gut finden.'

Hast du noch Tipps für Frauen, wie man die eigene Lust erforschen kann?

Wenn man regelmäßig masturbiert, ist es wichtig, ab und zu etwas Neues auszuprobieren. Wenn wir immer wieder das Gleiche machen, gewöhnen wir uns sehr daran – durch die Neuroplastizität, die wir alle haben und die immer aktiv ist. Das bedeutet, dass das Gehirn immer dieselben 'Trampelpfade' nutzt. Man kennt das vom Zähneputzen – irgendwann denkt man gar nicht mehr darüber nach, wie man es macht. Bei der Masturbation ist es ähnlich: Wenn man sich immer auf die gleiche Weise befriedigt – sei es durch Kissenreiten, Rubbeln oder im schlimmsten Fall mit einem sehr starken Vibrator – werden andere Wege zum Orgasmus schwieriger. Irgendwann gibt es nur noch diese eine Möglichkeit, um zum Höhepunkt zu kommen.

Also lieber keine starken Vibratoren?

Doch aber in Maßen. Ein Satisfyer zum Beispiel kann von keinem Menschen imitiert werden. Wer ihn häufig nutzt, könnte Schwierigkeiten in der Paarsexualität bekommen – bis hin zu dem Punkt, an dem Orgasmen ohne ihn gar nicht mehr möglich sind. Deshalb: Einfach mal etwas Neues ausprobieren. Ein Tipp, den ich immer gebe: Verabrede dich mit dir selbst. Trage es dir vielleicht sogar in den Kalender ein, damit du dir bewusst Zeit nimmst. Und versuche auch mal, zu masturbieren, ohne unbedingt kommen zu wollen. Stattdessen kannst du einfach erkunden, was sich gut anfühlt – vielleicht entdeckst du so eine völlig neue Art der Selbstbefriedigung.

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