Regisseurin Erika Lust über VR-Erotik, Deepfakes und KI für die Sinne

Die Schwedin Erika Lust gilt als Pionierin des ethischen Pornos.Bild: PR / Monica Figueras

Porno-Ikone Erika Lust erklärt, wie die Erotik der Zukunft aussieht

Julia Dombrowsky

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Was die Besucher:innen des "House of Erikalust" in Barcelona sehen, lässt sich mit dem Fall von Alice in ein erotisches Wunderland vergleichen: Ein Waschbeckenspiegel, in dem sich vor Lust verschwitzte Handflächen gegen das Glas drücken, geheime Türen, die zu BDSM-Folterkammern führen, nackte Eisskulpturen, die langsam schmelzen.

Solche Eindrücke bekommen die Zuschauer:innen.Bild: Screenshot/PR / Erikalust

Die feministische Sexfilm-Produzentin Erika Lust hat mit eben jenem Haus, "das weltweit erste erotische Erlebnis geschaffen, das Kunst, Technologie und Porno miteinander verbindet", wie sie sagt. Durch VR-Brillen erleben die Besucher:innen Pornografie dort hautnah. Das sind Lusterlebnisse der Zukunft, ist Erika überzeugt.

So sehen die Besucher:innen dabei von außen aus.Bild: PR / IRENE_CABRE

Wir sprachen mit der Erotik-Gigantin aus Schweden über den Einsatz von KI in der Branche und was ein Klippensprung ins Meer mit Sex zu tun hat.

watson: Wie kamst du auf die Idee, ein ganzes Haus der Lust zu widmen?

Erika Lust: Ich wollte eine Umgebung schaffen, in der Begehren ohne Vorurteile erforscht werden kann und Vielfalt und Inklusivität gefeiert werden. Es geht darum, das Stigma, das Sexualität umgibt, zu brechen und Vergnügen als einen wesentlichen Teil des Menschseins zu normalisieren. Genau aus diesem Grund wollten wir Pornos aus der Heimlichkeit in den öffentlichen Raum bringen.

Wer ist bislang im House of Erikalust vorbeigekommen? Paare? Freund:innen?

Alle, die Erotik auf eine neue Weise erkunden wollen: Paare, First-Daters, Gruppen von Freund:innen und Einzelpersonen. Das Erlebnis ist so inklusiv gestaltet, dass sich alle Menschen sicher fühlen können, sich auf ihre Fantasien einzulassen und zu genießen.

Wie ist das Feedback der Besucher:innen?

Die Menschen schätzen besonders das Gefühl, einen safe space zu haben. Viele haben auch gesagt, dass es sich erstaunlich intim anfühlt und ihnen geholfen hat, zu verstehen, was feministischer Porno ist. Ihnen gefällt das echte Verlangen, das sie in den Darbietungen sehen.

Das ist in Pornos tatsächlich selten.

Einige haben angemerkt, dass sich der Inhalt weicher oder subtiler anfühlt, als sie es von Mainstream-Pornos gewohnt sind. Genau das wollen wir erreichen: weg von Stereotypen, hin zu Vielfalt und Ehrlichkeit. Uns zeigen diese Reaktionen auch, wie viel Arbeit noch vor uns liegt.

Frustriert dich das manchmal? Immerhin schauen die meisten Menschen weiterhin Mainstream-Filme, egal, wie misogyn die sein mögen.

Frustrieren nicht, aber es erinnert mich daran, warum ich diese Arbeit seit 20 Jahren mache. Die wachsende Nachfrage nach ethischen Pornos zeigt immerhin, dass die Menschen zunehmend hinterfragen, was sie konsumieren und wie es hergestellt wird. Meine Hoffnung für die Zukunft ist, dass der unabhängige, feministische und alternative Porno an Bedeutung gewinnt.

Was zeichnet den aus?

Dass die Grenzen und das Wohlergehen der Darsteller:innen im Mittelpunkt stehen, Vielfalt zelebriert wird und Vergnügen als gegenseitig dargestellt wird. Es stimmt zwar, dass die Mainstream-Tube-Sites noch dominieren, aber ich will Verbraucher:innen zeigen, dass es Optionen gibt, die mit ihren Werten übereinstimmen.

Auf riesigen Leinwänden werden Erikas' beliebteste Filme gezeigt.Bild: PR / IRENE_CABRE

Menschen mit allen Sinnen erreichen, auch über Geruch und Gefühl – ist das die nächste Dimension?

Das wäre ein entscheidender Schritt nach vorn. Wir haben mit dem "House of Erikalust" ein immersives, multisensorisches Erlebnis geschaffen. Unser jüngster Vorstoß in die virtuelle Realität ist aber erst der Anfang.

Wohin soll es weiter gehen?

Durch die Stimulierung mehrerer Sinne in einem safe space, wollen wir Pornos irgendwann nicht nur visuell, sondern auch sensorisch erlebbar machen. Die Zukunft der Erwachsenenunterhaltung liegt in der Nutzung von Technologien, die das sensorische Erlebnis verbessern. Ich glaube, dass Pornos ein unglaubliches Potenzial haben, positive Einstellung zu Sex zu vermitteln. Taktile Erfahrungen in die Erwachsenenunterhaltung zu bringen, bedeutet eine einfühlsamere Darstellung von Sexualität.

Wird künstliche Intelligenz unseren Porno-Konsum verändern?

Das tut es bereits. Wir nutzen KI, um die Kategorisierung zu verfeinern und Inhaltsempfehlungen zu verbessern, die sich an den Wünschen der Zuschauer:innen orientieren. Tools wie VR und AR öffnen auch die Türen zu immersiven, interaktiven Formaten wie 360º of Lust (Anm. d. Red. ein VR-Porno, in dem man sich um die eigene Achse drehen kann, um Menschen beim Sex in einer Lagerhalle zuzusehen). Die Möglichkeiten sind endlos.

Kann künstliche Intelligenz Pornos ethischer machen?

KI bietet großes Potenzial für ethischeren adult content: Sie verkürzt die Produktionszeiten im Schnitt um das bis zu 1000-fache. Dank dieser Effizienz können wir uns auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist: die Betreuung der Darsteller:innen und die Qualität der Story. Durch die Senkung der Kosten unterstützt die KI so indirekt die Herstellung ethischer Pornos. Außerdem kann KI eine entscheidende Rolle bei der Moderation und Sicherheit von Inhalten spielen.

Inwiefern?

KI-gestützte Tools können helfen, Plattformen auf nicht einvernehmliches Material zu überwachen, unangemessene Inhalte zu kennzeichnen und die Einhaltung ethischer Richtlinien zu gewährleisten. Durch den technologischen Fortschritt haben wir unglaubliche Möglichkeiten, die Erotikbranche zum Besseren zu verändern.

Bergen KI-generierten Pornos nicht auch Gefahren?

Einige, insbesondere Deepfakes. Diese Technologie kann Videos und Bilder manipulieren, was zu erheblichen ethischen Problemen führt. Wir evaluieren bereits KI-Algorithmen, die in der Lage sind, Deepfake-Inhalte mit einer Genauigkeit von 95 Prozent zu erkennen. Das gewährleistet, dass das von uns produzierte und verbreitete Material einvernehmlich ist. KI kann ein leistungsfähiges Werkzeug sein, um die Produktionseffizienz zu steigern und das Seherlebnis zu verbessern, aber es ist eben wichtig, dass wir sie verantwortungsvoll einsetzen. Technologie, speziell im Bereich des adult content, muss immer mit strengen ethischen Standards gepaart werden.

Du arbeitest seit Jahrzehnten in dieser Branche. Wirst du nie müde, Sex zu sehen?

Gar nicht! Ich finde Sex unbegrenzt faszinierend, weil er über das Körperliche hinausgeht, mit Begegnungen, Verletzlichkeit und Gefühlen verbunden ist. Es gibt immer etwas Neues zu erforschen, neue Geschichten zu erzählen und neue Wege, Verlangen zu zelebrieren. Deshalb werde ich des Themas niemals müde.

Neben Sex – was regt deine Sinne an? Essen? Kunst?

Für mich bedeutet Sinnlichkeit, das Leben komplett anzunehmen. Das heißt, tief in Sinneserfahrungen einzutauchen, sei es beim Genießen einer Mahlzeit, beim Versinken in einem Kunstwerk oder beim Sprung von einer Klippe ins Meer. Sinnlichkeit bedeutet, präsent zu sein und sich auf die Schönheit des Lebens einzulassen.