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Jobs mit Zukunft

Reinraumtechniker gesucht: Firmenchef über Ausbildung, Chancen und Probleme

ARCHIV - 23.09.2019, Niedersachsen, Salzgitter: Ein Mitarbeiter von Volkswagen steht in einem Reinraum zur Produktion von Batteriezellen im VW-Werk Salzgitter. Der von der EU unterst
Weitgehend unbekannt, aber gefragt wie kaum ein anderer Job: Reinraumtechniker:in.Bild: dpa / Julian Stratenschulte
Jobs mit Zukunft

Reinraumtechniker: ein Job, den niemand kennt – was echt ein Problem ist

In unserer Serie "Jobs mit Zukunft" werfen wir einen Blick auf Berufe, die für junge Menschen besonders spannend sind. Weil sie neu, zukunftssicher oder einfach anders sind. Oder weil sie die Welt auf irgendeine Weise besser machen.
02.05.2024, 08:04
Lukas Armbrust
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Bei Reinraumfertigung, Quantenverschlüsselung und Photonen-Detektoren verstehen die meisten Menschen nur Bahnhof. Für Christoph Seidenstücker gehören sie zum Berufsalltag. Er hat 2021 mit vier Kollegen aus dem Fachbereich Physik der Universität Münster das Start-up "Pixel Photonics" gegründet.

Mittlerweile wird das Unternehmen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und beschäftigt über 30 Mitarbeiter:innen. Im Gespräch mit watson erklärt Finanzvorstand (CFO) Seidenstücker, was es mit ihrem Kerngeschäft, den Photonen-Detektoren, auf sich hat, warum Reinraumtechniker:innen gerade besonders gefragt sind und vor welche Herausforderungen der Fachkräftemangel das Start-up stellt.

Seine Aussagen zeigen, wie komplex die Berufswelt ist, welche Probleme Deutschland hat und warum man als junger Mensch Jobs ins Auge fassen sollte, die man nicht sofort greifen kann.

Christoph Seidenstücker, CFO und Mitgründer von "Pixel Photonics".
Christoph Seidenstücker, CFO und Mitgründer von "Pixel Photonics".bild: Pixel Photonics

watson: Als Kind hast du wahrscheinlich noch nicht von Photonen-Detektoren geträumt. Wie ist die Idee zu "Pixel Photonics" entstanden?

Christoph Seidenstücker: Das war klassisch für ein Deep-Tech-Start-up auf einer wissenschaftlichen Konferenz. Dort stellen Forschende oft Lösungen für technische Probleme vor. Irgendwann gibt es diesen Moment, in dem jemand fragt: 'Das ist cool. Kann ich das bei euch kaufen?' Und wenn das fünf oder sechs Mal passiert, dann fangen manche Wissenschaftler, die eigentlich ihr Leben lang nur forschen wollten, an, über ein Business nachzudenken. Auch wenn das in Deutschland zu selten passiert.

"Wir haben eine Spitzenforschung in Deutschland, aber wir sind noch nicht so gut darin, die Ergebnisse daraus in den kommerziellen Bereich zu übertragen."

Kern der Arbeit bilden Photonen-Detektoren. Wie erklärt man das einem Laien?

Jeder von uns kennt die Digitalkamera am Handy. Da ist quasi ein Photonen-Detektor drin, der darauf ausgelegt ist, Millionen Lichtteilchen zu messen, um dann digital ein Bild zusammenzusetzen.

Photonen sind also kleinste Lichtpartikel und der Detektor misst sie?

Genau. Und wenn man nun eine Lichtquelle, zum Beispiel eine Glühbirne, immer weiter herunterdimmt, dann bleiben irgendwann statt Millionen Photonen nur noch hundert oder noch weniger übrig. Dann kommt man in einen Bereich, in denen man einzelne Photonen zählen könnte. Das ist nur mit speziellen Detektoren möglich und genau die bauen wir.

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Wo kommen sie zum Einsatz?

Wenn in der Medizin beispielsweise Tumorzellen eingefärbt werden, um zu beobachten, wie sich das Gewebe entwickelt, senden die Zellen auch Lichtsignale aus. Je weniger es davon gibt, desto schwieriger ist es, Veränderungen festzustellen. Deswegen gibt es in der Medizin ein großes Interesse daran, Messergebnisse im Bereich der Diagnostik zu verbessern. Dabei können Photonen-Detektoren zum Einsatz kommen.

So sieht ein Einzelphotonen-Detektorchip von "Pixel Photonics" aus.
So sieht ein Einzelphotonen-Detektorchip von "Pixel Photonics" aus.bild: Pixel Photonics

Wenn es um abhörsichere Kommunikation geht, könnten Photonen-Detektoren auch eine entscheidende Rolle spielen.

Richtig, in diesem Bereich – der Quantenverschlüsselung – liegt auch der Kern unserer Arbeit. Wenn wir miteinander kommunizieren, zum Beispiel über Whatsapp, sind unsere Nachrichten verschlüsselt. Ohne dass wir es merken, wird dabei zwischen Sender und Empfänger eine komplexe Rechenaufgabe ausgetauscht. Um so einen Nachrichtenverlauf von außen zu entschlüsseln, bräuchte ein herkömmlicher Computer tausende Jahre.

Mit der Weiterentwicklung der Quantentechnologie könnte sich das ändern.

Ein Quantencomputer könnte die Verschlüsselung in Minuten lösen. Und das bereitet gerade Sicherheitspolitikern große Sorgen, weil das im Endeffekt bedeutet, dass die Nation oder der Machtblock, der zuerst einen leistungsfähigen Quantencomputer entwickelt, jegliche Kommunikation prinzipiell entschlüsseln könnte.

Das Zukunftspotential erscheint enorm. Falls nun eine junge Person mit dem Gedanken spielt, sich beruflich dem Thema zu widmen: Welche Ausbildung muss man mitbringen?

Die Leute, die bei uns arbeiten, haben in der Regel Physik, Mikroelektronik oder in ähnlichen Fachrichtungen studiert und sich bereits während des Studiums auf die Reinraumfertigung spezialisiert. Aber eigentlich ist der Reinraumtechniker ein Ausbildungsberuf. Und da haben wir aktuell großen Bedarf.

Die Reinraumproduktion bei "Pixel Photonics" erfordert ein hohes Maß an Konzentration.
Die Reinraumproduktion bei "Pixel Photonics" erfordert ein hohes Maß an Konzentration.bild: Pixel Photonics

Ein Reinraum ist ein steriler Raum, in dem äußere Einflüsse wie Luft- und Lichtverhältnisse genaustens kontrolliert werden.

Genau. Die Produktelemente, die wir bauen, sind teils nicht größer als der Bruchteil eines menschlichen Haares. Das sind sehr feine Strukturen, mit denen man in einer hochreinen Umgebung arbeiten muss. Man trägt im Grunde den gesamten Tag ein Ganzkörperkondom und arbeitet unter künstlichen Lichtverhältnissen, was sehr anstrengend sein kann.

Findet ihr genügend Bewerber?

Generell bekommen wir nicht genügend Bewerbungen. Dieses Jobprofil ist viel zu wenigen Personen bekannt. Dabei steigt die Nachfrage immer weiter an, weil wir alle Handys und Laptops benutzen. Deshalb müssen wir Fachkräfte im außereuropäischen Ausland anwerben.

Was tut eure Firma konkret, um ausländische Fachkräfte anzuwerben?

Wir beantragen regelmäßig Blue Cards für Personen aus dem nichteuropäischen Ausland, das ist sozusagen das Gegenstück zur amerikanischen Green Card. Wir sind mittlerweile auch geübt in dem Prozess, Leute aufzunehmen. Wir kümmern uns darum, dass die Personen, die nach Deutschland ziehen, eine Wohnung finden und in ein soziales Netzwerk integriert werden. Dafür haben wir extra eine Person eingestellt, die selbst auch nach Deutschland gezogen ist und dadurch den ganzen Behörden-Marathon kennt.

Ist die deutsche Bürokratie ein großes Hindernis bei der Einwanderung?

Mit den Visa-Prozessen bin ich eigentlich gar nicht so unzufrieden. Es braucht halt eine Person, die sich darum kümmert. Aber wir hatten auch schon Fachkräfte, deren Visa abgelaufen war, und dann mussten sie auf einmal acht Stunden bei der Ausländerbehörde warten, weil sie vorher weder telefonisch noch per Mail eine Antwort bekommen haben.

"Ohne Unterstützung ist es wirklich schwierig, in Deutschland Fuß zu fassen. Man muss sich als ausländische Fachkraft wirklich durchbeißen."

Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da, wenn es um die Anwerbung von Fachkräften geht?

In Europa stehen wir in Konkurrenz zu den USA, Singapur und anderen Märkten. Gleichzeitig gibt es eine Menge hochmobiler, gut ausgebildeter Fachkräfte aus Ländern wie Indien, der Türkei oder dem Iran, die genau nach den Jobs suchen, die wir ausschreiben. Denen ist es im Endeffekt egal, in welches Land sie ziehen, weil ihnen alle fremd sind. Und genau deswegen ist es wichtig und in unserem nationalen Interesse, diese Personen anzuwerben.

Das wird von einigen Rechtsaußen-Politiker:innen angezweifelt. Wie stark beschäftigt die ausländischen Fachkräfte das politische Klima hierzulande?

Wenn in der Politik und den Medien die Emotionen hochkochen, bekommen wir schon die Frage: 'Bin ich in Deutschland als Ausländer sicher auf der Straße?' Und das kann ich auch gut nachvollziehen. Weil, wenn man einen stressigen Arbeitstag hatte und dann noch beim Bäcker blöd angemacht wird oder sich nicht sicher sein kann, dass die Kinder stressfrei aufwachsen, dann gibt es wahrscheinlich viele andere Orte, wo es einfacher ist zu leben.

Was motiviert dich, trotz dieser Herausforderungen am Ball zu bleiben?

Die Perspektive! Wir haben als Start-up einen recht guten Zugang zu Kapital durch die Förderung vom Bund und der EU. Das heißt, wir haben die Freiheit, bestimmte Dinge zu tun, die andere vielleicht so nicht tun können, zum Beispiel eine Wohnung für Fachkräfte anmieten oder Sprachkurse finanzieren.

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