Irene Bader sitzt im Vorstand des deutsch-japanischen Maschinenbau-Riesen DMG Mori, als einzige Frau natürlich. Bild: DMG Mori / Alfie Goodrich
Jobs mit Zukunft
06.09.2024, 19:1806.09.2024, 19:24
Der Maschinenbau ist noch immer alt und vor allem männlich geprägt. Soweit das Klischee. Wenn man dann aber diese Frau trifft – Vorstandsmitglied von einem der größten globalen Maschinenbau-Unternehmen – kommt man nicht drumherum, das Bild, das man bisher hatte, zu überdenken.
Irene Bader ist bei DMG Mori verantwortlich für das globale Marketing. Sie kümmert sich um die interne und externe Kommunikation. Und sie will das mit den Maschinenbau-Klischees ändern. Sie will mehr junge Menschen, Männer wie Frauen, für das Berufsfeld begeistern.
Im Interview mit watson erklärt sie, wie genau sie das anstellen will.
Blick in den Maschinenraum von DMG Mori.Bild: DMG Mori / Privat
watson: Irene, es heißt, Maschinenbau ist zukunftssicher, aber langweilig. Gehst du da mit?
Irene Bader: Dieses Klischee kenne ich natürlich. Aber wenn man sich bewusstmacht, was mit diesen Maschinen alles gemacht werden kann, dann ist das unglaublich. Wir produzieren sogar Maschinen, auf denen Teile für Mondraketenantriebe hergestellt werden können. Das ist so breit gefächert, dass ich wirklich jeden Tag mit anderen Dingen zu tun habe – und damit alles andere als langweilig.
Wie würdest du deinen Job beschreiben?
Ich versuche, die Technologie erlebbar zu machen. Die Sprache der Ingenieur:innen verständlich und weniger abstrakt.
Wie werde ich Chef:in?
Baut euch ein Netzwerk auf. Ganz ohne andere kommt man nicht weiter. Egoismus hat auch in der Chefetage keinen Platz. Es hilft oft so sehr, Menschen – auch aus anderen Abteilungen – mal anrufen zu können und um Hilfe bitten zu können.
Wie müssen gute Chef:inen heute sein?
Eine Führungskraft muss den Überblick über alle Themen bewahren und die Teams begleiten, darf sich aber nicht überall einmischen. Man muss die Teams machen lassen. Es funktioniert gerade mit jungen Menschen nicht, wenn ich hingehe und sage: Mach das so und so, denn wir haben das immer so gemacht. Die Welt verändert sich permanent. Und junge Menschen wissen am besten, wie.
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Es gibt das Klischee, dass die junge Generation weniger eigenständig ist.
Meine Erfahrung ist, dass Kolleg:innen, die Anfang oder Mitte 20 sind, sich viel mehr trauen. Die haben kein Problem damit, ihre Meinung zu sagen.
Kannst du sagen, was man verdient, wenn man als junger Mensch bei DMG Mori anfängt?
Das ist ganz unterschiedlich, weil es immer auf den Bereich ankommt, wo man anfängt. Da wir ein globales Unternehmen sind, sind die Gehälter auch von Land zu Land unterschiedlich. Aber bei uns wird sehr darauf geachtet, dass unsere Mitarbeiter:innen ein gutes Leben haben.
Arbeitest du viel mit jüngeren Kolleg:innen zusammen?
Gerade in München habe ich ein ganz junges Team. Und ich muss sagen, mir macht das total Spaß. Es ist schön, zu sehen, wie offen und experimentierfreudig die jüngeren Kolleg:innen sind und wie sehr sie damit das gesamte Team bereichern.
Über die junge Generation wird in der Arbeitswelt nicht nur positiv gesprochen. Zu Unrecht?
Die Jüngeren haben ein komplett anderes Mindset, was die Arbeit angeht. Die wollen nach einem Arbeitstag nach Hause, abends die Kinder aus der Kita holen und am Wochenende bei der Familie sein. Das wird immer mehr. Und ich finde das komplett positiv.
Irene Bader ist sechs bis acht Mal im Jahr in Japan. In München baut sie eine neue Europazentrale auf.Bild: DMG Mori / ALFIE-GOODRICH
Wie blickst du auf Teilzeit-Wünsche?
Wir sehen das vor allem bei jungen Müttern, weil es den Wiedereinstieg in den Job erleichtern kann. Aber auch bei anderen. Und wir versuchen das, wann immer es möglich ist, auch umzusetzen. Meine Erfahrung ist, dass Mitarbeiter:innen das zu schätzen wissen und dann auch zurückgeben. Es geht überhaupt nicht um die Zeit, die jemand im Büro ist, sondern um die Effektivität, mit der man in dieser Zeit arbeitet. Warum sollte Teilzeit also ein Problem sein?
Du bist bei DMG Mori die einzige Frau im Vorstand. Wie ist das für dich?
Dadurch, dass ich mein ganzes Leben im Maschinenbau arbeite, kenne ich es nicht anders. Eine von wenigen Frauen zu sein, ist für mich alltäglich.
Was sind deine drei Learnings als Frau in der Führung eines großen Unternehmens?
Das erste Learning ist: Es geht. Es gibt Menschen, die glauben, im Maschinenbau sei die gläserne Decke aus Panzerglas. Klar ist: Der Maschinenbau ist eine männerdominierte Branche. Das wollen und müssen wir ändern und aufbrechen. Aber das passiert auch schon. Bei uns im Marketing liegt der Frauenanteil bei 50 Prozent. Und auch in anderen Bereichen haben wir immer mehr Kolleginnen.
Was ist das zweite Learning?
Es funktioniert nur mit Authentizität. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, ob es problematisch sein könnte, dass du als Frau in einem Männer-Bereich arbeitest. Sei einfach du selbst und mach.
Können die Männer da nicht auch nerven?
Das ist vielleicht das dritte Learning: Männliche Kollegen nerven nicht mehr oder weniger als andere Frauen das tun könnten. Ich kann das wirklich nicht auf ein Geschlecht festlegen.
Wie wollt ihr mehr Frauen in die Branche holen?
Ein Girls Day im Jahr ist auf jeden Fall viel zu wenig. Wichtiger finde ich, dass wir das ganze Jahr über gezielt Schulungen für Kinder und Jugendliche anbieten und die Technik erlebbar machen. Genau das haben wir vor in unserem Headquarter in München. Dennoch will ich nicht nur den Fokus auf Frauen legen: Ich möchte junge Menschen für den Job begeistern – die Frauen genauso wie die Männer.
Wie funktioniert Maschinenbau und was ist DMG Mori?
DMG Mori ist ein Hersteller von Werkzeugmaschinen, bei dem 13.000 Mitarbeitende an 17 Standorten in der ganzen Welt arbeiten (davon 4000 in Japan, 4000 in Deutschland). Das Unternehmen baut Maschinen für Flugzeugbau, Medizin oder alltägliche Dinge wie Formen für Handyhüllen. Allgemein läuft es beim Maschinenbau so: Kund:innen haben ein bestimmtes Teil im Kopf, das sie bauen möchten – und die Firma stellt dann die Maschine her, mit der das möglich ist.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit einem Land am anderen Ende der Welt?
Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede zwischen Japan und Deutschland. Aber gerade das macht meinen Job so spannend. Wir lernen voneinander. Ein Beispiel: Vor 20 Jahren zog sich die Arbeitswoche in Japan von Montag bis Samstag und Japaner:innen waren jeden Tag ewig im Büro. Sie haben oft nicht mal ihren Urlaub genommen. Das ist inzwischen glücklicherweise anders, da sich die Arbeitsbedingungen an die Verhältnisse in Deutschland angeglichen haben. Und was das Technologische angeht, lernen wir permanent voneinander.
Zuletzt haben viele Unternehmen Produktionen ins Ausland verlegt. Porsche, Miele, Otto. DMG Mori eröffnet stattdessen ein Headquarter in München. Warum?
Wir sind ein Zusammenschluss aus ehemaligen Konkurrenten aus Deutschland und Japan. Das heißt: Wir haben hier in Deutschland Werke und viele Mitarbeiter:innen und dem wollten wir Respekt erweisen. Dazu kommt: Wenn man in Japan oder den USA an Europa denkt, liegt Deutschland als Standpunkt sehr zentral. Aber wir glauben auch nach wie vor fest an den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Und was ist mit der Deindustrialisierung, von der alle sprechen?
Keine Frage: Wir befinden uns gerade wirtschaftlich in keiner leichten Situation. Es war für manches Unternehmen schwierig. Aber Krisen gab es auch in der Vergangenheit immer wieder, 2006 und 2009 zum Beispiel. Ich bin überzeugt, dass es in ein paar Monaten wieder bergauf geht. Es gibt immer noch so tolle Unternehmen in Deutschland. Zudem gibt es viele Forschungseinrichtungen, wir haben eine große Start-up-Szene. Das ist ein riesiges Potenzial, das wir viel sichtbarer machen sollten, statt nur über das Negative zu sprechen. Im Ausland ist unser Ruf sehr gut, nach wie vor.