
Milena Bird lebt in Los Angeles, doch auch in Deutschland gibt es ihren Beruf, sagt sie. Bild: instagram.com/milenajoelle_
Jobs mit Zukunft
In unserer Serie "Jobs mit Zukunft" werfen wir einen Blick auf Berufe, die besonders spannend sind. Weil sie neu, zukunftssicher oder einfach anders sind. Oder weil sie die Welt auf irgendeine Weise besser machen.
Manche Berufe sind noch so neu, dass sie keinen festen Ausbildungsweg oder einen Stand auf der Jobmesse haben. Dennoch gibt es Menschen, die bereits in ihnen arbeiten. Milena Bird ist eine von ihnen.
Die Hamburgerin, die inzwischen in den USA lebt, ist Influencer-Managerin, angestellt in einer PR-Agentur. Ein Job, der "oft anstrengend", aber dafür auch "niemals langweilig" ist, sagt die 33-Jährige.
Mit watson sprach sie über die Zusammenarbeit mit den Promis der Neuzeit, hohe Gagen und blöde Vorurteile.
"Influencer sind die neuen Celebrities."
"Ich bin ausgebildete Journalistin und habe in Deutschland jahrelang im People-Bereich gearbeitet. Allerdings hatte ich zunehmend das Gefühl, dass die Branche eingeht und daher mit Mitte zwanzig noch einmal Marketing in den USA studiert.
Ich begann im Social-Media-Marketing zu arbeiten und mich auf Influencer zu konzentrieren. Für mich war das ein logischer Schritt, da ich ja aus dem Bereich der Promis kam – Influencer sind die neuen Celebrities.
Arbeit als Schnittstelle zwischen der Brand und dem Influencer
Zu Beginn habe ich in einem Content-Studio in Los Angeles gearbeitet. Dort bekamen Influencer die Haare gestylt, das Make-Up und Set bereitgestellt, um ihre Produkte zu vermarkten.
Inzwischen arbeite ich vor allem remote für die Agentur Beach House PR und zwar auf Seite der Brands, nicht der Talente. Das heißt: wir entwickeln Marketing-Strategien für Firmen, die auf Social Media werben wollen. Wir überlegen uns, wie die Kampagne aussehen müsste, damit sie hohe Reichweite entwickelt und kontaktieren dann passende Influencer, um die Konditionen zu besprechen.
Da geht es dann um die Do's und Don'ts: Wie oft muss das Produkt in die Kamera gehalten werden, was dürfen die Influencer nicht sagen, welche Hashtags sollen sie verwenden. Dann wird das Gehalt besprochen. Das ist immer ein Drahtseilakt. Denn natürlich hat der oder die Klient:in nur ein gewisses Budget, die Influencer fordern aber sehr hohe Gagen – meist trifft man sich in der Mitte.
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Nachdem der Influencer seinen Content erstellt hat, schickt er uns den zu. Erst nicken wir den ab, dann unser:e Auftraggeber:in, erst dann wird gepostet. Im Nachgang schicken uns die Influencer noch ihre Insights. Die zeigen uns, wie erfolgreich der Post war.
"Wenn ich sehe, dass jemand, dem ich schon lange folge, meine kreative Arbeit postet (...) macht mich das superstolz!"
Wie hoch war die Reichweite? Wurde der Beitrag geliked, geshared? Das sich aus diesen Faktoren ergebende "Earned Media Value" sollte höher sein als das ausgegebene Geld, sonst hat sich die Zusammenarbeit nicht gelohnt. Das wäre auch ein Learning für das nächste Mal.
Manchmal organisieren wir auch Influencer-Events, ein Dinner, eine Cocktail-Hour oder eine Staycation, zu denen wir eine Gruppe Talents einladen, damit sie viel posten. Wir haben zum Beispiel mal eine Gruppe amerikanischer Influencer für Sponsoren zum Oktoberfest nach München geflogen.
Grundsätzlich geht es um den richtigen Influencer zum richtigen Produkt und richtigen Zeitpunkt. Wenn sich zum Beispiel eine Shampoofirma meldet, die mit einem Moisturizing-Effekt wirbt, suchen wir nach Creatoren, die für ihre Haare bekannt sind und einen Sommerurlaub mit viel Meerwasser und Sonne planen. Das ergäbe Sinn und schöne Bilder.
Persönliche Begeisterung für die Online-Trends ist unerlässlich
Um das gut machen zu können, sollte man sich persönlich für die Materie interessieren und die Trends und Trendsetter:innen – bei mir eben im Beauty-Bereich – permanent beobachten, sonst verliert man den Anschluss. Das geht nur, wenn es einem Spaß macht.
Ich sage immer: "I made my hobby my job". Denn ich verbringe auch privat total viel Zeit am Scrollen. Insofern freue ich mich, in dieser Welt arbeiten zu können. Wenn ich sehe, dass jemand, dem ich schon lange folge, meine kreative Arbeit postet und es am Ende vielleicht noch viral geht, macht mich das superstolz!
Übrigens ist es nicht so, dass es keine deutschen Influencer-Manager gäbe, nur weil ich zufällig in den USA geblieben bin. Ich allein kenne mehrere Ex-Kolleginnen, die jetzt im Talent Management in Deutschland arbeiten.
Irgendwie witzig, denn vor ein paar Jahren gab es den Beruf so noch gar nicht. Ich finde das aufregend, denn dadurch ist auch immer Bewegung drin. Das ist das Beste, aber auch das Schlimmste daran: manchmal funktionieren Dinge plötzlich nicht mehr, die sich jahrelang bewährt hatten, weil eine Plattform ihre Richtlinien ändert.
"Die Zeiten, in denen es Influencern reichte, ein Gratis-Produkt zu bekommen, (...) sind vorbei."
Das kann zäh und frustrierend sein, auch weil man Kund:innen erklären muss, warum ihr Plan so nicht umzusetzen ist. Die Aufmerksamkeitsspanne sinkt mit jeder neuen Plattform und wer nicht innerhalb von Sekunden abgeholt wurde, ist als Zuschauer:in weg.
Ein ewiges Debattenthema sind aber auch, wie schon erwähnt, die Gehälter der Influencer. Die sind unglaublich teuer, das unterschätzen die Brands oft. Die Zeiten, in denen es Influencern reichte, ein Gratis-Produkt zu bekommen, um es in die Kamera zu halten, sind vorbei. Die wollen Gagen!
PR-Jobs wie meiner sind nichts für schüchterne Menschen
Das bedeutet unterm Strich: viel vermitteln, viel Händchenhalten, viele Mails, viele verständnisvolle Worte. Kein Wunder, dass die meisten meiner Kolleg:innen auch aus Kommunikations-Jobs kommen.
Man sollte reden können, offen sein, keine Angst vor Smalltalks haben, denn man ist eben auf Events, muss ständig neue Leute kennenlernen. Es müssen Beziehungen mit Influencern aufgebaut werden, das ist nichts für schüchterne Menschen. Man muss ganz genau zuhören, was die Leute wollen. Das ist das Geheimnis.
"Views hin oder her, wenn die Produkte nicht erworben werden, war die schönste Kampagne umsonst!"
Ich bin zwar kein Mathegenie, aber grundsätzlich hilft es, sich auch mit Zahlen auszukennen, um die Engagement-Rate der Influencer realistisch abzuschätzen – ohne Statistik geht das nicht. Man muss sichergehen, dass der Influencer echte Follower hat, keine gekauften. Denn: Views hin oder her, wenn die Produkte nicht erworben werden, war die schönste Kampagne umsonst!
Immer wieder höre ich das Vorurteil, dass "influencen" kein richtiger Job wäre. Wer das sagt, begreift nicht, wie professionell die meisten arbeiten. Die Leute sehen nur fünf Minuten, aber der Prozess dahinter dauert Wochen von Strategiemeeting bis zur Videobearbeitung.
Die Kanäle der Werbung ändern sich, doch der Kern bleibt
Für mich sind Influencer das Äquivalent zu Zeitschriften. Sie stellen Neuigkeiten vor, testen Produkte und transportieren einen Lifestyle. Früher gab es dafür Print, dann Blogs, dann Youtube, Facebook, Insta, jetzt Tiktok...
Die Plattformen ändern sich, aber nicht das Prinzip: Menschen wollen anderen Menschen bei ihrem Leben zuschauen, sich unterhalten und inspirieren lassen.
Bis zur Rente werde ich meinen Job, so wie er jetzt ist, sicher nicht machen können, aber es wird weitergehen, da bin ich zuversichtlich. Die User:innen altern ja auch. Es gibt Influencer, die sind 50 Jahre und geben gerne Geld für tolles Waschmittel oder luxuriöse Kerzen aus – das ist auch ein Markt.
Marketing wird es immer geben, genauso wie Menschen, die Unterhaltung lieben und damit immer einen Job für mich. Keine Ahnung, wie der in zwanzig Jahren aussehen wird, nur langweilig ganz sicher nicht.