Egal ob neue Laptops, Lampen oder Keyboards – wenn sie beim Onlinehändler Amazon zum Ladenhüter werden, landen sie häufig ungenutzt im Müll. Das haben gemeinsame Recherchen des Nachrichtenportals "Business Insider" und dem ZDF-Investigativ-Format "Frontal" ergeben. Der Bericht stützt sich auf Aussagen von Mitarbeiter:innen, Fotos aus Lagerhallen und interne "Vernichtungslisten" von Amazon.
In den Logistikzentren des Onlinehändlers sollen allein in den letzten zwei Jahren Hunderte Tonnen Ware weggeworfen worden sein, die zum Teil neu waren. Das Rechercheteam zeigt dazu Fotos, die angeblich von anonymen Mitarbeiter:innen in den Lagerhallen Amazons aufgenommen wurden. Darauf sieht man Paletten unausgepackter Ware, die mit dem Hinweis "Remove" (dt. Entfernen) versehen wurden.
"Business Insider" gibt zudem an, eine rund 120-seitige interne Amazon-Liste vorliegen zu haben, die das Ausmaß der Warenvernichtung dokumentieren soll. Demnach wurden in den letzten anderthalb Jahren – allein in Deutschland und nur in der Kategorie Product/Verschiedenes – knapp 1840 Tonnen weggeworfen.
Ein Amazon-Insider, der erst kürzlich die Vernichtung zweier Paletten neuer Babydecken beobachtet haben will, soll laut "Business Insider" gesagt haben: "Die Ware hätte gespendet werden müssen. An Flüchtlinge aus der Ukraine oder direkt in die Region. Es blutet einem schon das Herz."
Laut dem Insider soll die Warenvernichtung bei Amazon "nicht palettenweise, sondern Lkw-weise" geschehen. "In jedem Lager", fügte er demnach an.
Das Rechercheteam hat Amazon mit den Vorwürfen konfrontiert. Eine Sprecherin soll daraufhin mitgeteilt haben, dass der Begriff "vernichtet" irreführend sei. "Wir haben diese Produktmanagementkategorie in 'entfernen' umbenannt, um die damit verbundenen Prozesse besser wiederzugeben".
Weiter sagte die Sprecherin angeblich, dass von Amazons eigenen Produkten weniger als ein Prozent entsorgt oder recycelt werde. Doch mehr als die Hälfte der weltweit über Amazon verkauften Produkte stamme von Partnerunternehmen. "Es liegt an den Verkaufspartnern, zu entscheiden, was mit den Waren geschieht", soll die Sprecherin erklärt haben.
Im Falle von Produkten, die nicht verkauft oder gespendet werden können, sei es die "Priorität" Amazons, diese zu recyclen. Man sei gerade dabei, diese Recyclingquote zu verbessern.
Vor allem beim Spenden gibt es für Amazon aber offenbar ein Problem: Das Rechercheteam zitiert Mitarbeiter:innen, laut denen es für Konzerne wie Amazon deutlich teurer sei, die Ware zu spenden, als sie zu vernichten. Auf das Spenden von Waren wird nämlich eine Steuer erhoben.
Außerdem sollen die Insider kritisieren, dass die Politik Amazon nicht auf die Finger schaue. So könne das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das genau solche massenhaften Warenvernichtungen eindämmen soll und erst vor vier Jahren verschärft wurde, einfach umgangen werden. Tatsächlich hat das Bundesumweltministerium gegenüber dem Rechercheteam eingeräumt, dass auf unrechtmäßige Warenvernichtungen keine Bußgelder erhoben werden.