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Prostitution in Deutschland: Wie man die Situation verbessern kann

Participants hold placards reading 'Sexwork is work' during a demonstration for the rights of sex workers and prostitutes and against the criminalisation of sex work, in Paris on April 8, 20 ...
Immer wieder gehen Aktivisten für die Rechte von Sexarbeitern auf die Straße.Bild: AFP / Getty Images
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Prostitution in Deutschland: Was sich an der Situation ändern muss

04.03.2025, 18:3404.03.2025, 18:34
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Der 3. März ist der internationale Tag für die Rechte von Sexarbeiter:innen. Nichts dazu gehört oder gelesen? Ich auch nicht. Dabei könnte in naher Zukunft eine große Veränderung in Bezug auf die rechtlichen Bedingungen für Sexarbeit in Deutschland die Branche grundlegend verändern.

Die Rede ist vom nordischen Modell, das ein sogenanntes Sexkaufverbot mit sich bringt. Das bedeutet: Sexarbeiter:innen können nicht rechtlich für ihre Dienste und Angebote belangt werden, aber die Freier:innen machen sich strafbar. In Frankreich und in Schweden gilt dieses Verbot bereits – gebracht hat es bisher nichts.

Das nordische Modell in der Praxis: Erfolge bleiben aus

Dass das nordische Modell in Frankreich keine Besserung bringen konnte, analysiert auch "der Freitag" und zieht dafür Daten der Europäischen Union zu. Unser Nachbarland verzeichnet seit Jahren höhere Zahlen von Menschenhandel als Deutschland, seit Einführung des Sexkaufverbotes im Jahr 2016 sollen diese Zahlen noch weiter gestiegen sein.

"Ob diese Zunahme daran liegt, dass die Verfolgung einfacher wird oder die Kriminalisierung der Sexarbeit der Ausbeutung Tür und Tor öffnet, kann man sich streiten", heißt es bei "der Freitag" dazu. Fakt ist: Gesunken ist die Zahl nicht.

Und obwohl das Sexkaufverbot bisher keine Erfolge in anderen Ländern gezeigt hat, will der voraussichtlich künftige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) dieses einführen. "Zum Schutz der Frauen", heißt es seitens Merz, der noch im Jahr 1997 gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe stimmte. 2006 stimmte Friedrich Merz gegen das Gleichbehandlungsgesetz, das Frauen vor Diskriminierung schützen sollte.

Die CDU/CSU-Fraktion hat sich bereits im Februar letzten Jahres für das nordische Modell ausgesprochen, auf ihrer Webseite findet man dazu folgenden Beitrag:

"Schätzungsweise 250.000 Prostituierte gibt es in Deutschland und ihre Lage ist größtenteils elend. Zwang, Gewalt und Ausbeutung prägen die Szene. Vorschriften zum Schutz der Frauen laufen ins Leere. Deshalb fordert die CDU/CSU-Fraktion einen radikal anderen politischen Ansatz: Sie verlangt die Bestrafung von Freiern und Zuhältern sowie das Verbot von Bordellen. Prostituierte selbst sollen jedoch Schutz erhalten und straffrei bleiben. Der Ausstieg soll ihnen erleichtert werden."

An dieser Stelle muss wohl zunächst eine grundlegende Unterscheidung gemacht werden: zwischen Sexarbeit und Prostitution. Denn Sexarbeiter:innen führen Sexarbeit freiwillig aus. Sie machen diesen Beruf selbstbestimmt und zu ihren Konditionen. Über Prostitution wird primär gesprochen, wenn die Prostituierten diese Arbeit nicht freiwillig ausführen oder sogar durch Hinterhalte und Menschenhandel in die Position gebracht worden sind, von diesem Beruf abhängig zu sein.

Dass gegen eine erzwungene Prostitution, die gegen den Willen der Personen geschieht, etwas unternommen werden muss, steht natürlich außer Frage.

Nordisches Modell in Deutschland? Sexarbeiter in Sorge

Würde das nordische Modell in Deutschland eingeführt werden, würde das für die Branche der Sexarbeit viele Veränderungen bedeuten und die Existenz von Sexarbeiter:innen gefährden. Freier:innen würden nicht mehr in öffentliche Bordelle gehen oder Sexarbeit in einem geschützten Raum in Anspruch nehmen aus Angst davor, erwischt zu werden. Damit würde die Sexarbeit in den Untergrund und auf den Schwarzmarkt verbannt werden.

Das mag für die Mehrheitsgesellschaft wie ein Randthema wirken, aber wie wir mit Sexarbeit umgehen zeigt auch, wie weit – oder rückständig – wir in Sachen Sexismus und Misogynie sind, macht eine ehemalige Sexarbeiterin bei einem Panel-Talk von Erobella deutlich.

Die Plattform, bei der Sexarbeiter:innen ihre Dienste legal und selbstbestimmt anbieten können, hat im Rahmen des Internationalen Tages für die Rechte von Sexarbeiter:innen zu diesem Talk eingeladen. Man merkt den Teilnehmenden an: Sie sind frustriert darüber, in dieser Gesellschaft oft nicht ernst und nicht wahrgenommen zu werden.

Sexarbeiter sehen nordisches Modell als Bedrohung

Das nordische Modell, da sind sich alle einig, ist eine Bedrohung für sie – und dient nicht ihrem Schutz, wie es Friedrich Merz und die CDU/CSU-Fraktion ausdrücken.

Ein Sexarbeiter und Panel-Talk-Teilnehmer findet zu dieser Argumentation deutliche Worte: "Wenn es darum gehen würde, Frauen zu schützen, müsste man die Ehe verbieten." Damit spielt er auf all die Femizide an, die durch (Ex-)Partner, meist aufgrund von Eifersucht oder der Angst, verlassen zu werden, begannen werden.

Die ehemalige Sexarbeiterin im Panel-Talk macht weiterhin deutlich, dass nicht nur ein Fokus auf die Legalisierung von Sexarbeit wichtig ist, sondern auch eine Entstigmatisierung.

Denn dann wäre es auch Sexarbeiter:innen möglich, in Notfällen die Polizei zu rufen und von dieser ernst genommen zu werden. Dann wäre es möglich, für diesen Beruf nötige Hilfsmittel oder Gesundheitschecks zu bekommen, ohne für die Berufswahl verurteilt zu werden.

Auch der Verein Hydra e.V., der sich seit 1980 für die rechtliche und soziale Gleichstellung von Sexarbeiter:innen mit anderen Erwerbstätigen einsetzt, greift auf seiner Webseite den Punkt der Stigmata auf: Der Diskurs rund um die Sexarbeit sei verzerrt von veralteten Moralpredigten, Sexarbeiter:innen würden oft als "zu faul" für "richtiges Arbeiten" dargestellt.

Der Verein Hydra e.V. stellt auf seiner Webseite auch nochmal klar: Sexarbeit ist richtige Arbeit. Und auch wenn die Mehrheitsgesellschaft gerne so tue, als hätte sie damit keine Berührungspunkte, zeige die hohe Nachfrage auf Pornoseiten das Gegenteil.

Hinzu kommt laut Hydra: "Wenn einer Personengruppe Rechte weggenommen werden, kann es auch alle Anderen treffen." Was es also eigentlich braucht, ist ein gesellschaftlicher Aufbruch der Stigmata rund um Sexarbeit und damit einhergehend mehr Rechte und dadurch eine verbesserte Arbeitsqualität. Durch weitere Verbote wie das nordische Modell ist Sexarbeiter:innen nicht geholfen.

Ob das nordische Modell nun kommt oder nicht, bleibt erstmal abzuwarten. Denn noch hat die CDU/CSU-Fraktion keine Koalitionspartner, deren Stimmen bei der Entscheidung ausschlaggebend sein werden.

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