Fini (21) hatte sich zusammen mit ihren drei Freundinnen einen Tinder-Account erstellt. Abwechselnd swipten sie bei einer Flasche Wein hin und her. Bis sie ein Match mit Kenny (25) hatten. Hingehen sollte Fini. Doch was folgte, war eine Odyssee.
Kenny ist eigentlich nicht unbedingt mein Typ, überlegte ich. Aber schlecht sah er nun auch nicht aus und irgendwie wirkte er vertrauenerweckend, befand ich schließlich. Und schon vibrierte mein Handy und er hatte mir eine Nachricht geschickt.
Ganz aufgeregt antwortete ich auf die ersten Nachrichten noch gemeinsam mit meinen Freundinnen. Doch als der Wein leer war und der Abend spät, machte ich mich zugegebenermaßen etwas beflügelt auf den Heimweg.
Ich hatte mich kurz zuvor von meinem ersten Freund getrennt und war für das Studium in eine neue Stadt gezogen. Neue Stadt, neues Glück – warum nicht auch in der Liebe, dachte ich mir noch zu diesem Zeitpunkt.
Ich war schon immer der Typ Mensch, der zwar lange braucht, um Vertrauen zu einer neuen Person aufzubauen, allerdings brauche ich dazu auch gemeinsame Zeit. Erste Dates sollten folglich gerne schnell stattfinden. Ewiges Hin- und Herschreiben nervt doch einfach nur.
Hinzu kommt: Ich bin sehr skeptisch. Stichwort Vertrauen. Zu viele Horror-Storys hatte ich von Freund:innen schon gehört, die von misslungenen ersten Dates berichteten. Wer weiß, ob Kenny tatsächlich echt ist? Ob er so aussieht, wie auf den Fotos?
Meinem Misstrauen geschuldet – und natürlich der Neugierde meiner Freundinnen – kamen die drei natürlich mit zum vereinbarten Treffpunkt unseres ersten Dates. Wir wollten uns in der Nähe meiner Uni treffen und von dort in die Innenstadt laufen. So der Plan.
Meine Freundinnen kauerten hinter einer Ecke an der Uni, während ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf Kenny wartete. Nein, ich hatte mich natürlich nicht extra zurechtgemacht. Und nein, ich war natürlich auch kein bisschen aufgeregt. Zumindest letzteres versuchte ich mir in den folgenden Minuten, die sich wie Stunden anfühlten, einzureden. Was zugegebenermaßen mehr schlecht als recht klappte.
Irgendwann, vielleicht nach 20 Minuten und einigen Whatsapps an Kenny, beschlossen wir, die Mission abzubrechen.
Ich war traurig. Hatte ich doch so lange gebraucht, um mich überhaupt auf die Idee einzulassen.
Eigentlich wollte ich von Tinder und Kenny nun nichts mehr hören. Doch meine Freundinnen überredeten mich, ihm zu antworten, als er sich bei mir meldete.
Immerhin: Seine Entschuldigung klang sinnvoll. Er weckte meine Empathie. Denn Kenny erklärte mir in den folgenden Nachrichten hochemotional, dass sein bester Kumpel vor kurzem bei einem Motorradunfall gestorben sei. Und tatsächlich: die Beschreibung passte zu einem Bericht, den wir daraufhin im Internet zu dem Unfall fanden.
Also beschloss ich, ihm noch eine Chance zu geben. Doch aus einer Chance wurden zehn. Mindestens. Ich hörte irgendwann auf, zu zählen.
Noch einmal begab ich mich in den folgenden Tagen zu einem weiteren Treffpunkt. Ein neuer Versuch, Kenny richtig kennenzulernen. Aber auch da ließ er mich stehen. Ein weiteres Mal machte ich mich zumindest noch zu Hause zurecht, aber lief schon gar nicht mehr los, aus Angst, dass ich erneut versetzt werde.
Ab dem Zeitpunkt glaubte ich dann aber sowieso nicht mehr daran, dass ein Treffen wirklich zustande kommen wird. Meine einzige Hoffnung war: Wenn ich ihm genug Zeit geben würde, wird vielleicht in Zukunft doch was draus.
Doch dem war natürlich nicht so.
Er gab sich bemüht, versuchte den aktuellen Zustand seiner Psyche durch den Verlust zu erklären. Vielleicht wollte ich ihm auch deshalb nicht ins Gesicht sagen, dass die Sache für mich ohnehin gelaufen war. Also ließ ich seine vermeintlichen Annäherungsversuche und neue Dating-Ideen erst einmal weiterlaufen.
Bis er mich ghostete. Was hab ich ihm denn jetzt getan, fragte ich mich etwas wütend. Ghosten kann ich wirklich gar nicht leiden. Ich komme viel besser damit klar, wenn man mir ins Gesicht sagt, dass man mich doof findet. Wenn eine sauer sein dürfte oder jemanden ghosten sollte, dann war das ja wohl wirklich ich!
Meine Freundinnen zwangen mich zwei Wochen später dazu, seine Nummer zu löschen. Doch nicht, um vorher noch einmal ein letztes Mal sein Whatsapp-Bild und -Status zu checken.
Und was entdeckten wir? Ein neues Profilbild. Das hatte er in den vergangenen Wochen mehrfach geändert. Allerdings immer zu einem neuen alten Bild mit seinem verstorbenen besten Kumpel.
Diesmal war er kuschelnd mit einer anderen Frau zu sehen. Im Status ihr Name mit vielen roten Herzen: Lena.
Was an seinen Storys nun wahr und was erfunden war – spätestens da wusste ich es nicht mehr. Und ich habe gelernt: Skepsis ist im Online-Dating absolut angebracht.