Es heißt, wenn man etwas gegen den eigenen Willen macht und für jemand anderen, sei das ihm oder ihr "zuliebe". Doch selbst die erfüllteste Romanze kann manche Lebensenttäuschungen nicht überdecken. Einige Lebenswünsche sind so groß, dass der Verzicht auf sie zu viel verlangt ist und das "einfach mal ausprobieren" genauso.
Zum Beispiel bei der Frage: Ins Ausland auswandern? Gemeinsam selbstständig machen? Einen alten Bauernhof kaufen? Oder eben: Kinder bekommen? Da gibt es keinen Kompromiss. Einer muss verzichten oder der andere ins kalte Wasser springen, obwohl er nicht möchte.
Wie gelingt der Spagat zwischen eigenen Träumen und der Zukunft mit einem Menschen, der diese nicht teilt? Wir sprachen darüber mit Ulrike Scheuermann. Sie ist Diplom-Psychologin, Autorin und Emotionscoach.
Sofern zwei Menschen nicht vollkommen auf einer Wellenlänge schwimmen, wird es immer Themen geben, bei denen die Vorstellungen über eine Traumzukunft auseinander driften. In der Verliebtheits-Phase stört das noch nicht.
Doch es wäre schlau, rechtzeitig zu klären, ob es unüberwindbare Gegensätze in der Zukunftsplanung gibt. "Grundsätzlich ist es gut, so früh wie möglich über die Lebensvorstellungen zu sprechen", sagt die Therapeutin aus Erfahrung, "sonst kann es zu einem bösen Erwachen kommen."
Denn wo man sich in zehn Jahren sieht, kann sich zwar ändern, doch es gibt Sehnsüchte, die ungestillt zum großen Frust anwachsen können. Wenn ein Mensch zum Beispiel das pralle Kulturleben, Hektik und Lärm braucht, um sich so richtig lebendig zu fühlen, der andere aber die Natur und die Ruhe schätzt, um zu sich zu kommen. Scheuermann dazu:
Pendeln oder eine Wochenend-Lösung kann eine Weile funktionieren, eine langfristige Lösung ist es meist aber nicht. Der absolute Dealbreaker unter Paaren ist früher oder später dann aber oft die Kinderfrage, weiß die Psychologin. "Das Thema Kind ist ein ganz wesentliches. Sollte eine Frau auf ein Kind verzichten, weil er keines will oder umgekehrt?", gibt sie zu Bedenken. Eine klare Antwort dazu gäbe es nicht, allerdings Erfahrungswerte, berichtet sie weiter.
"Wie weit man da einen Kompromiss eingehen kann und will, das muss jeder für sich entscheiden", sagt Scheuermann im Gespräch. Wünsche sind sehr individuell und können sich verändern. Mag sein, dass eine Landmaus plötzlich Gefallen findet am Tempo der Stadt oder eine abenteuerlustige Globetrotterin auch in der Rolle als Großfamilien-Mutti voll aufgeht.
Es kann auch sein, dass jemand in der Beziehung erkennt, dass der für so wichtig gehaltene Lebenstraum eigentlich verhandelbar ist und das Auswandern nach Italien durch regelmäßige Urlaube dorthin bereits befriedigt wird. Bei zu vielen Eingeständnissen muss man aber vorsichtig sein.
Kompromisse gehören zwar zu jeder Beziehung dazu, "jedoch weiß ich aus meiner Praxis, wenn die Vorstellungen in solch existentiellen Dingen sehr weit auseinander liegen, können zu große Kompromisse dem anderen zuliebe irgendwann sehr weh tun oder unglücklich machen", sagt die Expertin deutlich. Die Reue holt viele Menschen dann mit Verspätung ein und dieser Groll tut keiner Beziehung gut.
Denn niemand will der Auslöser für lauwarme Lebenskompromisse sein. Was zurück zum ersten Punkt führt: Rechtzeitig mit offenen Karten spielen. Wer schon weiß, dass das Gegenüber zwar ein großartiger Mensch ist, aber man einander für die Zukunft im Weg stehen würde, kann die Romanze besser als das annehmen, was sie ist: Eine große Liebe für einen begrenzten Lebensabschnitt.