Michael (20) und Jenny (19) hatten ihr Glück schon einmal versucht. Doch es war kompliziert. Nun wagen sie einen zweiten Anlauf.
Sie war unfassbar cool. Sie hatte Humor. Sie studierte auch Politik. Sie hatte die gleichen Zukunftspläne wie ich. Sie sperrte bei jeder Party den Laden zu. Sie hatte die schönsten Lippen der Welt.
Jenny war die erste Frau, in die ich mich so richtig verliebte.
Das Problem war: Jenny und ich wurden zu Beginn unseres Studiums im Rekordtempo ziemlich beste Freunde, noch ehe wir feststellten, dass noch viel mehr zwischen uns passieren könnte. Als uns das bewusst wurde, wusste ich längst, dass sie toxisch in ihren deutlich älteren Mitbewohner verliebt gewesen war und noch immer damit kämpfte, von ihm loszukommen, während sie knietief in einer Depression steckte.
Ich befand mich relativ schnell in einem zerstörerischen Kreislauf. Wenn sie eine Schulter zum Weinen brauchte, saß sie auf meinem Sofa. Wenn sie einen Mann brauchte, der sie ihren Mitbewohner vergessen ließ, lag sie in meinem Bett. Wenn es ihr gut ging, hatten wir perfekte Tage als datendes Paar. Wenn es ihr schlecht ging, waren wir einfach nur beste Freunde. Aber wenn ich fragte, wie ernsthaft unsere Beziehung vielleicht werden könnte, blockte sie ab.
Jenny war die erste Frau, die mir das Herz brach.
Ich wusste, dass sie mich ausnutzte, ohne es zu wollen, aber ich konnte nicht mit ihr Schluss machen. Ich liebte sie zu sehr. Dann nahm sie mir die Entscheidung ab.
Jenny verließ die Stadt. Die Depression holte sie immer und immer wieder ein, sie wollte und sie musste einen harten Schnitt machen. Sie zog zurück zu ihren Eltern. Nicht ohne mir zu sagen, dass wir in einem anderen Leben perfekt zusammengepasst hätten.
Mehr als ein Jahr lang herrschte (beinahe) Funkstille. Ich brauchte einige Monate, bis ich wieder in der Spur war.
Dann schrieb Jenny mir plötzlich. Sie hatte die Depression im Griff, ihren Ex-Mitbewohner vergessen und an einer anderen Uni wieder ein Studium begonnen. Sie wollte mich wiedersehen, sie wollte neu beginnen, sie wollte sich unbeschwert mit mir daten – und lud mich in ihre Heimat ein. Zum Schützenfest in der bayerischen Provinz.
Jenny war die erste Frau, der ich eine zweite Chance gab.
Ich fuhr zu ihr. Voller Vorfreude und Hoffnung. Doch beides sollte sich schnell zerschlagen.
Jenny hatte sich verändert. Es ging ihr gut, sie war noch immer eine tolle Frau. Aber von ihrer Power, ihrem Enthusiasmus, ihrer Offenheit war nicht mehr viel übrig. Sie wollte nicht mehr in die weite Welt hinaus, sie wollte in der Heimat glücklich werden. Auf dem Schützenfest betranken wir uns wie im Jahr zuvor in den Clubs unserer Studentenstadt. Doch statt im Suff wilde Pläne für eine aufregende Zukunft zu schmieden, trafen wir dort an jeder Ecke alte Schulfreund:innen, zwei Cousins und einen Ex von ihr. Es war ein netter Abend, aber er war gespickt mit seltsamen Momenten. Wir mochten uns, aber nur noch, weil wir wussten, wie gut es sich vor einem Jahr angefühlt hatte.
Am nächsten Morgen saß ich mit einem Kaffee auf der Terrasse von Jennys Elternhaus. Sie war auf dem Weg zum Bäcker. Auf einmal kam ihre Mutter nach draußen, setzte sich zu mir und fragte, ob ich ihr auch eine Kippe drehen würde. Ich bedankte mich für die Gastfreundschaft und kündigte an, bald wieder zu fahren.
Ihre Mutter schwieg für einen Moment, zog an der Zigarette und schaute mich an. "Du bist echt ein guter Typ", sagte sie zu mir. "Und Jenny hat viel von dir erzählt. Danke, dass du so für sie da warst, als es ihr richtig dreckig ging." Sie nahm noch einen Zug und sagte den finalen Satz: "Aber das, was du willst, und das, was Jenny jetzt braucht, das passt nicht mehr zusammen. Sie sagt das auch. Aber sie bringt es nicht übers Herz, dir das ins Gesicht zu sagen."
Nach dem Frühstück fuhr ich nach Hause. Nicht ohne Jenny zu fragen, ob sie es wirklich so sieht, wie ihre Mutter.
Ich habe Jenny nie wieder gesehen.
Jenny war die erste Frau, deren Mutter meine Beziehung beendete.