Tiktok: Warum ich auf die Panikmache um den Matcha-Hype nicht reinfalle
Ich wollte das alles eigentlich gar nicht. Jahrelang hielt ich mich an meinem Kaffeebecher fest, wie an einer Rettungsboje auf hoher See. Schlafmangel? Stressiger Arbeitstag? Kein Problem, das fünf Tassen Kaffee nicht regeln konnten.
Aus gesundheitlichen Gründen ersetzte ich meinen buchstäblich heiß geliebten Wachmacher aber vor einigen Monaten durch das Hype-Getränk der vergangenen Sommer: Matcha. Eingenommen vom grasgrünen Filter, der spätestens seit "Bauch Beine Po" von Shirin David über den Großstädten der Nation liegt, tänzle ich seitdem durch jede zweite Mittagspause mit einem Matcha Latte in der Hand.
Doch seit ich auf den Trendzug straight outta Berlin Prenzlauer Berg aufgesprungen bin, reiht sich eine Schreckensmeldung an die andere: Matcha sorgt für Krankenhausaufenthalt, Matcha sorgt für Haarausfall, Matcha sorgt für Nierensteine.
Mein inneres Koffeinmonster schreit: kompletter Humbug! Bin ich da mitten in einer gefährlichen Verdrängungsstrategie und füttere meine alte Koffeinsucht mit neuem Potenzial? Vielleicht. Fakt ist aber auch: Die Panikmache um den ach so gefährlichen Matcha ist eigentlich auch nur ein weiterer Hype aus dem Playbook namens Tiktok.
Das zeigt sich zum einen direkt an der Wurzel des Problems. Denn woher stammen die Schreckensmeldungen über Krankenhausaufenthalte wegen übermäßigem Matcha-Konsum? Klar, von Tiktok.
Ist Matcha gefährlich für die Gesundheit?
Sieht schließlich fancy aus, erst die Matcha-Kreationen jeglicher Geschmacksrichtungen in aufpolierten Selfie-Videos in die Kamera zu strecken und dann die blassen Ärmchen im Krankenhausbett zu filmen. Ganz nebenbei erreicht man dann auch noch Reichweite. Ein Schelm, der da Böses denkt.
Natürlich sind die entsprechenden Videos nicht ganz ohne Grundlage. Denn auch wenn uns Öko-Cafés etwas anderes vermitteln wollen, kann Matcha durchaus gesundheitliche Nachteile haben.
Vor allem die enthaltene Oxalsäure darf man zumindest als riskanten Inhaltsstoff von grünem Tee bezeichnen, der in Matchapulver besonders konzentriert vorkommt. Sie gilt als Hemmstoff für die Aufnahme von Mineralstoffen. Ärzt:innen warnen, dass der Körper dadurch etwa weniger Kalzium aufnehmen kann als nötig.
Matcha-Hype: Immer noch besser als Kaffee!
Hinzu kommen enthaltene Tannine, die besonders die Eisenaufnahme zusätzlich hemmen – daher auch der Vorwurf von Haarausfall und die Krankenhausaufenthalte diverser Tiktoker:innen. Spoiler hierzu: Tannine kommen auch in Kaffee vor – und dort sogar in weitaus größeren Mengen.
In diesem Zusammenhang lässt sich auch ein weiteres Problem bei der großen Matcha-Panik benennen. Natürlich wird aus dem Trendpulver der Gen Z nicht der Zaubertrank hergestellt, der uns alle 150 Jahre alt werden lässt. Aber das kann man von Kaffee beispielsweise auch nicht behaupten.
Sicher ließe sich an dieser Stelle argumentieren, dass man doch einfach auf jegliche koffeeinhaltige (und am besten auch zuckerhaltige) Getränke verzichten könnte, um die eigene Gesundheit zu schützen. But bro: That's not how life works.
Es soll Menschen geben, die ihr Leben lang nur Wasser trinken. Ich gehöre nicht dazu. Und damit kann ich gut leben.
Matcha Latte auf Tiktok: Trend oder Gefahr?
Zumindest im direkten Vergleich zu Kaffee hat eine Tasse Matcha einen geringeren Koffeingehalt, hinzu kommen Vorteile etwa durch enthaltene Antioxidantien und Vitamine. Für Menschen mit Histaminunverträglichkeit kann das Trendgetränk mitunter ebenfalls besser verträglich sein als Kaffee.
Aber wie bei eigentlich allem im Leben macht eben die Dosis das Gift.
Dass Tiktoker:innen im Krankenhaus landen oder ihnen die Haare ausfallen, nachdem sie pro Tag drei Matchas getrunken haben, kann doch nun wirklich niemanden verwundern? Mal abgesehen davon frage ich mich, wie viel man mit solchen Videos verdient, dass man sich diese Masse an grünem Pulvergold überhaupt leisten kann.
Mit den Videos zu angeblichen Risiken will man auf Tiktok wiederum auf einen neuen Hype-Zug aufspringen. Und vielleicht ist eine solche Warnung für ein paar Snowflakes, die aus einem vorherigen Hype heraus täglich dreimal zu LAP Coffee rennen, sogar sinnvoll.
Aber die Gen Z ist nicht so dumm, wie wir sie oft darstellen. Alles zu verteufeln, das sie liebt, führt einerseits zu keinem angenehmen Gesellschaftsklima.
Andererseits haben die Millennials doch auch ihre Siebträgermaschinen zuhause und ihren Lieblingsbarista, der direkt neben dem neuen Matcha-Laden mit Cold Brew und Flat White lockt? Darüber sollte man sich ebenso weiter lustig machen wie über die mit grasgrünem Glück gefüllten Becher, die aktuell kollektiv durch die Fußgängerzonen getragen werden.
Aber wegen eines harmlosen Trendgetränks gefühlt eine neue Pandemie heraufzubeschwören, ist nur lächerlich.
Wie die meisten "jungen Menschen" verbringe ich viel Zeit auf Tiktok und schaue mir dort sicherlich auch viel Mist an. Die buntesten Matcha-Kreationen aus den USA gehören dazu. Aber wenn ich ernsthafte Gesundheitsratschläge will, öffne ich eben nicht Social Media, sondern gehe zum Arzt.