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Weltfrauentag: Es existiert Kritik – doch die Realität zeigt, wie wichtig er bleibt

Eine Teilnehmerin einer Demonstration in Stuttgart zum Internationalen Frauentag 2021 trägt ein Plakat mit der Aufschrift "Scheiss Patriarchat Elendiges"
Szene einer Demonstration zum Weltfrauentag im Jahr 2021 in Stuttgart.Bild: dpa / Marijan Murat
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Weltfrauentag: Der Kampf muss weitergehen – bis sich endlich mehr verändert

Ein einzelner Tag pro Jahr ändert nichts an den Problemen der Frauen. Dennoch hat sich die watson-Redaktion entschieden, ein Zeichen zu setzen. Warum das ein ebenso wichtiges wie notwendiges Signal ist? Ein Kommentar unseres Chefredakteurs.
08.03.2022, 09:3908.03.2022, 10:14
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Mit dem heutigen Weltfrauentag beginnt bei watson die Frauenwoche. Sieben Tage lang werden wir auf watson.de und auf unseren Auftritten in den sozialen Netzwerken täglich mindestens ein feministisches Thema veröffentlichen.

Warum wir das tun? Man könnte es kurz machen: Weil es auch im Jahr 2022 leider noch immer notwendig ist. Doch so knapp möchte ich mich an dieser Stelle nicht fassen.

"Ein einzelner Aktionstag ändert einfach nichts an den Problemen, über die wir seit Jahr(zehnt)en diskutieren."

Schließlich ist nicht zu leugnen, dass es Kritik am Weltfrauentag gibt, die durchaus berechtigt ist. Schon allein deshalb, weil ein einzelner Aktionstag einfach nichts an den Problemen ändert, über die wir seit Jahr(zehnt)en diskutieren. Die erschreckend hohen Zahlen an Frauen, die Gewalt in der Beziehung erleben oder gar vom (Ex-)Partner getötet werden, sinken nicht. Die Gehälter von Frauen sind im Durchschnitt weiterhin nicht auf dem Niveau der Männer. Und die gesellschaftlich-systematische Ausnutzung von Frauen bei der Kindererziehung ist noch immer Realität.

Von Rechten und Sorgen von Lesben, inter, nicht-binären und trans* Personen haben wir da noch gar nicht angefangen zu reden.

Daran wird auch der 8. März 2022 nichts ändern. Stattdessen werden wieder ein paar Blumenhändler überraschend viel Umsatz machen; Promis und Firmen irgendwelche Instagram-Sprüche posten, um billige Likes zu sammeln; und ein paar Politiker werden versprechen, sich ganz doll für die Frauen einzusetzen. In Zukunft. Ganz bestimmt.

Wir haben uns in der Redaktion dennoch entschieden, mit der Frauenwoche ein Zeichen zu setzen. Aller Überarbeitung in Zeiten des Ukraine-Kriegs zum Trotz. Die Kolleginnen und Kollegen haben in den vergangenen Tagen unzählige Überstunden gemacht, weil ihnen der Feminismus aus tiefster Überzeugung am Herzen liegt. Er gehört zur DNA der jungen watson-Redaktion.

Chancengleichheit, Diversität und Gleichberechtigung sind Themen, die wir grundsätzlich und regelmäßig in den Fokus rücken. Und nach diesen Kriterien versuchen wir auch, Akteurinnen und Akteure und Expertinnen und Experten auszuwählen. Und dabei Themen mitten aus der Lebensrealität unserer Leserinnen und Leser aufzugreifen. Sehr oft werden Diskussionen über Feminismus elitär und mit erhobenem Zeigefinger geführt, es geht um Meta-Themen, um politische Rahmenbedingungen oder moralphilosophische Ansprüche.

"Die jungen Frauen da draußen wollen ganz konkret wissen, was sie tun können."

All diese Debatten sind wichtig. Doch die jungen Frauen da draußen wollen eben nicht nur über das große Ganze diskutieren. Sie möchten (auch) ganz konkret wissen, was sie tun können, um im Job ernst genommen zu werden, um sich nicht dämliche Fragen zur Kinderplanung gefallen lassen zu müssen, oder wie sie am besten reagieren, wenn sich ein Typ nicht mal die Mühe macht, zu verheimlichen, dass er ihnen gerade in den Ausschnitt glotzt.

Um einer Frage vorwegzugreifen, die nach der Veröffentlichung solcher Texte sehr oft gestellt wird: Wir haben bei watson keine Quotenregelungen. Wir stellen für jeden Job die Person ein, die wir für am geeignetsten halten. Das Zwischenergebnis: Aktuell besteht unser Team aus 21 Frauen und 11 Männern. Dieses Verhältnis führt dazu, zumindest ist das mein Eindruck, dass Frauen sich trauen, offener und ehrlicher zu sprechen. Auch gegenüber dem (in diesem Fall männlichen) Vorgesetzten.

Eine Teilnehmerin einer Demonstration zum Internationalen Frauentag 2021 in Stuttgart
2021 feierte der Weltfrauentag sein 100-jähriges Bestehen. Hier eine Szene aus Stuttgart.Bild: dpa / Marijan Murat

Fünf der 21 genannten Frauen sagten mir im Januar im Kennenlerngespräch, manche direkter und manche subtiler, dass es ihnen lieber gewesen wäre, wenn kein neuer Chefredakteur, sondern eine neue Chefredakteurin gekommen wäre. Ich habe das als durchaus mutig empfunden.

Gleichzeitig jedoch waren die Aussagen für mich auch ein wenig erschreckend und kränkend. Erschreckend, weil es offensichtlich Kolleginnen gibt, die grundsätzlich davon ausgehen, mit einer Frau besser als mit einem Mann zusammenarbeiten zu können. Was selbstredend nicht ihr Fehler ist. Es ist das Ergebnis ihrer bisherigen Erfahrungen. Und kränkend, weil mir bis dahin in meiner beruflichen Laufbahn noch nie mein Geschlecht zum Vorwurf gemacht worden war.

Ich war als 37-jähriger, weißer, heterosexueller Mann bis dahin nie auf den Gedanken gekommen, man könnte mein Geschlecht oder meine Sexualität zum Thema machen oder es gar gegen mich zu verwenden. Für all die Frauen, die noch immer nicht gleichberechtigt sind, nicht ernst genommen werden, Sexismus oder Gewalt erleben, muss das wie blanker Hohn klingen.

"Es muss unser Ziel sein, von Frauen und Männern gleichermaßen, dass Frauen dieses Gefühl irgendwann nie wieder haben müssen."

Ich will deshalb auf keinen Fall behaupten, dass ich wegen einer einzigen Situation auch nur im Ansatz verstehen kann, was viele Frauen durchleben müssen, wie sie sich fühlen, was es mit ihnen macht, weil sie einfach aufgrund ihres Geschlechts anders bewertet und behandelt werden. Ich habe aber zumindest für einen Moment den Hauch eines Eindrucks gewonnen.

Es muss unser Ziel sein, von Frauen und Männern gleichermaßen, dass Frauen dieses Gefühl irgendwann nie wieder haben müssen.

Genau deshalb ist es auch im Jahr 2022 notwendig, am Weltfrauentag ein Zeichen zu setzen. Und an allen anderen Tagen im Jahr. Bis unsere Gesellschaft dort angekommen ist, wo sie eigentlich schon längst sein sollte.

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