Das Coronavirus-Update mit Christian Drosten, Kekulés Corona-Kompass oder eine der diversen Talk-Shows mit Melanie Brinkmann, Hendrik Streek oder Karl Lauterbach: Im Zuge der Corona-Pandemie ist die wissenschaftliche Kommunikation in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Längst werfen wir ganz selbstverständlich mit Begriffen wie Inzidenzen, Triage, Aerosoloinfektion und mRNA-Impfstoffen um uns. Kein Wunder, dass die Aufmerksamkeit für die Verleihung des Medizin-Nobelpreises so groß war wie lange nicht mehr. Verbunden mit einer Frage: Würden die Gründer des Pharmaunternehmens Biontech, Uǧur Șahin und Özlem Türeci, die Auszeichnung erhalten? Es ist anders gekommen. Und das ist eine verpasste Chance.
Nach dem Credo des schwedischen Erfinders und Chemikers Alfred Nobel, auf den der renommierte Preis zurückgeht, hätten die Biontech-Gründer diesen definitiv verdient gehabt. Denn erhalten soll den Preis, wer kürzlich der Menschheit von größtem Nutzen war. Und was bitte hat im Jahr 2020 und 2021 für größeren Nutzen, Hoffnung und Erleichterung gesorgt als der hochwirksame Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech?
Die Zulassung des mRNA-Impfstoffes von Biontech war ein historischer Erfolg. Am 31. Dezember 2019 meldete China eine mysteriöse Lungenkrankheit, am 7. Januar 2020 wurde das neuartige Coronavirus identifiziert – und am 21. Dezember erteilte die Europäische Kommission die Zulassung – nicht nur für den ersten Covid-19-Impfstoff, sondern auch für den ersten mRNA-Impfstoff. Das Vakzin wurde zur goldenen Währung, jeder wollte den Piks. Am liebsten sofort.
Umso größer ist jetzt die Enttäuschung. Denn Uǧur Șahin und Özlem Türeci sind leer ausgegangen. Den Medizin-Nobelpreis erhalten haben stattdessen die Molekularbiologen David Julius und Ardem Patapoutian, die mit ihrer Entdeckung erklären, warum wir Temperaturen und Berührungen fühlen können. Sicher, auch das ist ein medizinischer Fortschritt, der nicht hinten runter fallen sollte.
Aber wäre es nicht die verdiente Würdigung für die beiden Biontech-Gründer gewesen, hätten sie den Medizin-Nobelpreis verliehen bekommen? Immerhin rettet ihr Impfstoff Millionen von Leben. Und gibt uns ein Stück weit unseren Alltag zurück. Hinzu kommt: Die durch die Corona-Pandemie intensivierte und beschleunigte Forschung an mRNA-Impfstoffen könnte auch einen früheren Trumpf in puncto Krebsimpfstoff nach sich ziehen. So ist das Mainzer Unternehmen im Juni in seine zweite Testphase für einen Krebsimpfstoff gestartet. Der erste Patient mit unheilbarem Hautkrebs hat das Vakzin schon gespritzt bekommen.
Wenn das mal nicht ein weiteres Anzeichen dafür ist, wie groß der Nutzen der mRNA-Technologie für die Menschheit ist. Auch ohne Nobelpreis für die Biontech-Gründer.