Gestern habe ich mit einer Kollegin zufällig über Germany's Next Topmodel gesprochen. Ich zu ihr: "Sag mal, findest du die aktuelle Staffel auch so komisch?" Sie: "Ja, ich schau das auch nur noch aus Pflichtbewusstsein mit 'ner Freundin zusammen. Aber ich find's ziemlich öde."
Eine ernüchternde Bilanz.
Momentan begehen Heidi und ihre "Meeedchen" ein viel schlimmeres Verbrechen – eines, das für den erschöpften Primetime-Zuschauer, der bereits alle Ansprüche an hochwertiges TV über Bord geworfen hat, unverzeihlich ist: Sie langweilen uns.
Passenderweise stand die gestrige Show auch noch unter dem ProSieben-Motto: "We love to entertain you". Ja, wir lieben das ja auch – passiert ist das allerdings nicht so richtig.
GNTM funktioniert einfach nicht mehr. Das sind die Gründe, warum wir Heidi und ihre Möchtegern-Nachwuchs-Models eigentlich nicht mehr sehen können – beispielhaft dargestellt an der gestrigen Folge.
Wo sind eigentlich die Models hin? Ach ja, stimmt, wer "nur" gut modeln kann und nicht das Gesamtpaket mitbringt, wird ja aussortiert. Auch die heimliche Favoritin Justine musste gestern gehen, weil sie bei Heidis Hampel-Show gegen Ende der Folge nicht mit ihrer Persönlichkeit überzeugen konnte (wesentliches Merkmal dieses Berufsfelds).
So mussten die Kandidatinnen, getreu des Unterhaltungsmottos, eine eigens eingeübte Show-Einlage performen. Und wenn angehende Models plötzlich bei einer amateurhaften Talentshow auftreten müssen, bleiben Fremdschämmomente nicht aus:
Und die schöne, aber schüchterne Justine musste den Video-Clip von Sias "Chandelier" nachtanzen – und wurde dann dafür kritisiert, dass sie den Video-Clip von Sias "Chandelier" nachgetanzt hat. Das bedeutete das Aus für Justine – vielleicht nicht als Model, aber für den GNTM-Titel reicht es dann nicht mehr.
Übrig bleiben nun vor allem die Kandidatinnen, die sehr offensichtlich Drama erzeugen sollen: eine wehleidige Simone, eine Theresia, die immer leicht daneben ist, eine Lena, die zwischen Lächeln und Tränen schwankt. Nun gut.
Wo ist eigentlich die Jury hin? Offenbar gilt Heidis Dauerbrenner "Nur eine (Pause) kann Germany's Next Topmodel werden" nun auch für die Jury – nur eine (Pause) kann bestimmen, wer Germany's Next Topmodel wird, und das ist Heidi selbst.
Jede Folge kommt ein anderes Gast-Jury-Mitglied hinzu, um der Model-Mama Gesellschaft zu leisten – gestern war das Thomas Gottschalk. Immerhin gab sich der Entertainer Mühe, den Teilnehmerinnen Wertschätzung entgegenzubringen:
Es fehlt einfach ein "Die Handtasche lebt"-Bruce oder ein Wolfgang Joop, der ab und zu ein Tränchen über die glatt gebügelten Wangen laufen ließ. Durch die Abwesenheit der Jury fehlt es einfach an persönlichem Bezug: Heidi allein bringt einfach nicht genügend Herz mit in die Show – dafür allerdings ihre Brüste. In einer peinlichen Szene zeigt sie ihr ungewöhnliches Talent und lässt ihre Brüste tanzen – um zu beweisen, dass jeder etwas Besonderes kann. "Wer kann, der kann", kommentiert Heidi ihr Können.
Wo ist eigentlich das Drama hin? Auch die neue Staffel hat ein paar kontroverse Charaktere zu bieten – aber irgendwie wirken sie entweder sehr gewollt hineinkonstruiert, oder sie sind einfach nicht so dramatisch, wie wir es uns wünschen würden.
Rampensau Simone ist trotz mangelnder Authentizität immerhin noch am unterhaltsamsten und bringt gleichzeitig Model-Talent mit. Auch gestern weinte Simone kurz vor dem Fotoshoot mit Schlangen – nur um dann mit die schönsten Fotos abzuliefern. Danach wurde sie kurz vor der Talent-Show gefühlt lebensbedrohlich krank (37,5 Grad Fieber!) – und schwang bei der Talent-Show am Ende munter die Hüften als Shakira.
Bei einer Kandidatin wie Theresia allerdings fragt man sich allerdings schon: Ist sie jetzt nur dabei, weil sie ein wenig schräg ist?
Auch Schläger-Joy, aka Jasmin, wurde unnötig lange durch die aktuelle Staffel mitgezerrt: Offensichtlich hübsch (das sind sie ja alle), aber ziemlich talentfrei bekam die rüpelhafte Kandidatin gefühlt 17 zweite Chancen, um ihr Können unter Beweis zu stellen. Anstatt ihre Möglichkeiten zu nutzen, haute Joy lieber Lena eine runter und musste die Casting-Show daraufhin verlassen.
Als Zuschauer will man natürlich auch das Drama zwischen den Teilnehmerinnen sehen – aber meine Güte, kloppen sollen sie sich doch nicht. Da sieht man mal, was passieren kann, wenn die Macher einer Show etwas zu stark versuchen, Konflikte zu inszenieren.
In dieser Staffel geht irgendwie alles schief. Mit keiner Teilnehmerin fiebert man so richtig mit, keine überzeugt von ihren Model-Qualitäten so richtig, keine putzigen Jury-Mitglieder, die einen erheitern.
Und trotzdem schalten wir jede Woche wieder ein. Vielleicht aus Tradition, wie meine Kollegin es gestern schon sagte. Vielleicht auch, weil wir uns im Hass auf diese mittlerweile ereignislose Show vereint fühlen. Vielleicht aber auch, weil wir noch auf den großen Kracher hoffen. Immerhin sind wir noch nicht einmal bei den Top 10 angelangt.