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Urlaub mit der Familie: Die Freuden und Ärgernisse eines Mehrgenerationenurlaubs

Beach, umbrella and big family on a summer vacation, trip or seaside journey together in Australia. Travel, relax and children on a holiday adventure with their grandparents and parents by the ocean.
Familienurlaub ist immer nur idyllisch? Leider bringt er auch einige Herausforderungen mit sich...Bild: iStockphoto / PeopleImages
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Mehrgenerationen-Urlaub: Warum das (k)eine schlechte Idee ist

02.08.2023, 08:3602.08.2023, 08:38
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Ich fahre in den Urlaub und ich nehme mit ... eine Zahnbürste, einen Sonnenhut, ein Buch, zwei Shorts, meine Schwiegereltern und meine Schwägerin.

Halt, Stopp! Mit den eigenen Eltern oder sogar noch Schwiegereltern Urlaub zu machen, mag für manch eine:n nach einem Alptraum klingen. Schließlich sorgen zu lange Aufenthalte mit der Familie auf engem Raum regelmäßig für Streit. Kennt man ja von Weihnachten und sonstigen Familienfeiern. Und in den Ferien wollen wir unsere Zeit doch möglichst entspannt und friedlich verbringen.

"Es kommt zu ersten Verstimmungen bei der Aufteilung der Zimmer im Ferienhaus."

Mit der Großfamilie Ferien zu machen, klingt also erst einmal nach einer komplett widersprüchlichen Idee. Ist es irgendwie auch. Es hat aber auch einige Vorteile.

Ich fahre dieses Jahr mit der Familie meines Mannes in den Urlaub nach Schweden. Es ist bereits das dritte Mal, dass wir mit der gesamten Großfamilie Ferien machen. Dieses Mal sind es sogar noch vier mehr, das macht insgesamt 14 Personen: 4 Kinder, 10 Erwachsene und zwei Hunde. Diese Personenzahl ist schon eine Ansage: Wenn wir alle zusammen in ein Restaurant einrücken, fallen dem Personal meist fast die Augen aus dem Kopf vor Panik.

Um für den gemeinsamen Urlaub alle unter ein Dach zu bekommen, haben wir diesmal ein extra großes Ferienhaus in der Nähe von Stockholm gemietet. Das ist fast eine kleine Villa – samt Pool, Sportraum, Billardtisch und riesigem Garten. Und dieses imposante Bullerbü-Anwesen ist bereits der erste Vorteil am Mehrgenerationenurlaub.

1. Größere Ferienhäuser (dringend nötig)

Umso mehr Leute, umso eher kann man sich tolle Unterkünfte leisten, da man die Kosten teilt.

Der Nachteil: Man ist mit vielen Leuten in ein (immerhin großes) Haus gesperrt und kann sich schlecht aus dem Weg gehen. Während der Urlaub gut gelaunt mit Fischbrötchen, einer Fahrt mit der Fähre und der Astrid-Lindgren-Welt beginnt, kommt es zu ersten Verstimmungen bei der Aufteilung der Zimmer im Ferienhaus. Ich finde es nicht so cool, dass hier nach Altersstufen die besten Zimmer vergeben werden, wenn wir alle gleich viel dafür zahlen. Anstatt das demokratisch zu entscheiden.

"Immerhin haben wir hier oben unter dem Dach unsere Ruhe, was auch mal einen Mittagsschlaf erlaubt."

Und wir landen auch noch, obwohl wir nicht einmal die Jüngsten bei dieser Reise sind, im obersten Stockwerk. Im Flur für Bedienstete, in dem es heiß ist und die Matratzen durchgelegen sind, der Boden um 45 Grad abschüssig ist und das Kind nachts in die Ritze zwischen den Betten fällt. Aber gut, nach einer Runde Boxsack und einem klärenden Gespräch habe ich mich wieder abgeregt. Ich bin ja nicht nachtragend. Irgendwer muss hier schlafen und diesmal sind das leider wir.

Kein Photoshop! Schweden sieht wirklich überall so hübsch aus.
Kein Photoshop! Schweden sieht wirklich überall so hübsch aus. Bild: iStockphoto / by-studio

2. Mehr Freizeit (theoretisch)

Immerhin haben wir hier oben unter dem Dach unsere Ruhe, was auch mal einen Mittagsschlaf erlaubt. Das ist nämlich ein weiterer Vorteil des Mehrgenerationenurlaubs – gerade mit Kindern: Es sind so viele Personen anwesend, dass man sich als Eltern weitestgehend zurücklehnen kann. Das Kind spielt entweder mit seinen Cousins und Cousinen oder mit Oma und Opa, die sich sowieso tierisch freuen, so viel Zeit mit den Enkelkindern zu verbringen.

Im Kernfamilien-Urlaub mit Kindern dagegen muss man sich fast genau so viel mit dem Nachwuchs beschäftigen wie zu Hause – Wutanfälle und Einschlafbegleitung inklusive. Da ist der Erholungseffekt gleich null. Außer man hat einen All-Inclusive-Urlaub mit hyperaktiven Animateur:innen gebucht, was bei mir aber leider aus früheren Erfahrungen zu einer Retraumatisierung der Peinlichkeit führen würde.

Also wähle ich doch lieber eine Betreuung durch die Verwandtschaft: Leider treffen bei einem Urlaub mit vielen Menschen aber auch viele unterschiedliche Charaktere aufeinander. Und das kann anstrengend werden. Die einen wollen ständig etwas unternehmen, die anderen andauernd Wäsche waschen oder kochen – und man selbst fühlt sich dann schlecht, wenn man einfach nur die Beine hochlegt und entspannt.

Auch beim Mehrgenerationenurlaub muss man seine Entspannungszeit also aktiv einfordern und notfalls das schlechte Gewissen aushalten.

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3. Weniger Hausarbeit (für manche)

Wenn man es klug anstellt, kann aber jeder etwas von seiner Stärke einbringen und gleichzeitig etwas tun, was Spaß macht: Der eine grillt, die anderen backen Kuchen, jemand anderes organisiert eine Yoga-Session und der vierte geht mit den Kindern Stand-Up-Paddeln oder spielt Karten. So könnte man die lästige Hausarbeit im Ferienhaus für sich selbst auf ein Minimum reduzieren, um das Maximum an Erholung und Freizeit herauszuholen. Könnte.

"Es könnte alles so schön sein im Mehrgenerationenurlaub, wenn er nicht unausweichlich wäre: Der Familienstreit."

Es könnte alles so schön sein im Mehrgenerationenurlaub, wenn er nicht unausweichlich wäre: Der Familienstreit, der meist nach exakt 2 Tagen, 5 Stunden und in Sekunde drei eintritt. Oft wegen Kleinigkeiten oder dem Endgegner-Thema Hausarbeit.

Wer viel Zeit miteinander verbringt, streitet auch eher...
Wer viel Zeit miteinander verbringt, streitet auch eher...Bild: iStockphoto / fizkes

Irgendein aktueller Anlass reizt alte Trigger und schon ist man wieder mitten drin im Irrenhaus des familiären Alltags: Einer zickt, der andere schreit, dann schmollen beide, während der Rest der Anwesenden verkrampft versucht, eine normale Atmosphäre durch belanglose Gespräche aufrechtzuerhalten. Bei zehn Erwachsenen, die alle irgendwie miteinander verwandt sind, gibt es diesen Familienstreit auch noch in verschiedenen Konstellationen. Vielleicht sollte ich zum nächsten Familienurlaub lieber einen Mediator einladen – gegen gratis Kost und Logis.

4. Familiärer Zusammenhalt: Für alle Nicht-Zerstrittenen

Trotz aller Streitereien schweißt ein Urlaub mit der Familie aber zusammen. Man verbringt viel Zeit miteinander, redet, lacht und schafft gemeinsame Erinnerungen. Man arbeitet an seinen zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Familie. Im besten Fall mit tiefsinnigen Gesprächen, im schlechtesten mit alten Streitthemen. Aber immerhin tut sich was! Denn gemeinsame Erlebnisse verbinden. Sie sind der Stoff, von dem man noch jahrelang gemeinsam bei Gesprächen am Essenstisch zehren kann.

"Die wertvollen Erinnerungen wiegen jeden zwischenmenschlichen Ärger wieder auf."

Selbst über die Dinge, die schiefgehen oder über die man sich geärgert hat, lacht man rückblickend zusammen. Wichtig ist nur, sich diese Tatsache im Augenblick des Urlaubs auch ständig wie ein Mantra vorzusagen, damit man sich nicht vergisst ...

5. Goldene Erinnerungen für die Ewigkeit (im Nachhinein)

Aber die wertvollen Erinnerungen wiegen jeden zwischenmenschlichen Ärger wieder auf: Nie werde ich den Anblick vergessen, als eine 14-köpfige Armada aus Erwachsenen und Kindern in der Astrid-Lindgren-Welt in Vimmerby auf gepunkteten Kleine-Onkel-Pferdchen aus Holz wippt, Pippi-Langstrumpf-Lieder singt und wie verrückt lacht.

Wie wir alle mit Piccolo-Sekt auf dem Deck der Fähre bei einem improvisierten Picknick sitzen und amüsiert beobachten, wie immer mehr seekranke Menschen aus dem Inneren heraustaumeln. Oder wie die Kinder bei einem Regenguss mit Schirm im Pool stehen und darunter tanzen.

Gemeinsame Fotoabende sind ein schönes Abendprogramm für Familien.
Gemeinsame Fotoabende sind ein schönes Abendprogramm für Familien.Bild: iStockphoto / evgenyatamanenko

Solche Erinnerungen sind einfach Gold. Und sind es auch mal wert, unerholt aus den Ferien zu kommen und für eine Zeit lang Abstand voneinander zu brauchen. Und während negative Erlebnisse im Rückblick dankenswerterweise meist verblassen, bleiben uns schöne Erinnerungen für immer.

Wer erinnert sich da noch groß an den Streit vor vielen Jahren? Bis zum nächsten Weihnachten werde ich meinen Groll hoffentlich verdaut haben und selig in großer Runde die Bilder meines Sommerurlaubs betrachten. Und bereit sein für die nächste Urlaubsplanung. Aber jetzt brauche ich erst mal Pause. Ein Hoch auf den Urlaub mit der Großfamilie!

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