Kinderfreie Zeit ist super, findet watson-Redakteurin Julia Jannaschk. Aber das bedeutet eben auch kein Herumalbern und Kuscheln.Bild: Shutterstock / ProStockStudio
Mom at Work
Ehrlich, direkt und subjektiv: Unsere Redakteurin Julia schreibt in ihrer neuen Kolumne "Mom at Work" einmal pro Monat über die Freuden und Leiden einer in Vollzeit arbeitenden Mutter.
Ich schreibe diese Zeilen und bin todtraurig. Denn mein Kind ist gerade eben für eine Woche zu Oma und Opa gefahren. Schon wieder. Am Sonntag kam meine Tochter nach einem Wochenende dort wieder – volle Breitseite erkältet. Es war ein Wiedersehen mit fettem Schnupfen, verschleimter Stimme und schlimmem Husten. Nach einer, wegen Hustenattacken, fast schlaflosen Nacht stehen wir am Montag alle drei mit Augenringen bis zum Boden auf und wissen: Die Kita können wir jetzt gleich absagen.
Aber was dann? Normalerweise folgt jetzt eine endlos lange Diskussion darüber, wer kindkrank machen sollte. Wer das letzte Mal dran war, bei wem es gerade zu viel zu tun gibt oder kein:e Kolleg:in, die einspringen könnte. Diesmal aber hängt noch eine andere Lösung in der Luft wie eine verbotene Frucht: Oma und Opa. Das Kind wollte am Sonntag sowieso noch gern länger bleiben und die Großeltern sind seit kurzem beide in Rente und haben viel Zeit. Eine perfekte Lösung, damit wir beide die Woche doch noch arbeiten können? Ja. Aber auch eine Lösung, die mir das Herz bricht.
Dauerkranke Kinder sind gerade im Kita-Alter ganz normal.Bild: iStockphoto / Halfpoint
Denn klar hab ich rechtlichen Anspruch auf Kindkrank-Zeit in meinem Job. Aber es nervt gewaltig, gefühlt jeden Monat wegen eines kranken Kindes auf der Arbeit auszufallen. Würde ich nicht oder nicht Vollzeit arbeiten, würde ich es vielleicht gerade so hinkriegen, dass das Kind sich zu Hause beschäftigt und ich schreiben kann. Aber ganze acht Stunden sind fast unmöglich. Und derzeit ist ohnehin so viel zu Hause zu erledigen, dass die Abende ganz praktisch wären für die endlos lange Liste an Behördenkram und Reparaturen... Also das erkältete Kind eine Woche lang weggeben, um arbeiten zu können?
Trennungsschmerz versus Freiheit
Ganz ehrlich: Klar ist der Gedanke ganz nett, mal ein paar Tage für sich zu haben. Gerade, wenn man Vollzeit arbeitet, hat man sonst keine freie Minute am Tag. Da braucht man auch manchmal eine Pause, die länger ist als eine Stunde vorm Fernseher vor dem Schlafengehen. Und nach dem größten Abschiedsschmerz gewöhnt man sich daran und sieht auch die Vorteile einer kinderfreien Zeit: weniger Stress, mehr Schlaf und Freizeit.
Aber auch: kein Herumalbern und Kitzeln, bis wir lachend in den Armen liegen. Kein In-den-Schlaf-Kuscheln mit meinem kleinen Lieblingsmenschen. Und kein strahlendes Lächeln beim Abholen aus der Kita. Ich muss zugeben: Dieser Abschied von meinem Kind ist richtig hart für mich.
Denn leider wohnen Oma und Opa dann doch 200 Kilometer weit weg und nicht um die Ecke. Das heißt, einen Job als Tages-Babysitter ist leider nicht drin. Da geht nur ganz oder gar nicht. Immerhin kann ich nun doch den Geburtstag meines Mannes abends mit einem schönen Dinner-Date feiern. Aber dafür nicht zusammen mit meiner Tochter ein schönes Bild für Papa zum Geburtstag basteln.
Irgendein Promi sagte mal in einem Podcast: "Ein Kind zu haben, ist das Schönste und Furchtbarste zugleich. Denn es bedeutet, dass ein Stück deines Herzens außerhalb deines Körpers herumläuft." Nie habe ich einen Satz mehr gefühlt.
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Und deshalb fühlt sich auch jede Trennung, die länger als ein paar Stunden ist, an, als würde man mir das Herz ausreißen. Natürlich nehme ich diesen Schmerz trotzdem hin und wieder auf mich. Denn ich brauche manchmal eben ein, zwei oder drei Tage für mich und meine Bedürfnisse und Pflichten. Auch mein Job, den ich sehr gern mache, gehört dazu. Und ja, auch mal ein ganzer Urlaub mit meiner besten Freundin. Es gibt Mamas in meinem Umfeld, die brauchen diese Auszeiten vom Kind nicht. Da kann ich nur sagen: Chapeau. Aber jeder Mensch ist da anders.
Das Kind zu den Großeltern und dafür zur Arbeit? Kann man schon mal machen.Bild: iStockphoto / Maryviolet
Zu hundert Prozent genießen kann ich diese Me-Time sowieso nicht, aber auch 80 Prozent reichen mir schon. Denn ich will mich erstens nicht selbst aufgeben, nur weil ich ein Kind habe, beziehungsweise kann ich das auch einfach nicht. Und zweitens glaube ich, für die Selbstständigkeit des Kindes ist es auch ganz gut, mal nur mit Papa oder Großeltern zu sein. Aber diese kleine Alltagsflucht hat seinen Preis: Eine rasende Sehnsucht, die gleichzeitig mit Angst und schlechtem Gewissen beladen ist. Meist hilft es da weder, rationale Argumente im Kopf runterzurattern, noch, sich mit Aktivitäten abzulenken.
Eine gute Mama kümmert sich auch um sich selbst
Das einzige, was mir wirklich über den Trennungsschmerz hilft, ist das Wissen: Um eine gute Mutter zu sein, muss es zuerst mir selbst gut gehen. Das ist wie im Flugzeug, wo man sich zuerst selbst anschnallen muss, um anderen helfen zu können. Und damit es mir gut geht, brauche ich auch mal Zeit für mich: für Erledigungen, für meine Freunde, meinen Partner, aber auch meine Interessen und meinen geistigen Horizont. Für einen schönen Brunch oder auch nur fürs Nichtstun. Für mich gehört dazu beispielsweise auch mal ein Urlaub alleine.
Die beste Erholung: Wellness mit der besten Freundin.Bild: iStockphoto / Maryviolet
Ich hörte den Shitstorm der Eltern, die diese Zeilen lesen, schon im Kopf: Wie kannst du nur? Das Kind ist ja erst in der Kita? Es schadet bestimmt ihrer Bindungsfähigkeit. Und überhaupt: Wie selbstsüchtig, Vollzeit zu arbeiten und dann auch noch allein in den Urlaub zu fahren.
Aber Überraschung: A) Es gibt noch so etwas wie den Vater des Kindes und B) Ich bin Journalistin. Und daher habe ich vor meinem ersten Urlaub ohne Kind ganz genau recherchiert, was Expert:innen zu diesem Thema sagen und sogar selbst eine Kindertherapeutin nach ihrer Meinung gefragt. Spoiler: Es schadet den Kindern nicht, solange sie in dieser Zeit bei festen Bezugspersonen sind. Um es mal festzuhalten: Es schadet dem Kind nicht. Aber es hilft mir. Klare Entscheidung, oder?
Und wer weiß, vielleicht findet meine Tochter es später ja mal ganz cool, dass ihre Mama es geschafft hat, auch mit Kind noch eine Karriere zu haben und ein eigenes, aufregendes Leben zu führen. Vielleicht findet sie es auch doof, aber dieses Risiko geh’ ich ein.
Je nachdem, wen man fragt, dürfte der Start in den heutigen Tag von Sorgen, Ängsten und Fassungslosigkeit, oder aber von Euphorie begleitet sein. So oder so, die vergangenen Tage und Stunden waren wohl für niemanden ein Zuckerschlecken.