22 Euro im Monat – so viel zusätzliches Geld haben Studierende ab dem Wintersemester, wenn sie BaföG beziehen. Der Satz soll dann um rund fünf Prozent, von 427 auf 449 Euro steigen. Das reicht allerdings nicht, wie aus einer aktuellen Expertise der Paritätischen Forschungsstelle hervorgeht. Demnach sind laut des sozio-ökonomischen Panels 2022 und des Deutsches Studentenwerk 30 Prozent aller Studierenden in Deutschland von Armut betroffen.
Ein überdurchschnittlicher Teil davon fällt mit 45 Prozent auf Studierende mit BAföG-Bezug. Das mittlere Einkommen armer Studierender liegt bei 802 Euro. Der Abstand zur Armutsschwelle beträgt davon 463 Euro ("Armutslücke").
"Völlig unzureichend" findet das die Sprecherin der BAföG- und Sozialberatung der Technischen Universität Berlin und nennt als Beispiel die Wohnpauschale beim BAföG, "die mit 325 Euro fernab jeder Mietmarkt-Realität einer deutschen Großstadt liegt." Weder lasse sich damit leicht ein WG-Zimmer finden, noch eine eigene Wohnung.
Gegenüber watson sagt sie:
Der angespannte Wohnungsmarkt in deutschen Städten erschwert die Situation zusätzlich. Einen Anspruch auf günstige Wohnungen haben Studierende nicht. "Wohnheimplätze werden bei uns per Los vergeben. Jede*r hat die gleichen Chancen," bestätigt das Studierendenwerk Freiburg.
Wer Unterstützung sucht, kann sich an entsprechende Beratungsstellen wenden, wie das Beratungszentrum Studienfinanzierung Hamburg. Das Team dort "unterstützt mit Studienfinanzierungsberatung zu Themen wie BAföG, Stipendien, Studienkredite, Darlehen für die Studienabschlussphase oder in einer in Notsituation", wie eine Sprecherin des Beratungszentrums auf watson-Nachfrage mitteilt.
Für viele, die keinen Anspruch auf eins dieser Angebote haben, ist das Studium eine harte Zeit.
Gegenüber watson erzählen Studierende über ihre finanziellen Engpässe und was das im Unialltag für sie bedeutet.
Durch die Weiterbildung zum Betriebswirt in Teilzeit bekomme ich BAföG nur für die Prüfungsgebühren und die Teilnahme am Unterricht. Die Weiterbildung kann ich deshalb nur in Teilzeit machen, da es mir chronische Depressionen und andere psychische Erkrankungen nicht anders ermöglichen.
Ein großes Problem ist für mich die Regelung mit der maximalen Fehlzeit von 30 Prozent. Fehlt man häufiger, wird das BAföG gestrichen. Regelmäßige Anwesenheit ist allerdings mit meiner psychischen Erkrankung schwer zu vereinbaren. Da ich nebenbei nicht arbeite, bekomme ich einen Teilsatz vom Arbeitslosengeld I und aufstockend Hartz IV.
Meinem Mann und mir bleiben im Monat für Lebensmittel und Fahrtkosten um die 300 Euro. Durch die Anschaffung der Lehrmaterialien mussten wir bereits eine Kreditkarte belasten. Eine Mieterhöhung wäre eine absolute Vollkatastrophe. Die erhöhten Stromkosten werden auch nicht vom Amt übernommen.
Demnächst steht auch noch der TÜV und die Reparatur des Autos an, die ich nur durch Kreditkarte und Dispo bezahlen werden kann. Derzeit kann ich es mir noch nicht mal leisten, regelmäßig zu meinem Psychologen zu fahren. Ausgehen gibt es bei mir nicht. Dafür ist das Geld nicht da. Außerdem habe ich mich aus der Gesellschaft schon so sehr zurückgezogen, dass ich keine Freunde mehr habe.
Sobald ich den Betriebswirt beendet habe und hoffentlich eine gute Anstellung bekomme, werde ich Schulden in ungefährer Höhe von 7000 Euro abarbeiten müssen. Der BAföG-Kredit ist da noch nicht mit einberechnet.
Meine Mitschüler wissen nicht, dass ich Hartz IV bekomme. Die meisten sind voreingenommen gegenüber Sozialhilfe und da wird man schnell als faul, dumm und ungepflegt abgestempelt. Das ist der Grund, warum ich mich sehr zurückhalte, um nicht aufzufliegen. Nur online habe ich soziale Kontakte knüpfen können.
Aus diesen Erfahrungen konnte ich aber auch etwas lernen: Ich möchte nie ein Mensch sein, der andere vorschnell verurteilt. Zukünftig will ich mich an intelligente, gute und selbstlose Menschen halten. Diese Einstellung werde ich auch in mein zukünftiges Berufsleben mitnehmen.
Erst während des Studiums stellte sich heraus, dass ich wegen einer Traumatisierung psychische Erkrankungen und chronische Kopfschmerzen habe. Als mir während eines Psychiatrieaufenthalts geraten wurde, ein Urlaubssemester zu beantragen, wurde das Geld zum ersten Mal verdammt knapp.
Ich musste dann das Bafög für das laufende Semester zurückzahlen. Zum Glück war ich immer sehr sparsam und hatte deshalb gerade so genug Ersparnisse. So viel zu sparen war nur möglich, weil die Miete in Dresden im deutschen Vergleich gering ist, der BaAföG-Satz aber überall gleich. Ich wählte den Studienort nicht nach Fach, sondern danach, wo ich mir das Leben leisten konnte.
Als ich ab 25 Jahren den Krankenkassenbeitrag selbst zahlen musste und das Kindergeld wegfiel, hatte ich ungefähr 300 Euro weniger im Monat. Ohne Arbeit parallel zum Studium war das nicht zu stemmen, aber das war eigentlich noch in Ordnung.
Aufgrund meiner Erkrankungen, aber auch wegen Corona brauchte ich für mein Diplom allerdings drei Semester länger. In diesen letzten drei Semestern erhielt ich kein BAföG. Ich hätte es ohne die Tafel und Geldgeschenke zu Weihnachten und Geburtstag nicht geschafft.
Nachstehend eine Rechnung meiner finanziellen Situation zu dieser Zeit: Ich habe 650 Euro netto verdient. Meine Wohnkosten lagen bei 350 Euro, der Semesterbeitrag bei 45 Euro. Ausgaben für Schreibwaren, Computer, Handy, Masken, Tests und Medikamente lagen bei weiteren 100 Euro. Essen kostete trotz Tafel ungefähr 80 Euro. Damit blieben 75 Euro im Monat für Kleidung, Freizeit, Nebenkostennachzahlungen und zum Beispiel Reparaturen in meiner Küche oder am Fahrrad.
Mein Freund und ich verzichteten deshalb über ein Jahr lang auf einen Backofen und hatten nur drei Stühle. Der größte Teil unserer Einrichtung besteht aus Geschenken. Neue Kleidung habe ich lange nicht gekauft.
Ich hätte vermutlich etwas Wohngeld erhalten können, hätte ich einen Antrag gestellt. Mir fehlte dazu aber schlicht und einfach die Zeit. In den Prüfungsphasen bin ich ein paar Mal wegen der mehrfachen Belastung durch Studium, Arbeit und Armut ohnmächtig geworden. Meine Noten haben darunter definitiv gelitten.
Ich habe mich riesig auf den Abschluss gefreut, weil ich wusste, dass ich auch mit Hartz IV mehr Geld zur Verfügung haben würde als vorher. Leider ist momentan auch nicht mehr drin, weil ich seit der Diplomprüfung schon vom Einkaufen für den Rest des Tages erschöpft bin. Ich habe Burnout und hoffe so sehr, dass es mir bald besser geht und ich arbeiten gehen kann. Es wäre so heftig, hätte ich umsonst studiert.
Mein Studium an der Freien Universität Berlin habe ich 2014 begonnen. Zu Beginn habe ich noch bei meiner Mutter gewohnt, später dann in einer eigenen Wohnung. Nebenher habe ich 20 Stunden in der Woche als Werkstudentin gearbeitet. Im Monat hatte ich ungefähr 1000 Euro zur Verfügung, wovon die Hälfte allein für die Miete drauf ging. Und das, obwohl ich im Berliner Vergleich noch recht günstig wohnte. Strom, Internet, TV und Telefon kosteten mich 40 Euro, der halbjährliche Semesterbeitrag schlug mit über 300 Euro zu Buche.
BAföG habe ich nicht beantragt, da meine Schwestern mit dem BAföG-Amt zu viele schlechte Erfahrungen gemacht hatten und der Aufwand für die Antragstellung die errechneten finanziellen Vorteile bei weitem überstieg. Ein Sozialleben hatte ich während des Studiums praktisch nicht. Finanziell, aber auch zeitlich wäre das gar nicht möglich gewesen. Wenn man in Vollzeit studiert und den Rest der Zeit arbeitet, um über die Runden zu kommen, dann bleiben keine Ressourcen mehr für andere Aktivitäten übrig.
Während meiner Studienzeit bin ich zunehmend vereinsamt und habe irgendwann auch psychisch und physisch sehr gelitten. Depressionen, Magersucht und chronische Migräne waren meine Begleiter. Ich habe den Kontakt zu anderen Studierenden irgendwann auch gar nicht mehr gesucht, mein Freundeskreis wurde immer kleiner. Da ich wegen Arbeit und Krankheit immer wieder Fehlzeiten aufwies, die ich dann nicht mehr anderweitig abbummeln konnte, verdoppelte sich meine Studienzeit.
Meine Mutter, selbst Akademikerin übrigens, hat alleinerziehend vier Kinder durchgebracht, während sie parallel Vollzeit in der Pflege gearbeitet hat. Finanzielle Knappheit war bei uns schon immer ein Thema. So habe ich früh gelernt, wie man mit wenig Geld lange auskommt.
Umsonst war die harte Zeit allerdings nicht, letztlich wurde ich mit einem Happy End belohnt: Mittlerweile habe ich einen gut bezahlten Job in einer verantwortungsvollen Position gefunden, bin sozial gut angebunden und weitestgehend gesund. Die Erfahrungen von früher lassen mich auf die heutige Situation mit viel Dankbarkeit blicken.