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1&1: Kundenservice mit schweren Vorwürfen konfrontiert

1&1 Logo auf Dach eines Bürogebäudes 16.07.25, Montabaur: Symbolfoto, Illustrationsbild, Symbolbild, Illustrationsfoto, Alltagsszene Großes blaues 1&1-Logo auf dem Dach eines modernen Bürogebä ...
In Online-Foren wurden zuletzt Vorwürfe gegen den 1&1-Kundenservice laut.Bild: imago images / Thorsten Wagner
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Kunden fühlen sich von 1&1 betrogen: Das sagt der Mobilfunkanbieter zu den Vorwürfen

1&1 wirbt mit der größten Kundenzufriedenheit. Offenbar heißt das nicht, dass es nicht auch hier gehörig schiefgehen kann. Das zeigen Vorwürfe, die sich gegen den 1&1-Kundenservice richten. Watson ist dem nachgegangen.
18.08.2025, 18:1818.08.2025, 18:18
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Wanida* ist seit zwölf Jahren bei 1&1. Sie ist also Bestandskundin. Eines Morgens bekommt sie einen Anruf ihres Anbieters: Als Dankeschön für ihre Treue möchte 1&1 ihr ein Angebot machen, für das sie weniger zahle. Wanida findet: Das klingt gut.

Um auf den günstigeren Tarif zu wechseln, müsse sie bloß in der Mail, die sie in diesem Moment erhält, auf den Bestätigungsbutton klicken. Der Mitarbeiter wartet so lange am Telefon, bis die Kundin seiner Bitte folgt, wobei er sie für ihr Empfinden unverhältnismäßig stark drängt.

Kurz wundert sich Wanida über die Aufschrift auf dem Button: "eSIM aktivieren". Davon war nicht die Rede. Auch fehlen genaue Informationen darüber, was sie hier bestätigen soll. Andererseits: Die Nummer des Anrufers verifiziert, dass es sich wirklich um 1&1 handelt, nicht um einen Scam. Und da der Mitarbeiter schließlich wartet, bestätigt sie.

Wieder wird Wanida stutzig, als auf den ersten Klick ein zweiter folgen soll und schließlich ein dritter. Der Mitarbeiter beruhigt sie jedoch, als er auf das Datum verweist, zu dem sie sich bei ihm melden könne, sollte sie nicht zufrieden sein. Ganze fünf Wochen habe sie demnach Zeit.

Nach 1&1-Anruf: Deutlich höhere Rechnung

Einige Wochen später: Wanida wundert sich über die hohe Summe, die von ihrem Konto an 1&1 überwiesen wurde. Statt wie besprochen weniger zu zahlen, ist der Betrag erheblich gestiegen.

Sie öffnet ihre 1&1-App und prüft ihre Vertragsübersicht. Dort sieht sie ihren ursprünglichen Tarif, dem drei weitere hinzugefügt wurden. Sofort ruft sie bei 1&1 an.

1&1: Eine Kundin wurde mit einem kuriosen Fall konfrontiert, bei dem ihr ein günstigerer Tarif als ihr ursprünglicher angeboten wurde, stattdessen aber drei zusätzliche Verträge bekommen hat. Hand ...
Die Vertragsübersicht von Wanida nach ihrem Bestätigungsklick.Bild: watson / screenshot 1&1-app

Leider hat sie mit dem Anruf die 14-tägige Widerrufsfrist der neuen Tarife überschritten. Seltsam: Sie erinnert sich an die Zeitspanne, von der der Mitarbeiter sprach. "Aus Kulanz" werden die drei neuen Tarife gekündigt und die zusätzliche Summe erstattet.

Wanida fühlt sich unfair behandelt: Wieso sollte ein Mitarbeiter versehentlich drei neue Verträge aufsetzen, wenn er nur einen einzigen vergünstigen will? Warum gab es in der Mail keine Infos darüber, was genau sie mit dem Klick bestätigte und wieso sollte dies noch während des Anrufs geschehen?

"Sie bat mich, zwei E-Mails sofort zu bestätigen, ohne sie ausführlich zu lesen."
1&1-Kunde Kerem gegenüber watson

Anonyme Online-Beschwerden über 1&1-Kundenservice

Der beschriebene Fall liegt der watson-Redaktion vor. Die große Frage: Ist es ein Einzelfall oder passiert das öfter? Auf der Suche nach einer Antwort finden sich zunächst zahlreiche Beiträge in Online-Foren, die ähnliche Situationen schildern.

So schreibt ein gewisser Stefan, 1&1-Bestandskunde, in einem Verbraucherschutz-Forum: "Er drängte mich, auf die Links zu klicken, die er mir per Mail gesendet hatte. In meiner Mittagspause schaute ich in mein Kundencenter und musste feststellen, dass ich keinen günstigeren Vertrag hatte, sondern drei neue Verträge."

"Mir ist das auch passiert", schreibt Maria im selben Forum. "Ich wurde mit einem Rabatt gelockt und dann betrogen. Habe jetzt deutlich höhere Kosten."

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Die Firmenzentrale von 1&1 in Montabaur.Bild: dpa / Wolf von Dewitz

Angeblicher Ex-Mitarbeiter über vermeintlichen Arbeitsdruck

Wieder jemand Weiteres behauptet auf Reddit, selbst als Call-Center-Agent für 1&1 gearbeitet zu haben. Der anonyme Account berichtet von "extremem Druck", der auf die Mitarbeitenden ausgeübt werde.

Man erwarte, dass so viele Verträge wie möglich abgeschlossen werden, andernfalls drohten Konsequenzen. Auch die Person selbst sei nach einiger Zeit auf Manipulation übergegangen, weshalb sie nun vor dem Anbieter warnt.

Ob solche anonymen Berichte wahr sind, lässt sich nur schwer prüfen. Watson hat das Unternehmen sowohl mit den Schilderungen als auch mit dem konkreten Fall von Wanida konfrontiert.

1&1: Statement zu vermeintlicher Vertragsfalle

1&1 erklärt auf watson-Anfrage, wie ein Vertrag zustande kommt: Nach einem Anruf erhalten Kund:innen eine Mail mit allen wichtigen Details. "Ein Vertrag kommt erst zustande, nachdem Kund:innen diese Angaben geprüft und den Abschluss ausdrücklich per Klick in der E-Mail bestätigt haben."

Bei Wanida verlief das anders, denn ihre Mails während des Anrufs enthielten kaum Informationen. 1&1 antwortet: Hier kam es "im Beratungsgespräch leider zu fehlerhaften Aussagen, sodass Neuverträge erfasst wurden." Der Fall gehe auf einen "individuellen Fehler eines Mitarbeiters zurück".

Zu den Online-Beiträgen erklärt 1&1: "Wir hoffen auf Verständnis, dass wir uns zu anonymen Beiträgen in Internetforen grundsätzlich nicht äußern."

Verärgerte User sprechen mit watson

Dass 1&1 sich zu anonymen Beiträgen nicht äußert, ist nachvollziehbar. Es könnten schließlich auch Trolle sein, die dem Unternehmen unbegründet schaden wollen. Watson hat deshalb bei einigen der User:innen selbst nachgefragt.

"Ich bin 89 Jahre. Ich habe denen tausendmal erklärt, dass ich rauswill."
1&1-Kunde Walter gegenüber watson

Kerem*, ein Reddit-User, der sich ebenfalls online beschwerte, antwortet auf watson-Anfrage, er habe eine "extrem belastende" Zeit hinter sich: "tägliche Anrufe, zahlreiche E-Mails und die Sorge um unberechtigte Kosten".

Kerem ist seit neun Jahren bei 1&1. Eine Mitarbeiterin, deren Name und Nummer er watson vorlegen kann, habe sich kürzlich per Anruf für seine Treue bedankt – mit einem Angebot.

"Sie bat mich, zwei E-Mails sofort zu bestätigen, ohne sie ausführlich zu lesen, damit das Angebot freigeschaltet werden könne." Erst als Kerem einige Tage später zwei neue SIM-Karten für jeweils einen Tarif erhielt, verstand er, "dass mir zwei neue Verträge untergeschoben wurden, die ich nicht bestellt hatte."

89-Jähriger fühlt sich von 1&1 hintergangen

Auch Walter* hat in einem Verbraucherschutz-Forum einen Beitrag gepostet. Gegenüber watson bot der Mann freiwillig an, sich mit seiner 1&1-Kundennummer auszuweisen.

"Ich habe niemanden mehr, wofür brauche ich ein Handy?"
1&1-Kunde Walter gegenüber watson

"Ich bin 89 Jahre. Ich habe denen tausendmal erklärt, dass ich rauswill. Ich bin Witwer und auch meine Tenniskollegen sind tot. Ich habe niemanden mehr, wofür brauche ich ein Handy?", fragt der 1&1-Kunde am Festnetztelefon.

Walter schildert seine Situation, die sich abermals mit den vorherigen ähnelt. Auch er bekam während eines Anrufs eine Mail mit Bestätigungslink, die seinen Tarif vergünstigen sollte.

"Der Vertrag ist nicht zustande gekommen, weil ich nicht draufgedrückt hab. Wenn ich nicht so klar im Kopf wäre, hätte ich das aber." Schließlich sagt Walter, er ärgere sich am meisten über das Gefühl, man habe sein hohes Alter für eine Manipulation ausgenutzt.

Auf watson-Anfrage entschuldigt sich 1&1 bei den Betroffenen für die Unannehmlichkeiten. Man sei bemüht, dass alle Kund:innen die jeweils passenden Angebote erhalten. Gelingt dies nicht, wie in den genannten Fällen, suche man nach schnellen und kulanten Lösungen.

Verbraucherzentrale reagiert

Auf Anfrage ordnet die Verbrauchenzentrale das Thema ein: "Verbraucher:innen müssen vor Vertragsabschluss klar und verständlich in hervorgehobener Weise über wesentliche Vertragsbestandteile informiert werden."

Das heißt: Die Kaufsituation sei so zu gestalten, dass Kund:innen "ausdrücklich bestätigen, dass sie sich zu einer Zahlung verpflichten. Ein Button mit der Aufschrift 'eSIM aktivieren' erfüllt diese Anforderungen nicht."

Zu den konkreten Fällen könne man sich gegenüber watson nicht äußern, ohne sie selbst zu verifizieren, aber: "Wir sind der Ansicht, dass die provisionsbasierte Vergütung der Verkaufsmitarbeiter:innen dazu führen könnte, dass sie sich stärker darauf konzentrieren, möglichst viele Verträge abzuschließen, was wir nicht in Ordnung finden."

Was tun bei ungewolltem Vertrag?

Laut Verbraucherzentrale gehen auch hier zahlreiche Beschwerden über telefonische Vertragsabschlüsse ein. Ist man von einem solchen Fall betroffen, empfiehlt sie Folgendes:

Zunächst solle man schauen, ob die Widerrufsfrist noch gilt. Diese bestehe grundsätzlich 14 Tage, aber: Ohne korrekte Belehrung könne sie sich auf zwölf Monate verlängern.

Sollte eine Mail mit Bestätigungsbutton einen falschen Eindruck entstehen lassen, kann zudem versucht werden, den Vertrag "wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung" anzufechten. Für weitere Fragen steht die Verbraucherzentrale zur Verfügung.

*Die Namen wurden von der Redaktion geändert.

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