Sechs Wochen dauerte es, bis Friseure wieder öffnen durften. Eine Zeit, in der sich Haare und Bärte verselbstständigten und der Bad Hair Day zum Bad Hair Life wurde. Viele dürften daher mehr als dankbar sein, dass die Friseure nun wieder geöffnet haben. Im Zuge der Lockerungen in der Corona-Krise durften die Salons am Montag wieder aufsperren, wenn sie bestimmte Auflagen befolgen.
Wie nötig die Öffnung der Friseure war, zeigt das Terminportal Treatwell. Laut einer Sprecherin haben sich die Buchungen dort seit der Ankündigung, dass die Salons wieder öffnen dürfen, wöchentlich um 2000 Prozent gesteigert.
Demnach sollen viele Salons im Mai keinen Termin mehr verfügbar haben. Die Kunden müssen teilweise dreimal länger als normal auf einen Platz warten. Das muss aber nicht nur an den verschnittenen oder verwachsenen, selbstgeschnittenen Frisuren liegen, sondern könnte auch mit den Corona-Richtlinien zusammenhängen.
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege schreibt etwa vor, dass die Wartebereiche für Kunden abgeschafft werden, Friseure sowie Kunden einen Mund-Nasen-Schutz tragen und der Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen allen im Salon anwesenden Personen eingehalten wird. Das schränkt die Kapazitäten ein.
Auf eine hohe Nachfrage kommen also wenige Plätze. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Vielleicht wäre eine Art Numerus Clausus für den Friseurbesuch sinnvoll. Kunden schicken den Salons Selfies und die unansehnlichsten Frisuren werden zuerst angenommen.
Die Friseurin Bianca Böhlert wählt für ihren Salon in Braunschweig einen anderen, weniger verletzenden Weg: "Der Fokus liegt gerade eher auf den Stammkunden. Neukunden nehmen wir erstmal nicht mehr an", sagt sie gegenüber watson. Denn auch bei ihr kam es direkt nach der verkündeten Wiedereröffnung zu einer hohen Nachfrage. Für den Mai sei sie schon fast ausgebucht. Treue Kunden bekommen entsprechend Vorrang.
Im Juni bietet sie noch keine Termine an. Bislang sei es nämlich noch unklar, ob sie da weiterhin mit begrenzten Kapazitäten arbeiten muss oder nicht. Denn auch sie kann ihren Laden nicht vollständig nutzen.
Auch alle Stühle könne sie nicht gleichzeitig belegen. Platzmangel und ein Kundenansturm sorgen für eine organisatorisch komplexe Aufgabe. Zudem wirken sich die Hygienemaßnahmen auf die Arbeit aus. So muss Bianca die Haare ihrer Kunden vor jeder Behandlung waschen. Selbst ein Kunde, der nur schnell einen Maschinenschnitt will, kann viel Zeit in Anspruch nehmen.
Von ihren Kunden fordert das einiges an Geduld. Dass sie dann noch auf Leistungen wie eine Rasur oder Brauen färben verzichten müssen, könnte sie noch mehr strapazieren. Könnte. Denn bisher scheinen ihre Kunden gut damit zurechtzukommen:
Für die Friseure könnte es hingegen zu einem eher gestalterischen Problem kommen. Denn die Mund-Nasen-Maske verdeckt das Gesicht zu großem Teil. Da die Frisur aber auch auf das Gesicht abgestimmt wird, ist es schwierig zu erkennen, was denn nun passt. Nehmen wir mal den Undercut. Ein längliches Gesicht wird durch die Frisur weiter gestreckt – das Ergebnis ist ein bananenförmiger Kopf. "Da richtig zu beraten und eine passende Frisur schneiden ist nicht leicht", sagt Bianca.
Doch so ungewohnt die Umstände auch sind, die meisten Friseurbetreiber dürften froh sein, ihre Pforten wieder öffnen zu dürfen. Denn innerhalb der sechswöchigen Schließung gab es keinerlei Einnahmen. Wie auch, ohne Kunden? Laufende Kosten wie Mieten oder auch Lieferungen mussten also mittels Notgroschen finanziert werden – sofern ausreichend vorhanden. Bianca musste etwa Schulden machen, damit ihr Betrieb überlebt.
Wichtig war ihr aber nicht nur die eigene Existenz, sondern auch die ihrer Mitarbeiter. "Als Betreiberin trage ich schließlich auch eine Verantwortung für sie", sagt sie. Genau dieser Gedanke sorgte für zusätzlichen Druck. Über den Rettungsschirm der Bundesregierung konnte sie während der Schließung zumindest einen Teil der Kosten stemmen. Auch wenn sie bisher nicht die volle Fördersumme erhalten hat. Zumindest fließen die Einnahmen wieder.
Und wahrscheinlich wird es noch eine ganze Weile eine erhöhte Nachfrage geben. Denn in der Corona-Zeit sollte es viele gescheiterte DIY-Frisuren geben, die einer "kleinen" Korrektur bedürfen. Nun ja, immerhin konnten die Betroffenen lernen, dass Haare schneiden eben doch ein Handwerk ist, das man nicht über ein paar Tutorialvideos erlernt.