Wer Gewalt erlebt, der zieht sich nicht selten zurück. Lebt nur noch als Schatten seiner selbst.
So ging es auch der Moderatorin Mona Buruncuk. Bald 20 Jahre ist es her, seit sie in eine Beziehung gerutscht ist, die alles verändert hat. Auch sie selbst. Bald 20 Jahre hat sie geschwiegen, niemandem auch nur ein einziges Wort über die Hölle erzählt, durch die sie gegangen ist. Allein mit sich und all ihren Gedanken und Ängsten. Zu groß war die Angst, jemandem davon zu erzählen, oder ihn gar anzuzeigen. Was wäre, wenn man ihr nicht glauben würde?
Doch damit soll jetzt Schluss sein.
Mona will ihrem Ex-Freund keine Macht mehr über sich geben. Allem voran aber will sie all den anderen Frauen Mut machen, denen es geht, wie ihr.
Rückblende.
Es ist ein sonniger, warmer Nachmittag im Juni, der für Mona alles verändert. Sie ist damals Anfang 20 und gemeinsam mit einer Freundin auf einem Schützenfest in der Nähe von München. Als wäre es gestern, erinnert sich Mona an diesen Moment. Sie sitzt auf einer Bierbank, lässt ihren Blick über die Menge schweifen – da sieht sie ihn. Und er sie. Ihre Blicke treffen sich und Monas Herz beginnt zu rasen.
"Das war Liebe auf den ersten Blick", sagt sie heute im Gespräch mit watson. Diese grün-blauen Augen, dieses Lächeln – er scheint direkt in ihr Herz zu blicken. Mona gibt sich einen Ruck, spricht ihn an. Der Nachmittag wird zum Abend, und schließlich zur Nacht: Von diesem Tag an gibt es nur noch sie zwei.
Alles scheint perfekt.
Ihr neuer Freund trägt Mona auf Händen. Er kocht Abendessen für sie, bringt ihr Blumen mit, lädt sie zu Wellness-Wochenenden und zum Skifahren ein, holt sie von der Arbeit ab. Jeden Wunsch liest er ihr von den Augen ab. "Ich habe mich gefühlt wie eine Prinzessin, ich war so verliebt", erzählt sie. Noch heute jagt ihr eine Gänsehaut über den Rücken, wenn sie an ihn zurückdenkt. Alles war so intensiv.
Nach nur vier Wochen ziehen sie zusammen. Und Mona schwebt auf Wolke sieben.
Nur gelegentlich wundert sie sich über die vielen Anrufe. Über die Nachfragen, wo sie gerade sei – und mit wem. "Das war manchmal wie ein Gedankenblitz, der mir gekommen ist." Doch dann wischt sie die Gedanken wieder beiseite. Unsinn, er ist nur ein bisschen besorgt, vielleicht auch eifersüchtig. Dass er so viel Zeit mit ihr verbringen will, wie möglich, genießt Mona.
Dass sie ihre Freundinnen und auch Eltern immer weniger sieht, merkt sie gar nicht wirklich. Einen großen Freundeskreis hat sie nicht, und wenn doch mal eine Freundin anrief, ging sie meist gar nicht erst ans Telefon. Oder sie hatte eine Ausrede parat, warum sie mal wieder keine Zeit hatte. "Er wollte immer nur etwas mit mir allein machen – aber ich habe das nie negativ gesehen, ich war wie besessen und richtig doll verliebt in diesen Menschen."
Es gibt nur noch sie und ihn.
Doch mit der Zeit beginnt das perfekte Bild zu bröckeln. Ihr Märchenprinz weicht mehr und mehr einem Kontrollfreak. Zu jeder Zeit will er wissen, wo sie ist, mit wem sie spricht, lacht, arbeitet. "Wenn ich mich morgens angezogen habe und er mein Outfit zu sexy fand, dann musste ich mich umziehen, bevor ich losgehe." Ein bisschen komisch findet Mona das, aber andererseits – vielleicht sind Männer auch so? Sie weiß es nicht. Und außerdem ist da immer diese Angst, dass sie allein sein wird. "Ich bin Scheidungskind, das schwingt immer mit."
Nur, dass er sie plötzlich jeden Tag von der Arbeit abholt, sie nicht mehr mit ihren Kolleg:innen etwas trinken gehen kann, das macht sie traurig. Und ein bisschen peinlich ist es ihr auch. "Er stand immer da und hat schon auf mich gewartet." Anspannung bis zum Zerplatzen. Bloß alles richtig machen. Bloß alles tun, was er will.
Er hat zwei Gesichter: Da ist der Märchenprinz auf der einen Seite, der sie auf Händen trägt, ihr Blumen schenkt und Komplimente macht. Und da ist der Kontrollfreak auf der anderen Seite. Der Trinker, der wütend wird, sie demütigt, schlägt, einsperrt. "Aber wer ihn getroffen hat, der würde das nie, nie, nie denken. Ich weiß auch nicht, ob mir damals jemand geglaubt hätte", sagt Mona. Ihre Stimme zittert, bricht. Auch heute noch muss sie weinen, wenn sie an diese Zeit zurückdenkt.
"Das Problem ist, wenn dir immer und immer wieder jemand sagt, dass du schuld bist, du dumm und eifersüchtig bist, dann glaubst du das irgendwann", sagt Mona.
Die Angst in ihr wird größer, liegt ihr schwer im Magen. Vor allem dann, wenn er trinkt. "Da ist er dann immer richtig ausgeflippt. Einmal bin ich nach Hause gekommen, da hat er mich mit einem Kleiderbügel verprügelt", Mona schluchzt auf. Ihre Stimme zittert. Danach hat er sie eingesperrt, ins Schlafzimmer. Wenn Nachbarn klingelten und fragten, ob alles okay sei, dann erzählte er, dass sie zu viel getrunken habe. Aber ja, alles okay.
Doch Mona arrangiert sich mit der Situation. Mit ihm.
Wenn er sie verprügelt und sie blaue Flecken hat, meldet sie sich krank – bis sie alles überschminken kann. Bloß unauffällig sein. Wenn ihre Kolleg:innen dennoch fragen, erzählt sie, sie sei gestürzt. Bloß nichts Falsches sagen, sie muss zu ihm halten.
Ihre Gedanken drehen sich im Kreis. Sicher meinte er es nicht so. "Er hat sich ja jedes Mal entschuldigt, war zuckersüß und hat mir gesagt, wie sehr er mich liebt. Und ich habe ihm jedes Mal wieder verziehen. Ich habe ihn ja auch geliebt", sagt Mona und schweigt. Ihre Worte hängen noch einen Moment in der Luft.
Bis sie auf einmal aus ihrer Starre erwacht. Das ist nicht normal, dieses Verhalten, meint sie. "Da hilft auch keine Paartherapie, wenn jemand gewalttätig ist – dieser Mensch ist doch krank im Kopf", sagt Mona heute. Sie weiß jetzt: Sie muss weg hier, so schnell wie möglich. In ihrem Kopf formiert sich ein Plan.
"Zum Glück war er an den Wochenenden oft mit seinen Jungs unterwegs, Männerrunde", sagt Mona. Diese Zeit nutzt Mona jetzt – und plant ihre Flucht. Sie findet eine Wohnung, wechselt heimlich die Telefonnummer. Plant jeden einzelnen Schritt. Er soll sie nicht finden können.
Als er das nächste Mal weg ist, packt Mona Hals über Kopf ihre Sachen. Bloß weg hier. Weg von ihm. Nur ihre Klamotten nimmt sie mit, alles andere lässt sie zurück. "Aber es ist schon kurios, er hat nie versucht, mich zu finden." Oder zumindest weiß sie nichts davon.
Viele Jahre sind seitdem verstrichen. Mona hat all das hinter sich gelassen, geblieben sind lediglich die Erinnerungen. "Ich hoffe inständig, dass andere Frauen sich früher ermutigt fühlen, ihre Stimme zu erheben und vor allem zu gehen", sagt die Moderatorin und betont: "Ich möchte ihnen Mut machen und zeigen: Sie sind nicht allein."