Corona – ein Thema, das viele Menschen in Deutschland zunehmend leid zu sein scheinen. Doch das Virus kann verheerend sein, sogar für junge Leute, die sich eigentlich nicht in Gefahr wägen. Das zeigt etwa Luisa.
Die Düsseldorferin erkrankte dieses Frühjahr im Alter von 21 Jahren an Covid-19, war sogar im Koma. Das ist nun schon Monate her, doch mit den Spätfolgen hat sie immer noch zu kämpfen. Wenn sie Bilder von feiernden Menschen oder Anti-Corona-Demos sieht, hat sie Sorge, dass es anderen bald ähnlich ergehen könnte. Gerade deswegen möchte sie ihre Geschichte bei watson teilen.
Noch Anfang des Jahres lebt Luisa in Sevilla, um ein Praktikum bei einer Designerin zu machen. Dort wohnt sie in einer WG, hat einen Freund, ist ausgelassen, plant, länger zu bleiben. "Corona war zu dem Zeitpunkt in Europa noch gar kein Thema. Jeder hatte ein bisschen von diesem Virus aus China gehört, aber keiner wusste, dass er bereits in Spanien angekommen war", erzählt Luisa.
Am 15. März hat Luisa plötzlich starke Halsschmerzen, dann hohes Fieber. "Schnell und heftig", hätten die ersten Symptome zugeschlagen, sagt sie. Einen Tag später tritt die Ausgangssperre in Spanien in Kraft, Luisa alarmiert den Corona-Notruf, auch weil sie zur Risikogruppe gehört, Asthmatikerin ist. Doch die drei Sanitäter, die zu ihr nach Hause kommen, machen keinen Covid-19-Test, sondern diagnostizieren nur eine Mandelentzündung. Doch Luisa geht es schon bald schlimmer. Am 22. März muss ein Krankenwagen kommen, um sie abzuholen. Auf der Intensivstation wird sie sofort ins künstliche Koma versetzt, weil ihre Sauerstoffversorgung lebensbedrohlich schlecht ist und ihr Husten wohl sonst die letzten Atemzüge gewesen wären.
Fünf Wochen lang liegt Luisa in Spanien im Koma – für sie ist diese Zeit immer noch völlig unwirklich. "Ich hatte Glück, dass mein Freund da war und meiner Mutter über Instagram Bescheid geben konnte, dass ich im Krankenhaus bin. Ich selbst war dazu nicht mehr in der Lage. Es konnte niemand zu mir, weil ich lange infektiös war und Auslandsreisen sowieso verboten wurden. Meine Mutter hat sehr darunter gelitten, sie musste alle wichtigen Entscheidungen am Telefon treffen und hatte natürlich große Angst um mich. Vieles war da ja noch völlig unbekannt."
Ende März wird sie an eine spezielle Lungenmaschine (ECMO) angeschlossen, weil sich ihr Zustand immer kritischer wird. Diese Maschine gehört nicht zum Standard in Kliniken, doch für Menschen wie Luisa ist sie überlebenswichtig. Sie soll ihr Blut mit Sauerstoff versetzen, damit die Organe nicht weiter geschädigt werden, doch erst nach anderthalb Wochen schlägt die Behandlung an. "Bis die Ärzte sahen, dass sie funktionierte, hieß es immer, mein Zustand sei extrem kritisch", sagt Luisa. Heute weiß sie, was für ein Glück sie hatte, dass in der Klinik überhaupt so eine Maschine zur Verfügung stand. "Ohne die hätte ich nicht überlebt. Mit der Maschine hatte ich zumindest eine Überlebenschance von 65 Prozent."
Luisa erlebt das Koma wie eine Parallelwelt. "Ich hatte schlimme Komaträume, in denen meine Familie und Freunde krank wurden und starben. Für mich waren alle diese Erlebnisse so real und bis heute erinnere ich mich an sie wie an Momente, die wirklich geschahen. Vieles in der Klinik habe ich auch gespürt und in diese Träume eingebaut, zum Beispiel den Schnitt an meiner Luftröhre." Doch auch gute Dinge dringen zu ihr durch. Ihr Freund schreibt ihr ein Lied, das die Schwestern ihr vorspielen. "Das war das Schönste", sagt sie heute. "Als ich wieder aufwachte, konnte ich den Song bereits auswendig."
Sie überlebt. Doch nach dem Aufwachen plagen sie Halluzinationen und schon bald erkennt sie, dass ihr Leben, wie sie es kannte, vorbei ist. Erst nach drei negativen Corona-Tests darf Luisa Anfang Mai mit einem intensivmedizinischen Flug nach Deutschland in die Uniklinik fliegen, dort geht die Arbeit an ihrem geschädigten Körper weiter. "Das erste Mal, dass mich die Physiotherapeuten auf dem Bett hinsetzen wollten, bin ich einfach wieder umgefallen. Ich hatte überhaupt keine Kraft mehr." Bis heute fällt es ihr schwer, das zu realisieren.
Früher tanzte sie in ihrer Freizeit, machte Capoeira. "Heute brauche ich zwei Anläufe, um aus dem Sitz aufzustehen", sagt sie. Sie hat Taubheitsgefühle in den Armen und Beinen und keine Ausdauer mehr. "Ich bin jetzt wie eine alte Frau, muss immer schauen, wo der nächste Stuhl steht, wenn ich mit dem Rollator unterwegs bin. Für alles brauche ich Hilfe, manchmal selbst beim Anziehen."
Morgens fehle ihr der Atem, abends die Kraft, sagt sie. Deshalb ist sie inzwischen zum zweiten Mal in der Reha. Insgesamt sind es nun schon neun Wochen, die sie zusammen mit Logopäden, Physiotherapeuten und Elektrotherapie an ihrem Körper arbeitet, in der Hoffnung, dass sie in ihr altes Leben zurückfindet. "Die Reha ist für mich inzwischen Normalität", sagt sie. "Aber wenn ich zu Hause bin, fällt mir erst auf, wie wenig ich kann von all den Dingen, die ich früher gewöhnt war. Das Singen fehlt mir auch. Früher habe ich das so gerne getan, aber mein Atem reicht nicht mehr und selbst die Muskeln an meinen Stimmbändern haben sich zurückgebildet."
Wie lange das so weitergeht und ob sie jemals wieder zu alter Form finden kann, ist ungewiss: "Schließlich ist das alles nicht erforscht", sagt Luisa. "Keiner kann mir sagen, wie mein Leben in Zukunft aussieht." Gerade für einen Menschen, der am Anfang seines Berufslebens steht, sei das belastend. Die nötigen Therapien werden nicht alle von der Kasse übernommen, weswegen Luisas Familie nun auch Spenden sammelt. Doch dass sie überhaupt noch lebt, macht sie auch stolz. "Es hätte anders ausgehen können", sagt sie. "Aber ich habe es geschafft, auch wenn noch ein weiter Weg vor mir liegt."
Dass es Leute gibt, die Corona nicht für schlimm halten, entsetzt sie. "Wenn ich diese Demos sehe, fehlen mir echt die Worte. An alle Zweifler: Corona ist echt! Ich bin der lebende Beweis, dass Menschen – auch junge Menschen – krank werden können und es zum Teil gerade so überleben."
Um den Leuten das vor Augen zu führen hat die Modedesignerin T-Shirts für Covid-19-Überlebende und Menschen, die für die Krankheit sensibilisieren wollen, entworfen. "Ich will damit auf das Thema Corona aufmerksam machen. Es gibt mir Kraft und macht mir Mut, wenn die Leute mich wegen meines Rollators und der Narben am Hinterkopf anstarren, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen ihre Haltung ändern, wenn sie mir gegenüberstehen und meine Geschichte hören", sagt sie. "Dann nimmt man es ernst. Und gerade jetzt ist es wichtig, dass alle aufeinander Acht geben."