
Silvester ist nicht nur Party. Es kann sich auch trist und traurig anfühlen. Bild: imago images / Christian Spicker
Nah dran
Am Silvesterabend fließen bei mir regelmäßig Tränen. Auf den Spuren meines Neujahrs-Blues.
29.12.2024, 14:4729.12.2024, 14:47
"Zeeehn, neeeun, aaacht, sieeeben, seeechs, füüünf, vieeer, dreeei, zweeei, eeeins!" Ich bin überzeugt, jede:r hat die Stimmen von Friends und Family am Silvesterabend im Kopf, wie sie gemeinsam die letzten zehn Sekunden des Jahres herunterzählen. Sektgläser in den Händen. Im Hintergrund läuft die Silvestersendung im ZDF oder Ersten. Erste Böller gehen schon hoch.
Nach der "eeeins" fangen alle an zu jubeln. Fallen sich in die Arme. Der Sekt fließt. Bei mir sind es die Tränen.
"Ich nehme Anlauf. Springe kopfüber in ein schwarzes Loch. Da unten ist es dunkel, kalt und still."
Am Silvesterabend habe ich regelmäßig ein emotionales Tief. Mit den Jahren hat es sich verselbständigt und heute fühlt es sich so an, als würde ich mich ganz bewusst und absichtlich hinein manövrieren. Ich versuche gar nicht, mich zu wehren. Ganz im Gegenteil.

Silvester muss nicht nur gute Gefühle auslösen.Bild: dpa / Fabian Sommer
Ich nehme Anlauf. Springe kopfüber in ein schwarzes Loch. Da unten ist es dunkel, kalt und still. Das vergangene Jahr zieht noch einmal an mir vorbei – leider aber nur die Ereignisse, die schiefgelaufen sind.
Ich frage mich, wie es soweit kommen konnte.
Tränen um Mitternacht: Auf den Spuren meiner Silvester-Emotionen
Ich erinnere mich an den Jahreswechsel von 2018 auf 2019. Ich feiere mit zwei Freundinnen, wir essen selbstgemachte Lasagne und trinken Wein. Wenn man den Hals reckt, kann man mit etwas Mühe von der Fensterfront aus meiner damaligen Dachgeschoss-Wohnung in Bielefeld einen Blick auf die Sparrenburg erhaschen. Die Wohnung ist festlich geschmückt.
Watson ist jetzt auf Whatsapp
Jetzt auf Whatsapp und Instagram: dein watson-Update! Wir versorgen dich
hier auf Whatsapp mit den watson-Highlights des Tages. Nur einmal pro Tag – kein Spam, kein Blabla, nur sieben Links. Versprochen! Du möchtest lieber auf Instagram informiert werden?
Hier findest du unseren Broadcast-Channel.
Es ist ein schöner Abend – bis das Finale um Mitternacht näher rückt. Mit dem Höhepunkt des Tages kommt mein persönlicher Tiefpunkt. Den Gefühlsausbruch zum Jahreswechsel kennen meine Freund:innen schon. Warum mir aber genau dieser Silvesterabend so in Erinnerung geblieben ist, weiß ich nicht. Und auch nicht, was genau in mir alles hochkam. Wahrscheinlich ist das auch zu lange her.
Aber ich habe eine Vermutung.
Wenige Wochen zuvor hatte ich meine schriftlichen Klausuren aus dem Staatsexamen geschrieben. Damit ist eine besonders harte Zeit aus meinem Jurastudium zu Ende gegangen. Ein Jahr vorher geht man traditionell ins Repetitorium – Kurse, in denen man intensiv auf das Examen vorbereitet wird.
Kurse, Lernsessions in der Bib und mindestens eine fünfstündige Probeklausur pro Woche wechselten sich ab. Ich hatte monatelang eine Sechs-Tage-Woche und kaum Pausen. Klar, dass ich am Ende des Jahres völlig am Ende war und hemmungslos weinte.
Silvester in der Kindheit war noch aufregend!
Ein großer Kontrast zu meiner Kindheit, in der Silvester noch einer der schönsten Tage des Jahres war. In der Nachbarschaft gab es eine gemeinsame Feier, die Familien haben sich von Jahr zu Jahr mit dem Ausrichten abgewechselt und wir Kinder haben gemeinsam bis in die frühen Morgenstunden miteinander gespielt. Kein Zeitgefühl. Wir waren sorg- und die Nacht endlos.
Als ich älter wurde, habe ich mit meiner großen Clique gefeiert: ganz klassisch mit Raclette, Bleigießen und Quatschen. Girlhood halt.
Die Silvester-Traurigkeit kam irgendwo zwischen dem Hinterfragen meiner bisherigen Lebensentscheidungen und der Sorge, diese nicht rückgängig machen zu können. Am letzten Tag des Jahres bäumten sich diese dann erbarmungslos vor mir auf. Volle Konfrontation.
Silvester im Bett: Völlig okay!
Seitdem ist viel passiert. Ich habe mein Leben mehr als einmal umgestellt und bin gewachsen. Das unwohle Gefühl vor, an und nach Silvester ist aber geblieben, auch wenn es nicht mehr so heftig ist, wie es von 2018 auf 2019 war.

Neujahrsgrau. Mies. Und wirklich nicht hilfreich.Bild: imago images / Stefan Zeitz
Dem Silvesterabend blicke ich deswegen auch heute noch mit Ehrfurcht entgegen und am ersten Januar möchte ich mich gerne verkriechen.
Und wisst ihr was? Das ist okay!
Ich werde die Reste vom Essen mit übriggebliebenen Raclettekäse überbacken und in mich reinstopfen, während ich "Titanic" schaue. Ich bedanke mich hier bei meinem Kollegen Dariusch, dass er angeboten hat, am 1. Januar zu arbeiten, als ich ihm von meinen Neujahrs-Plänen erzählt habe. So kann ich das Jahr in meinem Tempo starten.
Und das Wichtigste: Ich weiß, dass ich in dem schwarzen Loch nicht ertrinken werde und dass liebe Menschen für mich da sind. Und ich weiß, dass ich am 2. Januar wieder auftauchen werde. An alle, denen es genauso geht: Ihr werdet gesehen!
Ein Bauer aus NRW erlebte am Wochenende sein blaues Wunder: Als er morgens zu seinem Spargelfeld kam, fand er nur noch abgebrochene Stängel vor. Gegen solchen Diebstahl kann er kaum etwas tun.
Es war ein Sonntagmorgen, der für Spargelbauer Dirk Janßen aus Walbeck zum Schock wurde. Als er morgens einen besorgten Anruf von einem seiner Mitarbeiter bekam, war schnell klar: Hier war nicht nur jemand gierig – hier war jemand kriminell. 250 Kilogramm grüner Spargel waren über Nacht spurlos verschwunden.