In den Metro-Stationen in Paris hängen rosa Schilder, die direkt zeigen sollen, wo sich welches Stadion befindet. Die Phryges, die etwas schrägen Olympia-Maskottchen, werden seit Wochen in vielen Geschäften angeboten. Zudem gibt es Souvenirshops, in denen ausschließlich Olympia-Andenken verkauft werden und wo es alles gibt, von der Tasse bis zum Kuscheltier. Doch bisher hat diese Läden kaum ein Mensch betreten.
10.500 Sportler:innen aus über 200 Nationen sollen in 32 Sportarten vom 26. Juli bis zum 11. August in der französischen Hauptstadt gegeneinander antreten. 15,3 Millionen Besucher:innen werden zu den Olympischen Spielen (zusammen mit den Paralympics, 28. August bis 8. September) erwartet. Doch ob viele Pariser:innen dabei sein werden, ist unklar. Denn manche von ihnen haben keine Lust auf Olympia.
"Ich habe das Gefühl, dass sich alles statt um Olympia irgendwie noch um die letzte Fashion Week dreht", erklärt Carola Antelme, selbständige Kommunikations-Beraterin aus Paris. "Es gibt massig Baustellen ohne merkliche Fortschritte, Tribünen werden ganz gemütlich aufgebaut." Sie überlegt, die Stadt in den kommenden Wochen zu verlassen. Die meisten ihrer Freund:innen machen es so, sagt sie, weil niemand sicher ist, ob Paris den Menschenmassen Herr werden kann: "Urlaube werden verlängert, Landhäuser werden zu Coworking Spaces, die meisten kommen erst wieder zum Schulbeginn am 1. September zurück."
Auch bei der französischen Journalistin Paquerette Grange will sich noch keine Olympia-Euphorie einstellen: "Ich habe den Eindruck, dass die Pariser aus der Hauptstadt geflohen sind. Die Touristen scheinen nur zögerlich anzukommen." Sie selbst wird sich mit ihrem Partner das Tennis-Turnier beim Spiel um die Bronzemedaille ansehen. "Er wollte unbedingt einen Wettkampf sehen, da er es für eine einmalige Gelegenheit hält, an den Olympischen Spielen in seiner Stadt teilzunehmen."
Doch so wie dem Partner von Paquerette geht es wenigen Pariser:innen. Sie sind viel mehr genervt. Auch weil schon jetzt drei der Hauptstationen (Concorde, Tuileries, Champs-Élysées-Clemenceau) seit Tagen bis zum 8. September geschlossen sind. Fußwege von 20 Minuten, um bis zur nächsten Metro-Station zu kommen, kommen aktuell häufig vor.
Das betrifft natürlich auch Tourist:innen. Außerdem werden, um die Sicherheit während der Olympischen Spiele zu gewähren, Teile der Stadt, gerade im Bereich berühmter Wahrzeichen, abgesperrt oder zugangsbeschränkt. Denn auch dort finden Wettbewerbe statt (Fechten im Grand Palais, beispielsweise). Gastronom:innen, deren Lokale in der Nähe liegen, beschweren sich schon jetzt über ausbleibende Kundschaft.
Vor allem wegen der hohen Preise haben sich viele Tourist:innen die Olympia-Lust offenbar verderben lassen. Die Tickets für die Wettkämpfe scheinen da fast billig. Ein Fußballspiel kann man sich beispielsweise schon für 15 Euro ansehen. In vielen anderen Bereichen ziehen die Preise in der Olympia-Zeit deutlich an. Ein Metro-Ticket soll dann 4 Euro kosten und ist damit fast doppelt so teuer wie sonst (2,15 Euro). Aufs Taxi ausweichen, ist nicht immer eine gute Idee: Tourist:innen erzählen schon jetzt von absurd hohen Fahrtkosten innerhalb der Stadt.
Die Hotelpreise sorgten bereits Ende 2023 für Empörung. Das Pariser Tourismusamt hat im Dezember informiert, dass die zu der Zeit aufgerufenen Preise für die Olympia-Zeit um 314 Prozent gestiegen seien (durchschnittlich 699 Euro für eine Nacht im Hotel, statt wie im Vorjahr 169 Euro). Inzwischen setzt der Backlash ein. Weil Buchungen ausbleiben, sinken die Hotelpreise wieder. Der Durchschnittspreis für eine Übernachtung im Hotel lag schon im Mai bei 411 Euro, im Juli bei durchschnittlich 342 Euro. Prognostiziert ist für den Zeitraum vor den Olympischen Spielen, also bis zum 25. Juli, ein Rückgang der internationalen Ankünfte um minus 14,8 Prozent im Vergleich zu 2023.
"Eigentlich hatten viele Hoteliers und touristische Attraktionen gehofft, Olympia würde auch im Vorfeld Geld in die Kassen der Stadt spülen", sagt auch Carola Antelme. "Aber am Beispiel Disney kann man sehen, dass das Gegenteil der Fall ist. Disneyland Paris hat NIE Preisvergünstigungen, bis auf jetzt." Tatsächlich liegen die Eintritts- und Übernachtungspreise mit 240 Euro pro Nacht während Olympia leicht unter den Preisen, die der Vergnügungspark danach aufruft (Stand: 22. Juli).
"Ich denke, viele meiden Paris im Moment, da sie denken, alles sei durch die Spiele immens überteuert, und sie kommen erst lieber wieder, wenn Olympia vorbei ist", beschreibt die Pariserin Antelme die Situation.
Der Friseur Dominique Vereecke besitzt einen eigenen Salon im siebten Arrondissement. Den will er während der Spiele ganz zulassen, weil seine Kundschaft die Stadt verlasse, erklärte er dem ZDF: "Die Menschen, die während der Spiele nach Paris kommen, haben anderes zu tun, als zum Friseur zu gehen."
Dazu kommt die aktuelle politische Krise in Frankreich, die zur Olympia-Stimmung kaum beitragen kann. Eigentlich wollte Paris Olympia nutzen, um sich zu inszenieren als moderne und weltoffene Stadt. Bürgermeisterin Anne Hidalgo war sogar schwimmen in der Seine, um den Menschen die gute Wasserqualität vor Augen zu führen. Mehrere Schwimm-Wettbewerbe sollen in dem Hauptstadtfluss stattfinden.
Doch verfestigt hat sich der Eindruck, dass Frankreich im Chaos versinkt: die Auflösung des Parlaments durch Präsident Emmanuel Macron im Juni, vorgezogene Neuwahlen und seitdem: Stillstand. Keiner Partei gelingt es, eine tragfähige Regierungskoalition zu bilden. Aktuell ist das Land ohne Premierminister, da Gabriel Attal nur noch geschäftsführend im Amt ist.
Carola Antelme erklärt dazu: "Die Olympischen Spiele sind in einen politisch historischen Moment eingebettet, auf den Frankreich wahrlich nicht stolz sein kann. Das Organisationskomitee der Spiele setzt alles daran, alle Augen auf den Sport zu lenken, aber dennoch ist die dunkle Wolke der fast rechtsradikalen Regierung noch lange nicht verzogen."