Die Situation ist für beide Seiten unangenehm: Man sitzt bei einem Date und der Funke springt einfach nicht über. Die Unterhaltung ist nett, aber sie lässt dich kalt. Dabei ist es nicht so, dass die andere Person uninteressant wäre – im Gegenteil. Also, woran liegt das?
Vielleicht sind wir durch die endlosen Möglichkeiten von Online-Dating abgestumpft. Oder sind unsere Erwartungen einfach zu hoch? Fehlt wirklich etwas Entscheidendes oder liegt das Problem eigentlich bei uns?
Michael Nast, bin ich arrogant, wenn mich alle Dates langweilen?
"Ich will mich ja verlieben, aber alle, die ich date, langweilen mich." Das hat eine Bekannte kürzlich zu mir gesagt. Das klingt nach einer erschreckend zynischen Verallgemeinerung. Aber ich kann ihre Worte nachvollziehen. Denn mir ging es jahrelang genauso.
Das lag aber nur selten an den Frauen, die ich datete. Es lag vor allem an mir. Es lag an meiner Bindungsangst. In unserer Zeit gibt es mehr Bindungsangst als je zuvor. Das liegt daran, dass die Menschen heute mehr Beziehungen, Affären oder Liebschaften haben als je zuvor.
Es gibt also auch mehr Trennungen, die natürlich auch immer mit Verletzungen verbunden sind. Ob es nun eine vierwöchige Liebschaft, eine monatelange On-off-Beziehung oder eine jahrelange Beziehung war. Jede Trennung fügt uns in irgendeiner Form Schmerzen zu. Und mit jedem neuen Schmerz entwickelt unsere Psyche Schutzstrategien, um diese Verletzungen zukünftig zu vermeiden. Willkommen auf dem heutigen Datingmarkt.
Meine Bindungsangst verhinderte, dass ich mich öffnete und Gefühle zuließ. Und weil das sehr subtil gesetzte, intelligente Abläufe waren, nahm ich sie nicht wahr. Bei Dates fand ich immer sehr schnell Argumente, die gegen eine Frau sprachen. Ich war so beschäftigt mit der Sehnsucht nach der Frau, die in meine Idealvorstellung passte, dass ich übersah, dass ich alles dafür tat, um einer Beziehung auszuweichen.
Darum gerät man beim Dating so oft an "die Falschen". Das Unterbewusstsein wählt sie aus, weil sie Argumente liefern, die gegen sie sprechen. Darum interessierten mich vor allem Frauen, mit denen Dramen zu erwarten waren – sie gaben meiner Bindungsangst Sicherheit. Diesen Frauen würde ich mich nie öffnen – Verletzungen waren von ihnen nicht zu erwarten.
Es klingt paradox, aber am langweiligsten empfand ich die Frauen, die am gesündesten für mich gewesen wären. Weil sie am wenigsten Gegenargumente boten, empfand ich sie als langweilig. Da fehlte der Reiz des Dramas. Bin ich arrogant, wenn mich alle Dates langweilen? Nein – nur extrem bindungsängstlich.
Da stellt sich natürlich die Frage, wie man da rauskommt? Indem man diese Fehlersuche als Schutzstrategie erkennt, durch die man sich nur selbst im Weg steht. Indem man versteht, dass Vermeidungsstrategien die Entscheidungen treffen, die man für die eigenen hält. Diese Schutzstrategien verhindern, dass man sich öffnet. Aber wer sich nicht öffnet – und damit verletzbar macht – fühlt nun mal auch nichts.
Was denkst du dazu? Siehst du es anders als Michael Nast oder stimmst du ihm zu?
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