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Sexistische Scheiße

Body Count als Tiktok-Trend: Wie viele Männer sind normal für Frauen?

Bodycount
Der Body Count bezeichnet die Anzahl der Menschen, mit denen man im Bett war.Bild: ideogram / ki
Sexistische Scheiße

Body Count: Es nervt mich, wie wir über das Thema sprechen

15.04.2024, 07:20
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Bei Männern dividiert man durch drei, bei Frauen multipliziert man mit drei. Erst dann kommt man auf die wahre Zahl der Sex-Partner:innen – zumindest laut der "Dreier-Regel" aus dem Film "American Pie 2".

So plakativ diese Regel ist, es ist doch was dran: Weder Frauen noch Männer sagen normalerweise die Wahrheit über ihren Body Count. Offenbar denken viele Frauen heute immer noch, sie müssten runterrechnen. Und Männer hoch. Ich habe darauf keine Lust mehr.

Es gibt viele Frauen, die Listen führen über die Männer, mit denen sie im Bett waren. Mit (vollständigem) Namen und Datum. Es gibt sogar Frauen, die das Sternzeichen des Mannes mit in die Liste aufnehmen. Ich hingegen hatte nie eine Liste.

Ich war bis Mitte 30 in mehreren Beziehungen, aber auch fast zehn Jahre Single. Und in dieser Zeit habe ich gemacht, was ich wollte.

Es ist nichts, wofür ich mich schäme. Das ist nicht unwichtig zu betonen, weil es offenbar nicht selbstverständlich ist.

Über "Sexistische Scheiße"
Ronja Brier schreibt in dieser Kolumne über Alltags-Sexismus, den wir alle kennen, selbst erfahren oder in der Öffentlichkeit wahrnehmen. Der trotzdem oft genug kleingeredet wird oder über den hinweggesehen wird. Unsere stellvertretende Chefredakteurin hat genug davon! In ihren Texten will sie informieren, widersprechen oder sich einfach mal über sexistische Scheiße auslassen.

Mein Body Count ist Teil meiner Geschichte. Das sind Begegnungen mit Menschen und Erfahrungen, die ich gesammelt habe. Mit ein paar der Männer war ich in einer Beziehung. Es gibt welche, die habe ich mehrfach getroffen. Aber viele nur einmal – danach haben wir uns nie wieder gesehen. Es gibt ein paar Storys, die ich am liebsten vergessen würde. Die hat jede:r, oder? Über andere lache ich. An wieder andere erinnere ich mich gerne.

Manchmal hätte ich mir mehr vorstellen können und es hat sich nicht ergeben. Manchmal war es andersrum. So ist das. So funktioniert Dating. Zwischendurch war es scheiße. Trotzdem geht es danach weiter. Aber meistens habe ich es geliebt. Ich fand es aufregend. Es hat sich frei angefühlt. Leicht. Und gut. Es ist doch so: Eine junge Frau muss in Berlin nie allein nach Hause gehen, wenn sie nicht will. Und solange beide Lust darauf haben – was sollte daran falsch sein?

Was ich als Single-Frau in Berlin gelernt habe

Ich habe in dieser Zeit viel gelernt. Vor allem über mich. Ich habe herausgefunden, was mir gefällt. Und was nicht. Ich bin selbstsicherer geworden und unabhängiger. Ich habe nach niemandem gesucht. Ich wollte keine Beziehung, sondern Spaß.

Ich habe eine Freundin, die bis heute sagt, sie könnte das nicht. Sie hatte noch nie in ihrem Leben einen One-Night-Stand: Sie wolle das nicht, erklärte sie mir, weil für sie Sexualität immer etwas zu tun habe mit Intimität. Mit jemandem ins Bett gehen könne sie nur, wenn da auch Gefühle seien.

Ich kann das Empfinden meiner Freundin natürlich verstehen. Für mich war es nur andersrum.

ONS
So kann ein One-Night-Stand aussehen. Geht aber natürlich auch weniger erinnerungswürdig. Bild: Pexels / Ron Lach

Ich empfinde es als viel intimer, mich auf eine emotionale Bindung einzulassen. Jemanden ein zweites Mal zu treffen, womöglich nicht nachts in einer Bar, sondern tagsüber auf einen Kaffee, jemanden wirklich an mich ranzulassen – das hat mir viel mehr Mut abverlangt, als betrunken mit jemandem im Bett zu landen. Das war nur körperlich. Äußerlich. Aber mein Inneres, meine Gedanken, gegebenenfalls Gefühle – das ist für mich echte Nähe. Die habe ich nicht bei vielen Männern zugelassen.

In einer britischen Umfrage wurde herausgefunden, dass es vielen Menschen am liebsten wäre, wenn neue Partner:innen zuvor mit nur zwei oder drei Menschen geschlafen haben. Auf Personen mit einem Body Count von mehr als 15 wollte sich kaum eine:r einlassen. Und spätestens, wenn ich ein bisschen Zeit auf Tiktok verbringe, merke ich schnell: Ich habe offenbar einen Body Count, der für viele Männer inakzeptabel ist.

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Ich finde unzählige Videos, in denen sich Jugendliche befragen nach der Anzahl der Menschen, mit denen sie im Bett waren. Fast immer schwingt dabei Voyeurismus mit. Das ist es auch, was mich daran vor allem stört. Und natürlich die Tatsache, wie unterschiedlich Männer und Frauen über ihren Body Count sprechen – und wie die Reaktionen darauf ausfallen.

Männer können angeben mit einem hohen Body Count. Sie werden dafür gefeiert. Bejubelt wird eine Frau auf Tiktok hingegen dann, wenn sie einen möglichst niedrigen Body Count hat. Entsprechend werden Frauen abgewertet, wenn sie sich sexuell ausleben. Und das wissen sie. Deshalb trauen sich die meisten jungen Frauen auch kaum zu verraten, mit wie vielen Männern sie geschlafen haben. Wenn sie doch auf die Frage antworten, dann meist mit Scham.

Was für ein Body Count ist normal? Es ist mir egal!

Der Body Count und wie die Gesellschaft damit umgeht, reproduziert alte Rollenzuschreibungen, über die wir doch längst hinweg waren. Das dachte ich zumindest. Frauen aufgrund der Zahl ihrer Sex-Partner:innen zu beurteilen, ist ein Klassiker. Es ist Slutshaming. Und damit ist der Body Count nichts anderes als ein weiteres Instrument, um Sexismus weiter voranzutreiben. (Darüber habe ich in meiner letzten Kolumne bereits geschrieben. Hier kannst du sie lesen.)

Wir müssen alle mehr über unseren Body Count sprechen

Ich glaube, wir müssen unseren Umgang mit dem Thema Body Count ändern. Dringend. Dass wir über den Body Count sprechen, ist gut. Das sollten wir alle sogar mehr tun. Mit Freund:innen. Und mit Männern. Wir können darüber von mir aus auch in Talkshows reden. Wir müssen so lange darüber reden, immer wieder, bis es egal ist. Gerne auch auf Tiktok. Ich habe nichts gegen die Plattform.

Wichtig ist nur, wie wir es tun: Es ist wirklich nicht mehr zeitgemäß und wirkt affig, wenn Männer vor Stolz fast platzen, wenn sie über eine hohe Zahl sprechen. Und genauso ist es unnötig, dass Frauen es nur schambehaftet tun. Wir sollten das heute ehrlich, unaufgeregt und vor allem ganz normal tun können.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich muss niemand über seinen Body Count sprechen, wenn er oder sie nicht will. Ich kann jede:n verstehen, die oder der lieber nicht offen darüber spricht. Wichtig ist mir nur zu sagen: Es geht.

Mein Body Count ist 20. Deal with it.

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