Slutshaming geht gar nicht. Und diese Durchsage geht nicht nur an Männer. Bild: shutterstock / studiostoks
Sexistische Scheiße
Bei "Let's Dance" gibt es in jeder Staffel neue Liebesgerüchte rund um die Stars und Profis der Sendung. Wer tanzt besonders eng mit wem? Bei welchen Tänzer:innen geht mehr? Und besonders viel Getuschel gibt es in fast jedem Jahr über Ekaterina Leonova.
Sie ist seit 2013 bei "Let's Dance". Doch viele sehen in ihr nicht nur die professionelle Tänzerin, sondern vor allem eine Verführerin. "Bild" schreibt von ihrer "Männer-Masche". "Intouch", dass sie allen Männern den Kopf verdrehe. Und sogar Amira Pocher fand: "Ihre Bilanz ist halt schon krass."
Vor elf Jahren tanzte Ekat bei "Let's Dance" mit Ex-Bachelor Paul Janke. Die beiden verbrachten auch privat so viel Zeit miteinander, dass viele vermuteten, dass mehr zwischen ihnen geht.
Klar wirkten Ekat und Paul Janke vertraut. Aber deswegen muss ja nicht gleich was laufen. Bild: imago images / stock&people
2017 war Musiker Gil Ofarim ihr Tanzpartner. Auch hier gab es Gerüchte. Wohl auch, weil er und seine Ex-Frau Verena Ofarim 2018 ihre Trennung bekanntgaben.
Und im vergangenen Jahr sollte sie Mentalist Timon Krause das Tanzen beibringen: Wochenlang wurde während und auch nach der Sendung noch geredet über die beiden. Genau wie Gil hat sich auch Timon von seiner Partnerin getrennt.
Nicht ganz unwichtig ist: Bestätigt wurde keine dieser Beziehungen oder Affären von Ekaterina und ihren Tanzpartnern.
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In diesem Jahr tanzt sie mit dem früheren "Popstars"-Juror Detlef D! Soost. Dass D. in Interviews direkt angesprochen wird auf Ekat (seiner zwölfjährigen Ehe und zwei gemeinsamen Kindern zum Trotz) – das sagt vieles aus über den Umgang mit Ekaterina Leonova.
Bei Delef D! Soost und Ekat geht es bisher nur ums Tanzen. Manche finden das ungewöhnlich.Bild: imago images / panama pictures
Detlef D! Soost gab gegenüber RTL vorsorglich gleich zu Beginn der "Let’s Dance"-Staffel zu verstehen: Mit Ekaterina würde er zwar eng tanzen und quasi verschmelzen. Aber seine Frau sei da "sehr offen und hat keinen Ansatz für Eifersucht." Okay, cool. Gut, dass er es sagt. Die Sache ist nur: Warum muss man danach überhaupt fragen?
Auch andere Promi-Tänzer:innen werden zum Thema Eifersucht befragt. Aber mit einer solchen Selbstverständlichkeit kommt es nur vor, wenn ein Star mit Ekat tanzt.
Was hier passiert, ist vor allem eins: Slutshaming. Nicht, weil über das Liebesleben eines Promis berichtet wird. Sondern wie darüber gesprochen wird.
Slutshaming bedeutet, dass Frauen, wenn sie die gängige Sexualmoral überschreiten, abgestraft werden. Diese Überschreitungen können vielfältig sein: Durch zu viele Sexpartner:innen, zu knappe Kleidung oder weil man mit vergebenen Männern vermeintlich etwas hat.
Auch das Thema Body Count ist Slutshaming – zumindest bei Frauen
Wann genau die Sexualmoral überschritten ist, entscheiden andere. Und da wird es kompliziert. Denn: Was sind zu knappe Klamotten? Ist ein Rock, der bis zum Knie geht, noch okay? Knapp drüber dann nicht mehr? Und was sind zu viele Sexpartner:innen? Es gibt für all das keine Regeln. Insofern verwirrt mich, wie sehr die Gesellschaft solche Normen dennoch akzeptiert.
Ich habe mit einer guten Freundin über das Thema Body Count gesprochen. Und sie hat mir erzählt, dass sie Männern, die sie kennenlernt, bewusst nicht sagt, mit wie vielen anderen sie im Bett war. Weil es ihr unangenehm ist. Das liegt nicht daran, dass diese Zahl besonders hoch wäre. Trotzdem hat sie Angst davor, dass ein Typ das für zu viel halten könnte. Ich frage mich: Warum spielt die Zahl der Sexualkontakte im 21. Jahrhundert überhaupt noch eine Rolle, wenn sich zwei Menschen, die beide ihre Vergangenheit haben, kennenlernen? Und: Keine Frau hat es nötig, sich vom Urteil eines Mannes abhängig zu machen!
Das Problem ist nicht meine Freundin. Das, was wirklich schiefläuft, ist, dass es immer noch Männer und Frauen gibt, die andere Frauen beurteilen nach der Zahl der Männer, mit denen sie im Bett waren.
Was bedeutet das Gespräch mit meiner Freundin jetzt für Ekaterina Leonova und "Let's Dance"? Sie hatte – bezogen auf die Sexualmoral der meisten Menschen – offenbar nicht nur zu viele, sondern auch die falschen Männer.
Tanja May, die Unterhaltungschefin der "Bild", gab im vergangenen Jahr ein glänzendes Beispiel von Slutshaming ab. In einem Video-Interview gab sie wieder, was die Leute hinter den Kulissen von "Let’s Dance" über Ekat sagten: Sie würden es nicht anders kennen von ihr. Sie nehme sich, was sie wolle. An sich sei Ekaterina eine tolle Frau, resümierte May, wenn sie nicht gerade anderen Frauen die Männer klaue.
Ekaterina Leonova klaut also anderen Frauen ihre Männer.
Was sich an diesem Nebensatz zeigt, ist ein grundlegendes, altbekanntes Problem unserer Gesellschaft: Im Zweifel ist die Frau schuld. Beispielsweise, wenn sie als Ehebrecherin abgestempelt wird. Als hätte der Mann nicht die Möglichkeit gehabt, die Hose zuzulassen. Oder sind Männer wirklich so schwach, dass sie sich dem Charme einer Frau nicht verwehren können?
By the way: Auch Ekaterina Leonova hatte eine Beziehung und soll sogar verlobt gewesen sein mit dem Millionär Hasan Kivran. Die Trennung soll während der letzten "Let's Dance"-Staffel erfolgt sein. Trotzdem redet niemand davon, dass sie verführt worden sein könnte. Oder ein Mann die Beziehung von Ekat zerstört hat.
Finde nur ich das komisch und sexistisch?
2017: Ekaterina mit Musiker Gil Ofarim.Bild: Getty Images Europe / Lukas Schulze
All das geht an Ekat nicht spurlos vorbei. In einem RTL-Interview brach sie in Tränen aus, als sie gefragt wurde, ob sie einen Freund habe. "Man wird sofort verkuppelt", auch wenn man nur mit einem Freund essen gehe, sagte sie frustriert.
Übrigens: Das Wort Slut, also auf Deutsch Schlampe, ist für heterosexuelle Männer völlig ungebräuchlich. Auch eine gleichwertige Beleidigung gibt es nicht. Wenn Männer genau das Gleiche tun, dann ist das einfach so. Oder sie brüsten sich sogar damit. Slutshaming hingegen erleben Männer nicht.
Die Psychologin Yvonne Keßel hat das gegenüber "Deutschlandfunk Nova" einmal zu erklären versucht. Sie sagte, Männer hätten aus Fortpflanzungsgründen schon immer wechselnde Geschlechtspartnerinnen gehabt. Und weil man es nicht anders kenne, sei es auch gesellschaftlich akzeptiert. Ich finde: Um das heutige Verhalten von Männern evolutionsbiologisch zu erklären, ist es vielleicht ein bisschen lange her.
Zeiten ändern sich. Frauen können heute Männern in TV-Shows Tanzen beibringen. Sie können das leidenschaftlich und erotisch tun und wenn sie Lust haben, können sie mit ihrem Tanzpartner auch was anfangen. (Und wenn nicht, dann eben nicht.) Und trotzdem darf sie dafür niemand slutshamen.
In der Theorie ist es schnell dahingesagt, dass man für den oder die Partner:in gerne das "Ein und Alles wäre", in Wirklichkeit scheint das aber ein ziemlich ungesunder Zustand für eine Beziehung zu sein. Schließlich ist es doch eigentlich erholsam, wenn man mehrere Menschen für unterschiedliche Bereiche des Lebens zur Verfügung hat.