Wenn man nach Herzogin Meghan, der Ehefrau von Prinz Harry, googelt, sind im Durchschnitt acht von neun Artikeln nicht positiv. Wobei nicht positiv noch untertrieben ist: Meghan kommt darin richtig schlecht weg.
Sie soll schmollen, wenn Harry ohne sie verreist. Man liest, dass sie mit ihren teuren Klamotten prahle. Oder ihr Ex-Mann darf in aller Ausführlichkeit über sie schimpfen.
Nun kenne ich Meghan Markle nicht persönlich. Und dennoch, auf die Gefahr hin, dass das eine unpopular Opinion ist: Ich glaube nicht, dass sie so schlimm ist, wie alle behaupten.
Ich mache die Herzogin von Sussex in meiner Kolumne nicht zum Thema, weil ich Sympathien für sie hege. Ich möchte mit diesem Text die Denkmuster beleuchten, die hinter der Berichterstattung stecken. Sie sind ein Paradebeispiel für Sexismus. Genährt von Gender-Klischees, die tiefer in unserer Gesellschaft verankert sind, als es uns bewusst oder lieb ist.
Stars dienen vielen Menschen als Identifikationsfiguren. Meist im Positiven. Aber das funktioniert auch umgekehrt. Die Menschen erkennen dann die Eigenschaften in Promis, die sie (an sich selbst) nicht mögen. Der Star dient als Negativ-Beispiel.
Bei Meghan hat eine Projektion von negativen Klischees auf ihre Person in ganz extremer Form stattgefunden. Je schlechter sie in der Darstellung wegkommt, desto besser kann man sich selbst in der Abgrenzung zu ihr fühlen. Getrieben von einer merkwürdigen Mischung aus Sensationsgier und Abneigung.
Ich will nicht so tun, als könnten wir bei watson uns davon freimachen. Auch aus unserer Redaktion gibt es viele Artikel, die diese Sensationsgier der Leser:innen bedienen. Ich will das an dieser Stelle nicht verschweigen und gleichzeitig betonen: Die reine Berichterstattung ist kein sexistischer Akt.
Sexistisch wird es, wenn man sich ansieht, welche negativen Eigenschaften Meghan zugeschrieben werden. Denn es sind Eigenschaften, die in der Gesellschaft als typisch weiblich gelten.
Es heißt, Meghan sei zu emotional. Viel zu empfindlich. Wenn sie sich über die Royals beklagt, dann folgern viele daraus, dass sie den Pflichten, die mit der Rolle als Prinzessin einhergehen, nicht gewachsen ist. Es ist das Fisherman's-Friend-Prinzip. Sind die Royals zu stark, ist Meghan zu schwach. Viel zu selten fragt sich jemand, ob sie nicht vielleicht doch recht haben könnte.
Gleichzeitig werden die Royals selten ernsthaft hinterfragt. Zwar wird immer wieder mal die Frage aufgeworfen, wie zeitgemäß die königliche Familie heute noch ist. Anfangs galt Meghan ja sogar als Hoffnungsträgerin. Sie war diejenige, die die verstaubte britische Monarchie zusammen mit Harry in die Moderne führen sollte. Doch das konnte nur so lange gutgehen, bis sie zu weit gegangen ist. Und zu weit gegangen ist sie für die meisten mit dem Megxit: Einfach wegzurennen, sei zu leicht.
Häufig liest man auch: Meghan sei eine Zicke. Eine gute Royal ist Kate, weil sie sich in die Familie eingliedert. Weil sie macht, was von ihr erwartet wird. Im Gegensatz zu Meghan.
Immer wieder werden Meghan und Kate gegenübergestellt. Als müsste es zwischen Frauen immer Konkurrenz geben. Der Catfight. Zickenkrieg. Aber warum eigentlich?
Die Antwort, die ich sehe, ist so einfach wie ernüchternd: Weil wir es so gelernt haben, weil wir viele dieser Geschlechter-Klischees verinnerlicht haben und selbst daran glauben.
Dabei stand ausgerechnet Meghan eigentlich mal für Feminismus. Sie setzt sich für Frauen ein, sie sprach bei der UN über Feminismus, sie hatte bis vor wenigen Monaten den feministischen Podcast "Archetypes".
Doch du kannst so feministisch sein, wie du willst. Am Ende bist du doch die Zicke, wenn die Öffentlichkeit das in dir sehen will.
Und oftmals ist die Böse automatisch die Frau.
Hin und wieder wurde zwar auch Harry kritisiert. Aber aufgrund von konkretem (Fehl-)Verhalten. Und nie, weil die Gesellschaft meinte, in seinem Verhalten grundsätzliche Wesenszüge wie Gier, Arroganz oder Egoismus erkannt zu haben.
Sogar die Kritik an Harry hat viel zu oft mit Meghan zu tun. Harry hat in seiner Autobiografie "Reserve" heftige Vorwürfe gegen seine Familie erhoben. Dafür wurde er angegriffen. Nicht ohne die Mutmaßung, dass er ohne seine Frau dieses Buch nie geschrieben hätte.
Womit wir bei einer weiteren negativen Eigenschaft sind, die Meghan zugeschrieben wird: dass sie manipulativ sei. Wenn Harry sich seiner Familie wieder annähert, dann heißt es, er befreie sich aus ihren Fängen.
Harry liebt seine Familie, trotz allem. Davon sind die meisten überzeugt. Meghan hingegen liebt nur Hollywood, Aufmerksamkeit und Geld.
Meghan wird immer wieder zur bösen Verführerin stilisiert. Es ist ein altbekanntes Muster, mit dem Frauen entweder dämonisiert oder herabgewürdigt werden.
Britney Spears kann davon ein Lied singen. Sie war einst das sexy-sympathische Schulmädchen, das alle Jungs heiß fanden. Nachdem sie Justin Timberlake betrogen hatte, war sie die größte Schlampe der Welt.
Taylor Swift hat über die sexistischen Klischees und die Benachteiligung von Frauen einen Song geschrieben, der "The Man" heißt.
Im Musikvideo zum Song sieht man einen Typen, der sich ziemlich oft daneben benimmt – in der U-Bahn, beim Tennis, in der Bar. Er wird trotzdem gefeiert.
Swift singt:
I'm so sick of running as fast as I can
Wondering if I'd get there quicker
If I was a man
And I'm so sick of them coming at me again'
Cause if I was a man
Then I'd be the man
Dem ist nichts hinzuzufügen.