Als ich acht war, ist mein Vater gestorben. Das ist inzwischen mehr als 22 Jahre her. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal an seinem Grab war. Es könnte mehr als zehn Jahre zurückliegen.
Friedhöfe bringen mir nicht viel. Für mich ist mein Vater nicht in diesem Sarg unter der Erde, ich hab ihn in meiner Erinnerung bei mir.
Ich kann aber verstehen, warum Menschen Gräber besuchen. Vielen mag es helfen, an diesem Ort innezuhalten.
Deshalb können mich meine Angehörigen später gerne beerdigen, wenn ihnen das Grab etwas bedeutet.
Ich kriege ja eh nichts mehr davon mit.
Wovon ich dann auch nichts mehr mitkriege, aber was ich trotzdem auf keinen Fall will: Dass meine Social-Media-Profile zu digitalen Kondolenzbüchern werden.
Oder um es noch klarer zu sagen:
Ich will nicht, dass mein totes Profil durch Facebook geistert und dass irgendwelche Leute ihre vermeintliche Trauer auf meiner Pinnwand ausschlachten. Ich sage "vermeintliche Trauer", weil ich glaube: Wer einen wichtigen, geliebten Menschen verloren hat, müllt nicht dessen Profil voll.
Ich habe auf Facebook ein paar hundert Freunde. Manche leben nicht mehr, ihre Profile wurden entweder gelöscht oder sind jetzt sowas wie digitale Friedhöfe. Auf diesen Seiten im "Gedenkzustand" (so nennt Facebook das) hinterlassen Leute nun Posts, die niemandem helfen:
Natürlich werden die zeitlichen Abstände zwischen den Posts immer größer. Denn Bernd, mit dem ich mich vor zehn Jahren mal besoffen auf einer Party über seinen Job als Hedgefonds-Manager unterhalten habe, vergisst mich halt irgendwann. Das ist auch in Ordnung, solange Bernd nach meinem Tod auf meiner Pinnwand nicht so tut, als hätte er gerade seine beste Freundin verloren.
Sagen wir mal, es gibt ein Leben nach dem Tod, glaubt ernsthaft jemand, dass die Toten Abschiedsposts auf ihren Facebook-Profilen checken?
Die Leute sollen sich nach meinem Tod nicht an mich erinnern, weil durch ihren Feed rattert, dass XY mal wieder auf meiner Pinnwand rumjammert oder weil ich einmal im Jahr in ihren Geburtstagsbenachrichtigungen erscheine (das passiert mit Kondolenzprofilen nämlich weiterhin). Sie sollen sich an mich erinnern wegen der Sachen, die wir zusammen erlebt haben. Und wenn sie möchten, können sie mir dann meinetwegen eine Blume ans Grab stellen.