Supermarkt in der Kritik: Kein Gehalt für Autist nach vier Jahren unbezahlter Arbeit
Vier Jahre Arbeit, null Euro auf dem Gehalts-Check: Das klingt brutal und ungerecht. Es ist jedoch die Realität für viele Menschen mit Behinderung, die in westlichen Ländern arbeiten gehen.
Auch in Deutschland gibt es weit weniger als den Mindestlohn: Laut der GEW Berlin verdienen Leute in Werkstätten für Menschen mit Behinderung durchschnittlich lediglich 1,46 Euro pro Stunde, ein Achtel des Mindestlohns.
Unsere europäischen Nachbarn machen es jedoch nicht unbedingt besser: In Großbritannien zieht ein Supermarkt Kritik auf sich, weil er einem jungen Mann nach mehreren Jahren unbezahlter Arbeit kein Gehalt geben will.
Supermarkt in UK: Autist arbeitet vier Jahre unbezahlt
Tom Boyd, 27, hat über vier Jahre hinweg unermüdlich in einer Filiale der Supermarkt-Kette Waitrose in Cheadle Hulme nahe Manchester gearbeitet – und das komplett unbezahlt, zwei Vormittage pro Woche. Für seinen Arbeitgeber jedoch anscheinend kein Grund, dem 27-Jährigen einen bezahlten Job zu geben.
Als er und seine Mutter Frances nachfragten, ob Tom ein paar bezahlte Stunden bekommen könnte, folgte nämlich die Ernüchterung: Die Supermarktkette lehnte ab, wie die Zeitung "Manchester Evening News" berichtet.
Dabei war Boyd demzufolge die vergangenen Jahre unermüdlich im Einsatz, vor allem beim Regale einräumen. Insgesamt soll er mehr als 600 Stunden seiner Zeit investiert haben – laut seiner Mutter "rein aus dem Wunsch heraus, dazuzugehören, etwas beizutragen und einen Unterschied zu machen". Das erklärte Frances Boyd gegenüber der Zeitung.
Instagram-Post erklärt: Supermarkt gab "kein Dankeschön"
Auf Instagram machte Frances ihrem Ärger Luft. Sie schrieb, dass Tom nach all den Jahren der harten Arbeit und des Engagements lediglich gesagt wurde: "Wir können ihn nicht einfach sein Ding machen lassen." Und das, laut Frances, obwohl er jahrelang unter Beweis gestellt habe, dass er die Arbeit beherrscht.
"Keine Entschuldigung, kein Dankeschön, keine Anerkennung" habe es der Mutter zufolge seitens Waitrose für den Einsatz ihres fleißigen Arbeiters gegeben. Frances findet:
Sie verwies in dem Instagram-Beitrag auf das britische Gleichstellungsgesetz von 2010, das Arbeitgeber dazu verpflichtet, angemessene Anpassungen für Menschen mit Behinderungen vorzunehmen. Ihrer Meinung nach hat Waitrose genau das versäumt.
Supermarkt Waitrose verteidigt sich gegen Kritik
Die Geschichte von Tom hat auf Social Media für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Unter Frances Instagram-Post sammeln sich zahlreiche Kommentare von Menschen, die ihre Unterstützung ausdrücken und die Entscheidung von Waitrose scharf kritisieren.
Viele fordern mehr Respekt und Inklusion für Menschen mit Autismus und anderen Behinderungen. Für Frances steht fest: "Er hat sein Bestes gegeben – und er verdient Besseres." Ob Waitrose seine Entscheidung überdenkt, bleibt abzuwarten.
Die Supermarktkette selbst sieht die Sache nämlich etwas anders. Ein Sprecher erklärte gegenüber "Manchester Evening News", Waitrose arbeite "hart" daran, ein "inklusiver Arbeitgeber" zu sein. Die Supermarktkette kollaboriere mit verschiedenen Wohltätigkeitsorganisationen und sei "sehr erfahren" darin, "Menschen dabei zu helfen, im Beruf erfolgreich zu sein".
Zu Toms Fall wollte sich das Unternehmen nicht konkret äußern, versprach jedoch, den Vorfall "priorisiert zu untersuchen".
