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Urlaub trotz Behinderung: Wie eine Google-Maps-Liste Hoffnung gibt

Invisible Class Inklusives Reisen
Reisende mit Behinderungen fühlen sich oft unsichtbar, als regelrechte "Invisible Class". Bild: PR / Ottobock
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Para-Sportlerin erklärt die Hürden beim Reisen mit Behinderung

Reisen mit Behinderung bedeutet für viele Menschen noch immer, sich mit zahlreichen – oft unsichtbaren – Barrieren auseinanderzusetzen, weil strukturelle Hindernisse ihnen keine andere Wahl lassen.
25.09.2025, 20:2725.09.2025, 20:27

Ob für einen Arbeitstrip oder eine Urlaubsreise: Rund 1,3 Milliarden Menschen weltweit erleben Reisehürden aufgrund einer Behinderung. Das können beschädigte Rollstühle an Flughäfen sein, unzugängliche Verkehrsmittel oder Hotels. Ein spontaner Wochenendtrip? Ist so kaum möglich.

Eine europaweite Umfrage von MMGY Global zeigt: 84 Prozent der Menschen mit eingeschränkter Mobilität haben beim Reisen bereits negative Erfahrungen gemacht. Um Barrieren sichtbar zu machen und Lösungswege aufzuzeigen, startet der MedTech-Anbieter Ottobock die Kampagne "Invisible Class".

Unter diesem Hashtag wollen internationale Botschafter für das Thema sensibilisieren. Gleichzeitig wurde eine Google-Maps-Liste bereitgestellt, auf der User:innen barrierefreie Orte weltweit teilen – eine praktische Hilfe.

Ob das etwas bringt und wo es immer noch hakt, darüber sprach watson mit Thyrza Kiewik. Die 28-Jährige ist Sitzvolleyballerin und Para-Ruderin in den deutschen Nationalmannschaften.

Thyrza Kiewik reist mit Orthese

Die Darmstädterin lebt seit einem Autounfall 2021 mit einer Schädigung im linken Bein, ist auf eine mikroprozessorgesteuerte Orthese angewiesen. Neben der Arbeit in einer Tagesförderstätte für Menschen mit Behinderung reist Thyrza oft ins nächste Trainingslager oder zu Wettkämpfen.

Thyrza Kiewik ist Sitzvolleyballerin und Para-Ruderin in den deutschen Nationalmannschaften.
Para-Sportlerin Thyrza KiewikBild: PR

Doch gerade beim Reisen wird es knifflig. "Meine Teamkolleginnen und ich können nicht einfach so in den Zug oder ins Flugzeug steigen oder irgendein Hotel buchen. Es ist immer mit Vorausplanung verbunden", sagt Thyrza.

Watson: Inwiefern bist du mobil eingeschränkt?

Thyrza Kiewik: Ich bin seit Juli 2021 durch einen schweren Verkehrsunfall eingeschränkt und unter anderem deswegen oft auf andere Menschen und Hilfe angewiesen. Längere Strecken kann ich nicht mehr laufen, was natürlich die Art, wie ich Ausflüge und Reisen plane, stark verändert – vieles muss im Voraus ganz anders organisiert werden.

Wie verändert das die Art, wie du reist?

Reisen erfordert viel Vorbereitung, aber gibt mir auch Freiheit. Ich muss Unterkünfte genau prüfen, ob sie barrierefrei oder zumindest barrierearm sind. Dazu gehört auch die Frage nach den Transportmöglichkeiten: Wo kann man parken? Wie weit ist der Weg zum Restaurant oder zum Strand?

Warum nervt das?

Oft muss ich mehr Zeit einplanen, weil vieles einfach länger dauert. Zusätzlich entstehen auch häufiger Kosten, weil ich zum Beispiel für das letzte Stück dann doch ein Taxi nehmen muss, anstatt zu laufen. Reisen sollte entspannt sein, ist aber oft stressig und unflexibel. Spontanität ist kaum möglich.

"Reisen bedeutet für mich Freiheit, Inspiration und neue Perspektiven."

Was sind absolute Negativ-Reiseerlebnisse, die du aufgrund deiner Behinderung schon erleben musstest?

Einmal habe ich ein Hotel gebucht, das als barrierefrei ausgeschrieben war. Vor Ort stellte sich aber heraus, dass ich zum Duschen in eine Badewanne einsteigen musste – also überhaupt nicht zugänglich. Am Ende konnte ich zwar das Zimmer tauschen, aber ich hatte mit Barrierefreiheit gerechnet und auch so geplant. Das hat dann wieder für zusätzlichen Stress gesorgt.

Was ist ein besonders positives Reiseerlebnis gewesen, das dir gezeigt hat: So geht es auch?

Besonders positiv habe ich zum Beispiel Teneriffa erlebt: Dort gab es wunderschöne Wanderwege und sogar einen barrierefreien Strand – das hat mir gezeigt, wie entspannt und selbstverständlich Reisen sein kann, wenn Barrierefreiheit ernst genommen und umgesetzt wird. Aber auch am Frankfurter Flughafen, von wo ich meistens starte, habe ich bisher nur hilfsbereite Menschen kennengelernt, die sich wirklich Mühe geben, dass alles reibungslos verläuft und man sicher und wohl durch Security und Check-in kommt.

Wie wichtig sind dir Reisen?

Reisen bedeutet für mich Freiheit, Inspiration und neue Perspektiven. Auch beruflich reise ich viel mit der Nationalmannschaft in verschiedene Länder, um an Turnieren teilzunehmen. Dabei ist es immer wichtig, dass ich mich wohlfühle und die Unterkünfte passend sind.

Wie funktioniert diese Google-Liste? Hast du die schon genutzt?

Ja, ich nutze sie. Viele Orte in meiner Heimat habe ich bereits hinzugefügt und plane, künftig auch Erfahrungen aus meinen internationalen Reisen mit der Nationalmannschaft einzutragen. So können auch andere Menschen sehen, dass Reisen in verschiedene Länder machbar sind.

Würdest du andere Menschen mit Behinderungen zum Reisen ermutigen?

Ja, auf jeden Fall! Trotz aller Hürden lohnt es sich immer wieder, Neues zu erleben und die Welt zu entdecken. Gerade diese Erfahrungen geben viel Kraft und Motivation – besonders, wenn am Ende alles gut klappt.

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