Eine wichtige Zutat für das Abendessen fehlt oder einfach nach dem Feierabend in aller Ruhe Lebensmittel einkaufen gehen: in den meisten Bundesländern sind Kund:innen dank großzügiger Öffnungszeiten der Supermärkte flexibel darin, wann sie ihren Einkauf machen. In NRW beispielsweise dürfen Supermärkte sogar bis Mitternacht öffnen. Meistens sind große Lebensmittelgeschäfte jedoch von 8 bis 20 Uhr geöffnet.
Was für die Kund:innnen von Vorteil ist, kann für das Personal in den Märkten viel Stress mit sich bringen. Zudem führen ausgedehnte Öffnungszeiten auch zu einem höheren Verbrauch von Ressourcen, weswegen erste Händler nun ein Umdenken fordern.
Um Energie zu sparen, möchte der Geschäftsführer der Supermarktkette Tegut, Thomas Gutberlet, grundsätzlich kürzere Ladenöffnungszeiten umsetzen. Dafür wirbt er in einem Brief an die Regierungen der Bundesländer, den er bereits vor einem Monat versendet hat. Bisher hat er noch keine Antwort darauf erhalten, auch wenn er mit seinem Anliegen nicht allein ist.
Die kürzeren Öffnungszeiten sollen helfen, Ressourcen zu schonen – nicht nur angesichts der Energiekrise. Der Tegut-Geschäftsführer äußerte sich gegenüber dem Fachmagazin Lebensmittelzeitung (LZ): "Kurzfristig würde eine Reduzierung helfen, Energie zu sparen; langfristig würde es das Berufsbild im Einzelhandel wieder attraktiver machen."
Vorbild für seinen Vorschlag ist Bayern: In diesem Bundesland schließen die Läden schon um 20 Uhr. Die Öffnungszeiten im Handel unterscheiden sich von Region zu Region. In Fulda, wo sich der Hauptsitz von Tegut befindet, haben einige Filialen der Supermarktkette von 7 bis 22 Uhr geöffnet.
Zuletzt plädierte schon Edeka-Kaufmann Dieter Hieber dafür, die langen Öffnungszeiten der Supermärkte zu überdenken. Er selbst schließt seine 16 Läden mittwochs zurzeit schon um 13 Uhr. Auslöser für diese ungewöhnliche Entscheidung war die Sorge um seine Mitarbeiter. In einem Interview mit der LZ sagte er, dass viele seiner Mitarbeiter in letzter Zeit überfordert seien. Als Lösung dieses Problems kam für ihn nur weniger Arbeit für seine Angestellten infrage.
Er sprach zudem von psychosomatischen Erkrankungen seiner Mitarbeiter:innen, da sich die Stimmung in den Märkten nicht nur wegen der Corona-Belastungen geändert habe. "Am Anfang der Pandemie wurden wir im Lebensmittelhandel wie die Helden gefeiert, jetzt bekommen wir oft den Ärger der Kunden zu spüren, wenn Waren teuer werden oder gar nicht erst da sind." Auch wenn er den Ärger der Verbraucher:innen verstehen kann, setzt er sich voll und ganz für seine Angestellten ein – denn "an keinem Menschen gehen persönliche Anfeindungen spurlos vorbei".
Der Geschäftsführer von Tegut hat hingegen noch keine konkreten Pläne für kürzere Öffnungszeiten. Ihm gehe es hauptsächlich darum, das Thema generell wieder auf die Tagesordnung zu setzen und "mit der Öffentlichkeit neu zu verhandeln", um die Branche attraktiver zu gestalten. Bislang gab es dazu auch noch keine Absprachen mit anderen Händler:innen – die Forderung wurde allein von Tegut angeregt. Doch Gutberlet hofft auf Unterstützung: "Jeder, der hierzu eine Meinung hat, kann sich jetzt einbringen."
Die Gewerkschaft Verdi hat sich bezüglich der Forderung gegenüber 24rhein geäußert: "Grundsätzlich sind wir natürlich dafür." Die Arbeitnehmerorganisation möchte zu der Thematik in nächster Zeit eine eigene Stellungnahme veröffentlichen. Auf eine Antwort der Landesregierungen auf seinen Brief wartet Gutberlet noch.